Sarungal

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6 - 10 von 69
Sarungal vor 9 Jahren 17 13
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5
Duft
Schwarze Mamba - süßes Gift
By Kilian – der Name steht für wunderschöne, gleichermaßen schlichte wie elegante Flakons. Die schönsten wirken wie klaviergelackte schwarze Zauberflaschen, berückend in ihrer Geradlinigkeit und verheißungsvoll obendrein: Was so geschmackssicher verhüllt wird, das muss einfach großartig duften…

By Kilian – der Name beinhaltet aber auch eine ganze Reihe verblüffender Enttäuschungen, die bereits bei den Erstbegegnungen in diversen Parfümerien ihren Anfang nahm. Es schien, als fehlten meiner Nase die Rezeptoren, um mir die Reize der Düfte zu erschließen. Vielleicht aber waren die Testbedingungen ungünstig, der Zeitraum zu kurz, das zuvor beschnupperte Parfum noch störend präsent. Wie passend traf es sich da, dass mir Djedi dankenswerterweise vor einigen Wochen eine hübsche schwarzsamtige Hülle überließ, die eine kleine Auswahl an Düften des Herstellers enthält.

Inzwischen haben sich „Liaisons Dangereuse“ und „Love“ als inkompatibel erwiesen: Beide Düfte protzen mit seltsamen Süße-Exzessen. Ersterer wandelt dabei auf einem sehr schmalen floralen Pfad, während Letzterer die Vanille kastriert, um sie als Zuckerersatz ins Rennen zu schicken. Nachgerade wehmütig muss ich hier an Scampi in Vanille-Knoblauch-Sauce denken - unvorstellbar wahrscheinlich nur für jene, deren Vanillehorizont mit den weihnachtlichen Kipferln endet.

„Back to Black“ findet einen anderen Weg, um den gleichen Zucker-Fauxpas zu begehen: Hier ist’s eine Überdosis Honig, die alle Subtilität im Keim erstickt. Dass obendrein noch eine muffige Kamille mitspielen muss, besorgt dem Honig vom Start weg eine enervierend medizinische Schlagseite, die an Hausmittelchen aus Kindertagen denken lässt.

Kardamon, Muskat, Weihrauch, Zeder, Vetiver… alle diese Ingredienzien ließen mich darauf hoffen, dass „Back to Black“ irgendwann die Kurve kriegt und der unnachgiebig dominanten Honignote ein gnädig frühes Ende bereitet – allein: Die Hoffnung trügt. Zwar darf ich beglückt von einer Relativierung seines Einflusses berichten, aber das übrige, recht appetitliche Allerlei, das die Pyramide führt, bevölkert weiterhin vor allem die Kulissen.

Dass mir angesichts dieser Ausgangslage sogar die räuchernden Elemente beinahe unangenehm erscheinen, ist schnell erklärt: Die Harze zeigen kaum ihre typische, hölzern-balsamische Präsenz, verstehen sich aber dennoch gut darauf, vorhandene Noten in die Verlängerung zu schicken. Fast will es mir sogar scheinen, dass sie spät nochmals boostern, was meine Nase gerne ins Duftnirwana schickte: Da ist er nämlich noch immer, dieser stechende Honig. Man reiche mir heiße Milch – in ihr wäre er besser aufgehoben!

Wie in der Basis noch Öl ins süße Feuer gegossen wird, stört da schon fast nicht mehr; abgesehen davon ist kaum mehr differenziert wahrzunehmen, was da im Einzelnen noch aromatisch dampft. Immerhin - die Bittermandel kauf’ ich glatt, während die Vanille vertraut entwürzt duftet: Hallo „Love“!

