Saoirse

Zunächst eine kurze Erläuterung als Einstieg:
1. ich kaufe meine Düfte fast ausschließlich online, sprich: so ziemlich alle meiner Errungenschaften sind "Blind"käufe.
2. ich bin absolut Miniatur-süchtig

Nicht anders ist es zu erklären, dass ich bei einem meiner Stamm-Duftdealer sofort zugriff, als ich die Box mit den sechs Minis entdeckte.

Mein erster Eindruck war wohl auf eine verdorbene Nase zurückzuführen, denn ich fragte mich zunächst, wie dieses Tröpfchen seinen Preis rechtfertigt. Dann gerade eben nochmals getestet und es hat mich schier in die Polster meines Sofas gepresst.

Etwas Edleres ist mir nie unter mein Näschen gekommen. Es kommt selten vor, dass sich bei mir aufgrund eines Duftes Kopfkino einstellt, doch hier musste ich sofort an einen alten Film mit Sean Connery denken. Ein gut situierter gesetzterer Herr, mit Pfeife im Mundwinkel in der Bibliothek seines Landhauses sitzend, die alte Wildlederjacke ist zwar schon abgetragen, doch urbequem. Einen dicken Schmöker auf den Knien im Ohrensessel, ein verschmitzes Lächeln in den Augenwinkeln, ein Glas Weinbrand auf dem alten Eichenschreibtisch, ein Whisky, so gut er auch gelagert sein mag, wäre viel zu schnöde, Feuer im Kamin, draussen regnet es.
Dieser Duft ist unbeschreiblich. Angenehm, sanft, zum hineinkuscheln. Nein, er hat nichts Moosiges, aber das Leder - und der Pfeifen- (oder Weih-) rauch. Traumhaft.

Gegen zu scharfes Essen hilft ein Glas Milch, gegen zu grelles Licht eine Sonnenbrille, gegen Wasser in den Ohren hilft es, an den Ohrläppchen zu ziehen. Aber wie kriege ich jemals wieder diesen Duft aus der Nase, um auch die anderen fünf aus dieser Box testen zu können? Dieser eine ist jedenfalls schon mal jeden Cent wert.

Azzaro Club Woman war ein totaler Blindkauf. Wobei "blind" nicht der richtige Begriff ist, denn ich fand den Flacon aus schwarzem Glas mit Verschluss in Form einer 70er-Jahre-Disco-Kugel einfach cool. Einmal in der Hand, drängt sich mir jedoch der Gedanke auf: "Wer diese Bottle (75ml) mit sich herumträgt, erspart sich Pfefferspray, Schlagring, E-Shocker oder andere Selbstverteidigungsutensilien (auch wenn diese um einiges handlicher wären), denn im Falle eines Überfalles genügt sicherlich ein Schlag mit der Kante gegen die Schläfe und der Angreifer ist erst mal aus dem Konzept gebracht." Praktisch geht anders.
Der Duft selbst wirkt auf mich im ersten Moment wie kalter Schweiss (eventuell hat man sich von "dem Morgen nach der Club-Nacht" inspirieren lassen?). Vielleicht bin ich es einfach nicht gewohnt, an etwas zu schnuppern, das mich nicht sofort mit Sandelholz, Tonka oder anderem warmem Aroma begrüßt.
Die Vanille ist kaum zu spüren, Passionsfrucht habe ich irgendwie anders in Erinnerung und vom Rest habe ich keine Ahnung. Der Duft hat etwas pfeffriges, sehr frisches. Anders, als das Outfit vermuten lässt, ist er meiner Meinung nach nicht nur für Club-Nächte, sondern auch für alle anderen Gelegenheiten geeignet.
Ausserdem erscheint er mir auch eher Unisex als typisch weiblich. Ein bisschen CK Be, ohne die warme Holznote. Zu einem totalen Image-Wechsel wird er mich sicherlich nicht bewegen, doch als kleine Zwischenmahlzeit ist er im Schlussakkord absolut genial.