Was auch diesem Kilian völlig abgeht, ist das balancierende, das ausgleichende Element - ein charmantes Chiaroschuro, das in der Pyramide durchaus angelegt, olfaktorisch aber chancenlos ist. Ein wenig mehr Mut zur zitrischen Auffrischung, meinetwegen auch eine Prise Minze oder angeschmutztes Oud, einfach irgendetwas, das den Duft aus seiner honigsüßen Monochromie erlöst – und ich hätte vielleicht eine Chance gehabt, den ersten Kilian für mich zu entdecken. So aber wird das nichts mit uns. Kilian ist’s gleich – leid tut’s mir für die Freunde der Marke, denen ich nun bereits zum dritten Mal auf die Füße trete. Nehmt’s nicht persönlich; als Flakonfreund such ich halt die schwarze Perle der Firma, die inhaltlich hält, was ihr Gewand verspricht. Akut allerdings wurde mein Testbedürfnis in dieser Hinsicht deutlich reduziert; vorläufig sind deshalb die Kilians vor meiner Nase sicher!
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Sarungal vor 9 Jahren 19 8
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10
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8
Duft
Daktylische Hymne
Hochverehrtes Publikum, ich stelle Ihnen vor:
„Full Incense“, nen starken Duft, und lob ihn volles Rohr.
Anfangs riecht’s nach Kirche noch, ganz staubig, trocken, kühl.
Später dann entpuppt er sich als Stinker mit Gefühl.

Gleich am Anfang tut er so, als sei er Christenwerk,
Papst und Kathedralenzeug, doch macht euch nen Vermerk:
Räucherkram gab’s vorher schon im Orient ganz oft.
So roch es vor langer Zeit in manch’ antikem Loft.

Sorry fürs Belehren, aber manchmal hilft das sehr,
stand mir selbst doch anfangs der Gedanke manchmal quer,
dass, was räuchert, stets gebunden sei an Frömmelei:
Die Assoziation ist weg, ich fühl mich völlig frei.

Langsam schleicht ins Staubige was Warmes sich hinein,
harzig-würzig-satt, nicht kulinarisch, aber fein!
Wunderbar gepolstert qualmt es süßer, doch nicht platt.
Dennoch raucht der Duft ganz sicher völlig ohne Kat.

Wär auch schad drum, denn die Umwelt hat was vom Gebräu,
riecht’s doch nicht wie üblich nach dem Douglas-Allerlei.
Aladin, die Wunderlampe, Orient hoch drei,
Räuchermännchens Edelstoff und Gundel Gaukeley.

Die verhext wie „Full Incense“ geschickt so manchen Tor;
Letzterer benutzt dazu Elemiharz, bevor
andere Essenzen wie Labdanum-Absolue
streicheln euch das Näslein – jeder Widerstand perdu.

Kuschlig wird’s jetzt (sagt mal, kennt ihr eigentlich die Borg?
„Widerstand ist zwecklos!“ ist ihr Spruch. Klingt sehr nach Ork!
Diese stinken, jene aber – technologisiert -
kennen keine Düfte.) Hab’ ich euch jetzt leicht verwirrt?

Tut mir leid. Ich bess’re mich, sprech künftig nur vom Duft,
der – wie sag ich’s – sicherlich nicht rasend schnell verpufft.
Zart gesüßt und harzig-weich raucht er sehr lange Zeit.
Mancher denkt vielleicht sogar, das Zeug, das mache breit.

Macht euch keine Hoffnung – hier geht’s nicht um THC
(auch wenn manchem Spießer so ein Zug täte kaum weh!)
„Full Incense“ ist nur ein Duft, ein toller noch dazu.
Räucherfreaks passt er wie Cinderellas blöder Schuh!

Stunden später riecht er ganz besonders elegant:
In der zarten Süße schwebt ein Hauch von heißem Sand.
Lagerfeuer, Wüstenwind, leicht holzig parfümiert
Hat er meine Haut aufs Schönste länglich dekoriert.

Darum, liebe Qualmer, weil ihr Räucherdüfte schätzt,
habe ich den „Full Incense“ sehr liebevoll verpetzt.
Doch ich denk, im Daktylus tat ich’s zum letzten Mal,
denn die deutsche Sprache macht dies Versmaß oft zur Qual.

Herzlich danke ich Ergreifend für der Probe Huld.
Mithin ist die Dame an dem Text hier übelst schuld!
Ohne sie hätt’ ich geschwiegen, hätt’ gesagt kein Wort –
weder hier noch anderswo an irgendeinem Ort…

[Und die Schlau'n hams längst bemerkt: Das ist kein Daktylus,
sondern höchstens eigentlich ein Pa-e-an Primus.
Gut, auch als Trochäus geht das Versmaß hier noch durch;
Daktylus klingt schicker - darum lüg ich frecher Lurch!]
8 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 37 12
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
4
Duft
Das Blumenarrangement
Es war einmal ein Herr Vicomte,
der wollte vögeln, und das prompt.
Die Dame doch, die auserwählt,
erst lieber andre Damen quält.

„Intrigen sind“, (Marquise spricht)
„Im Leben unser hellstes Licht!
Mir selbst bereitet höchste Lust,
was Andre treibt in tiefsten Frust!“

Die Dame kalt, der Herr voll Glut,
sie fordert viel, ihm sinkt der Mut:
Verführen soll er eine Magd
voll Tugend, bis sie lauthals klagt.

„Ich brauch nen Trick für diese Frau!“
(So denkt Vicomte bei sich ganz schlau)
„Die Göre ist noch keine Sau,
die Chancen stehen deshalb mau!

Ich werd’ charmieren fürchterlich.
Die Kleine dann bestimmt wird sich
ergeben in ihr Schicksal und
dann mach ich ihr das Hymen wund!“

Mit Zauberkraft soll es gelingen,
die Störrische rasch zu bezwingen.
Ein Duft, ein schräger, wird gebraut,
auf den er seine Hoffnung baut.

Ums Pfläumchen geht’s, um Pflaume dreht
sich alles in dem Riechestoff.
Was sonst noch in dem Duft verweht,
erfordert einiges Knoffhoff.

„Das Kernobst duftet stark! Derweil
machts Jungfrau’n auch noch richtig geil.
Heureka – so verführ ich sie,
ich olfaktorisches Genie!“

Ein Hauch vom Röschen eingewebt
plus Zimt – schon ahnt er, wie entschwebt
die Tugend aus dem Geist der Maid.
Zuvor erst fallen muss das Kleid.

Er schnuppert schnell am Liebesduft
Und fühlt: Da ist noch eine Kluft!
Es riecht gar seltsam, blumig-faul,
Fast wie im Stall bei seinem Gaul.

Rasch wirft er weißen Puder rein
(und süßes Holz – das riecht so fein!)
Das Resultat macht ihn nicht froh,
(auch wenn’s nicht stinkt wie auf dem Klo.)

Was mach ich nur – so klappt das nie!
Es riecht zwar süßlich, aber wie
ein altes Blumenarrangement:
Die Kleine geht davon ka-oh!

Da grinst er breit, ahnt den Verlauf
und sieht sich schon ganz oben auf
der armen hingewelkten Maid,
die sicher dann vom Kleid befreit.

„Das ist nicht fair, ich geb’ es zu,
doch anders hab’ ich keine Ruh!
Nur so gewinn ich jenes Weib,
für das Intrigen Zeitvertreib!“

Der Plan gelingt, die Tugend fällt,
doch hilft das nicht dem armen Mann:
Marquise kein Versprechen hält.
Er bettelt sehr, doch darf nicht ran!

Das führt zu Krieg – und obendrein
entpuppt sich jeder bald als Schwein.
Die Maid verstirbt, der Mann gebrochen –
Ach, hätt’ sie nie den Duft gerochen.

Am Ende dann ist alles gut:
Vicomte verreckt in seinem Blut.
Marquise kriegt den Shitstorm rein.
Sie hat’s verdient, so muss es sein!

Und die Moral von dem Gedicht:
Benutze keine Namen nicht,
die literarisch hoch besetzt,
denn manche Nase wird vergrätzt.