4711 kenne ich, seit ich denken kann, wahrscheinlich jedoch noch länger. Ich hatte es in meinem Kinderkaufladen in den kleinen Plastikregalen stehen, meine Puppen trugen es hinter dem Ohr, doch als Heilmittel habe ich es nie betrachtet. Gut, als echten Duft allerdings auch nicht. Doch an eine Erste-Hilfe-Aktion kann ich mich bis heute erinnern, obwohl sie sicher schon 30 Jahre zurück liegt. Ich saß in der U-Bahn Richtung Innenstadt, die Türen waren noch geöffnet, als es ein "pöser Purche" total witzig fand, eine Stinkbombe in den Wagon zu werfen. Jeder verdrehte die Augen, begann zu husten, zu würgen und andere Unmutsbekundungen zum Besten zu geben. Mir fiel ein, dass sich in meiner Tasche sowohl Papiertaschentücher als auch eine 3 ml Miniatur des kostbaren Wässerchens befinden. Folglich benetzte ich eines der Taschentücher mit 4711 und hielt es mir vor die Nase. Sowohl Damen als auch Herren um mich herum bedachten mich mit Blicken, die zu sagen schienen: "Ach, hätte ich doch auch nur...!" Leider war es mein letztes Taschentuch und so ein kleines Fläschchen reicht auch nicht für etwa 50 Menschen. Einer besonders bleichen Dame bot ich mein Fläschchen an, doch sie lehnte ab. An der nächsten Haltestelle wechselten die meisten Fahrgäste den Wagon, doch ich hielt 20 Minuten lang durch. Danke, 4711.

Es ist ja sicherlich eine schöne Geste, einer verstorbenen Kaiserin einen Duft zu widmen. Aber sehr angetan war der Parfumeur von Sissi wohl nicht, denn das Wässerchen ist eine Beleidigung für jedes Wasser - und für jedes adlige oder auch unadlige Haupt, ob gekrönt oder nicht. Im Prinzip erkenne ich nach den ersten 5 bis 10 Schnuppersekunden, ob ich einen Duft fantastisch finde, ob er gut ist, mittelmäßig oder... so richtig schlecht fand ich noch keinen. Aber man lernt ja nie aus. Ich konnte keine einzige Duftnote erkennen, nur einen unsäglichen Mief nach Moder. Ich meine, ich bin Gothic, ich habe von Moderdüften Ahnung. Aber das geht auf keine Kuhhaut, auf meine schon gar nicht. Man merkt dem Inhalt an, dass die Kaiserin schon sehr lange tot ist. Was mich auf den Gedanken bringt: Wie würde wohl die Nicolas de Barry-Variante für König Ludwig II von Bayern "müffeln"? Nur eine Wasserprobe aus dem Starnberger See?
Seis drum: Ich kann diesen "Duft" nicht einordnen, so leid es mir tut. Doch dafür fehlen in der Liste einfach die Optionen.

Als ich den Sprühflacon geöffnet hatte, schnupperte ich zuerst - wie es so meine Art ist - am Sprühköpfchen. Der erste Gedanke: "Wow, frisch, lecker." Dann sprühte ich erst und tauchte ein: Bergamotte: Endlich mal ein Wässerchen, bei dem mir dieser Duft gefällt. Pfirsich: Hatte ich früher mal als ätherisches Öl benutzt, ganz wenig hinter dem Ohr, und irgendwann total vergessen. Doch nun kommt die Erinnerung. Die Augen schließen und vom nächsten Frühling und Sommer denken. Traumhaft. Die aquatische Note verfliegt bei mir recht schnell, dafür bleibt ein Duft aus Lilien, Sandelholz und ganz wenig Moschus. Dabei ist er kein bisschen aufdringlich, für mich einfach nur ein Duft, mit dem ich mich selbst wohlfühle. Frühling, wo bleibst Du? Ich möchte "my life" spazieren tragen.