Die Storyline und dieser Duft,
sie matchen nicht, und es verpufft
effektlos, was in Film wie Buch
von wirklich anderem Geruch.
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Sarungal vor 9 Jahren 17 9
7.5
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7.5
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8
Duft
Die Rache Gottes
Heute hält keiner eine Vorlesung, und es folgt auch keine augenzwinkernde Besprechung mit kleinen Seitenhieben in alle nur denkbaren Richtungen (außer in meine) – „Bois d'Ascèse“ ist ein Duft mit Ecken und Kanten, den zu kommentieren mich tatsächlich fordert. Ursächlich dafür dürfte unter anderem die Tatsache sein, das Teile meiner Nase beim Schnuppern eine Party feiern wollen, während mein limbisches System insgesamt etwas reserviert auf Naomi Goodsirs Produkt reagiert. Das ist schräg, irritiert mich – und spricht dennoch keinesfalls gegen den Duft. Der ist nämlich phänomenal komponiert - aber so lange diese Einschätzung großhirngesteuert ist, fehlt mir genau jene Euphorie, die aus Respekt Zuneigung oder Liebe werden lässt.

Andererseits mag diese Haltung hilfreich sein, wenn es gilt, einem Parfum auf die Schliche zu kommen: Die Einschätzung wird noch immer zwangsläufig extrem subjektiv sein müssen, aber sie erfolgt distanzierter. Ich vermute, dass eine solche Distanz einem abgewogenen Urteil bekömmlicher ist als die schiere Begeisterung – wenngleich ich Letztere emotional befriedigender finde.

Kommt jetzt auch mal was zu „Bois d'Ascèse“?
Sofort, Leute – aber ich ringe noch mit den Diskrepanzen zwischen Pyramide und eigener Wahrnehmung. Dass eine Beobachtung Leimbachers meinen allerersten Gedanken stützt, ist an dieser Stelle beinahe beruhigend: Stünde „Tauer“ auf dem Flakon, ich unterschriebe die Idee sofort. Hier wie dort nehme ich nämlich eine Form der gleißend zugespitzten Rauchigkeit wahr, die weit entfernt ist von jedem haushaltstypischen Parfum-Olibanum. Im konkreten Fall geht es nicht um Weihe, sondern um ein blitzendes, poliertes Duftstatement, das den Rauch fast waffenscheinpflichtig anspitzt. Darin blitzt für meine Nase außerdem eine gehörige Portion Muskatnuss von jener kräftigen Sorte, die bei Überdosierung jede Speise zielsicher um die Ecke bringt. Allein – von Muskatnuss ist nirgendwo die Rede. Ich greife zum Strohhalm und erkläre deshalb die spitzen Nadeln des geräucherten Zederwachholders zur Ursache meines Eindrucks: Auch ihm traue ich zu, das Bouquet gleichsam aggressiv aufzuladen und mit einer heißkalten Frische zu durchwehen, die Assoziationen zu Minze zuließe - wenn es denn an irgendeiner Stelle nach Minze röche. Das allerdings tut’s nirgendwo; es ist nur ein etwas verzweifeltes Bild, dessen sich der leicht überforderte Tester bedient, um seinen Eindruck in unzureichende Worte zu gießen.

Whiskey? Schwer zu sagen, ob der wirklich eine relevante Rolle spielt, zumal das Getränk bei mir üblicherweise ein zuverlässiger Brechreizauslöser ist. Erst der Genuss einer sündhaft teuren alten Version belehrte mich eines Besseren; dummerweise finde ich keine der beiden Varianten im Bouquet, sondern bestenfalls die Idee einer Alkoholnote, die willig die Aggressoren unterstützt. Den Zimt als eigenständige Note zu erfassen überfordert mich, aber er kann per se durchaus gehörige Schärfe aufweisen. Insofern halte ich seine Präsenz für denkbar. Der Tabak dient sowieso nur als Brennmaterial für das blauflammige Feuer, dem der stechende Rauch entsteigt; wahrnehmen kann ich ihn an keiner Stelle und erweise ihm mithin auch nur meine Reverenz, weil er laut Pyramide am Spektakel beteiligt sein soll.

Überhaupt, die Pyramide… Die trete ich jetzt erst einmal (beziehungsweise endlich) in die Tonne! Mit dem, was ich rieche, hat sie ohnehin kaum etwas zu tun - was vermutlich nur meiner überforderten Nase geschuldet ist! Die ist wahrscheinlich auch der Grund für meine gefurchte Stirn, während ich lese, wie von mir hoch geschätzte Kommentatoren relevante Duftverläufe in Goodsirs Parfum erkannt haben: Auf meiner Haut gibt „Bois d'Ascèse“ ein – ich schreib’s gerne erneut – heißkaltes Statement von einiger Wucht ab, das sich bestenfalls zartest nuanciert wandelt – aber jedes Feuer brennt irgendwann einmal herunter! Dieses hier gewinnt spät eine als geheuchelte Lieblichkeit maskierte Scheinmilde, hinter deren freundlichem Antlitz noch immer alles glüht, das vorher Rabatz gemacht hat. Einen Verlauf vermag ich also nicht zu erkennen, sondern bestenfalls das hinterfotzige Bemühen von „Bois d'Ascèse“, sich im Drydown doch noch ein bisschen einzuschleimen.

Dabei hat der Duft das gar nicht nötig! Ich bin Heide durch und durch, aber ich mochte schon als Kind die phantasiebereichernden Aspekte der Bibel sehr. Wie ich auf dieses schmale Brett komme? Nun – meine allererste, völlig ungeprüfte Assoziation zu Naomi Goodsirs Duft war ein waffentragender zorniger Erzengel in gleißendem Licht - sein Körper marmorweiß und perfekt bemuskelt, umspielt von Samt und Seide, die im wehenden Wind verhüllend mehr preisgeben als alle Nacktheit. Kunst oder Porno – scheißegal; vor diesem Erzengel gehen beide Geschlechter auf die Knie – die Motivation tut da nichts zur Sache!

Vermutlich ist das auch der Dufthaken: In Samt und Seide käme ich mir seltsam verkleidet vor. Die gleißende Helle erforderte überdies eine komplexe Lichtinstallation, und auch wenn ich für mein Alter noch recht gut in Schuss bin, reicht’s für das Titelbild der „Men’s health“ wohl nicht. Mit anderen Worten: vielleicht fühle ich mich ab und an unangemessen erzBengelig, ganz sicher aber nie wie ein Erzengel. Zwischen „Bois d'Ascèse“ und mir klafft eine Identifikationsschlucht, die ich vielleicht dann überwinden könnte, wenn der rächende Gottgesandte sich irgendwann doch nur als verkleideter Schauspieler entpuppt. Allein: Will ich das? Mir gefällt meine biblische Duft-Assoziation eigentlich recht gut, und meinem Selbstbild tut es keinen Abbruch, nicht als Erzengel wahrgenommen zu werden – zumal das ja am Ende auch nur ein höherer Angestellter mit gelegentlich sehr unerfreulichen Aufgaben ist…

Auch diese Spende verdanke ich Ergreifend; dass sie in ihrem Kommentar das Schwert als Metapher nutzt, bewaffnet meine Assoziation ja durchaus angemessen. Für meine zuletzt vollzogene Flucht in die Welt der Bilder entschuldige ich mich bedingt: olfaktorisch überfordert mich die Analyse dessen, was im Flakon schwappt – da blieb am Ende nur die metaphorische Annäherung an diesen höchst eindrucksvollen Duft. Übers Tragen denke ich nach, sobald mir Flügel gewachsen sind…
9 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 35 13
7.5
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10
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4
Duft
Nasenkitsch
Hochverehrtes Publikum, liebe Zuhörer,

in unserer heutigen Vorlesung aus der Reihe „Gefühle im Flakon!“ befassen wir uns mit Kilians „Love“ – zu deutsch: Liebe.

„Liebe ist…“ nicht nur sprachlich eine arg verkitschte Sammlung zumeist dünnwandiger Spruchweisheiten zum Thema. Auch olfaktorisch lässt sich die Komplexität des Gefühls offenbar erfolgreich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunter brechen: Liebe ist unfassbar süß – oder auch, je nach Standpunkt, nachgerade klebrig. Angesichts der allfälligen Verwechslung sexuellen Begehrens mit Liebe mag so Manchem die Klebrigkeit nachvollziehbar erscheinen - pickts und pappts doch auch gelegentlich nach dem Vollzug des Akts. Das mag man im Idealfall als süße Konsequenz einer Vereinigung begreifen – allein: Diese Analogie trifft die Tatsachen weder olfaktorisch noch gustatorisch – sie ist eine reine Metapher.

Offensichtlich möchte Kilian uns diese Metapher auch in Gefühlsdingen nahe bringen– die Frage sei erlaubt, ob solch’ Verkitschung menschlicher Emotionen sie nicht unfassbar verkleinert. Als Antithese gälte es zu diskutieren, inwieweit die plakativ süße Aussage nicht einem Streben nach dem perfekten Gefühl geschuldet sein darf – mithin einem, das unbelastet von Sorgen und Fragen, frei von Verlustangst und Eifersucht, im Wissen um die ideale gegenseitige Ergänzung in psychischer und physischer Hinsicht komponiert wurde. Der Advocatus Diaboli sieht sich genötigt, eine dritte Variante in die Diskussion einzubringen: Das Parfum als Seelentröster, als Waffe gegen das allfällige und unvermeidbare Scheitern dieser menschlichen Emotion – sozusagen die olfaktorische Entsprechung zum Frustfressen.

Die Herrschaften in den hinteren Reihen: Das ist ein Hör-Saal, kein Sprechzimmer. Aber vielleicht möchten Sie uns ja teilhaben lassen? … Aha! … Ich verstehe! … Selbstverständlich gehe ich gerne auf Ihren Einwand ein.

Tatsächlich habe ich dem Duft bislang nur ein Etikett verpasst – süß – ohne auf seine Komposition im Einzelnen einzugehen. Stattdessen konfrontiere ich Sie mit einer Auswahl von Interpretationen – vornehmlich, um Ihnen bereits vorab verschiedene Deutungsoptionen anzubieten. Sofern Sie Weitere erkennen sollten, werden wir uns in der anschließenden Diskussion mit ihnen befassen, einverstanden?

Zurück zum Thema - und damit zurück zum Namen des Dufts. Eine denkbare Option habe ich bislang übersprungen – die Frage des Marketings. Womöglich gab es bereits den Duft, aber ihm fehlte die griffige, markttaugliche Benennung. Statt nun Naheliegendes zu verwenden wie „Revenge“ – schließlich ist Rache süß! – wollte die PR-Abteilung positive Konnotationen evozieren, und man einigte sich auf „Love“. Sie finden die Idee unbefriedigend? Dann sind Sie damit nicht allein. Am Ende aber geht es auch bei Parfums nur bedingt ums Gesamtkunstwerk: Über Sinn und Unsinn einer Kreation entscheidet am Ende knallhart der Konsument an der Kasse – und weil Nomen hoffentlich Omen ist, bedarf es markttauglicher Bezeichnungen.

Kilians „Love“ ist im Prinzip ein recht simples Konstrukt, seine olfaktorische Wirkung betreffend: Der Verlauf ist überschaubar, das Ensemble zu plakativem Spiel angehalten. Es ist die Vanille, die wir in der Hauptrolle erleben. Ihre Darstellung zeichnet kaum Subtilität aus: Sie besetzt recht umstandslos die Mitte der Bühnenrampe und zeigt sich dort so, wie Lieschen Müller sich gemeinhin die Vanille vorstellt: süß, eindimensional, konditorenhaft, oetkerisiert und platt. Sie kokettiert nicht mit ihren bitterwürzigen Aromen und verleugnet gänzlich die Schwärze ihrer Gestalt, spielt also die Heldenrolle ohne jeden doppelten Boden, frei von aller Gebrochenheit.

Die Dame in der ersten Reihe…? Aha, sie nehmen das anders wahr? Einverstanden zumindest insofern, als jede Diskussion durchaus auch von unterschiedlichen Standpunkten lebt. Vielleicht darf ich Ihre Bedenken dennoch ans Ende meines Vortrags verschieben? Herzlichen Dank!

Natürlich schickt Kilian die Vanille nicht als einzelkämpfende Superdrohne ins Gefecht. Die Eröffnung ist floraler Natur. Mit einiger Deutlichkeit werfen die Blüten des Bitterorangenbaums ihre Noten ins Bouqet. Ihre ab und an mild-zitrischen, dunkelsaftigen Aromen allerdings werden sofort von weiteren Blüten überwältigt, zu denen auch eine nicht übermäßig dominante Rose gehört. Übrig bleibt also auch neroliseitig vor allem der rein florale Aspekt, in den sich – vornehm zerstäubt - neben der dezent schwülstigen Rose weitere lieblich blühende Farben mischen.

Wie wummernde Bässe den Weg durch jede Wand finden, so ist auch die Vanille bereits früh präsent. Recht bald wird das Volumen dieser Bässe massiv erhöht. Es bringt die Wände zum Einsturz und verschafft dem Vanilleklischee ungehinderten Zugang ins charmante Geblüh. Spätestens an dieser Stelle verwandelt sich die liebliche Eröffnung in einen mit Zuckerwasser gepanschten olfaktorischen Schreihals, der nicht einmal – das ist mir wichtig! - wirklich schlecht riecht. Ihm fehlt allerdings jede Dezenz, jede Feinfühligkeit, alle Zartheit; vor allem aber geht ihm exakt die Vielschichtigkeit ab, die – Sie gestatten mir nicht nur subjektive Dufteindrücke, sondern ebensolche Interpretationen? – den Titel des Parfums rechtfertigen könnte. Wenn Liebe so riecht, dann ist sie entweder pubertär erwartungsüberfrachtet oder stammt aus einem Groschenroman!

Immerhin (oder zu allem Überfluss) gelingt dem Parfumeur eine letzte klischeehafte Wendung: Der Duft ist beinahe so haltbar wie der Wunsch nach der nie endenden großen Liebe. Spätestens an dieser Stelle finden Sie mich beim Scheidungsanwalt: „Love“ hat erfolgreich sämtliche Geruchsrezeptoren verklebt: Ich verspüre einen dringenden Trennungsgrund.

Bevor ich Sie nun auffordere, meine pointierte Kritik gleichermaßen kritisch zu hinterfragen, möchte ich ein kurzes Fazit ziehen. Kilians „Love“ ist zu kalorienreich, um als Tröster bekömmlich zu sein, zu laut für eine olfaktorische Inkarnation des Gefühls „Liebe“ und zu eindimensional, um seinen Namen markt-gerecht zu werden. Selbst für eine Reduktion auf sexuelle Aspekte bietet sich der Duft kaum an: So sinnlich die Vanille auch aufzutreten vermag - in dieser Version begegnet sie uns zwar laut, aber klein, mithin beraubt aller schmutzig-erotisierenden Komponenten – wie eine schweißfreie dekorative Körperertüchtigungsaktion, die Penetration ein-, aber jede lustvolle Vereinigung kategorisch ausschließt. Das ist nicht einmal Barbie-Sex in Flaschen – so hübsch die auch sein mögen (die Flaschen, nicht die Barbies!).

Weil sich in diesem Fall gleich zwei Spender unabhängig voneinander bereit fanden, die Forschung durch Spenden nicht nur zu unterstützen, sondern überhaupt erst zu ermöglichen, geht mein Dank sowohl an Djedi als auch an Ergreifend. Und nun sind Sie am Zug…
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