Schmörkes

Die Fa. Alpa, Traditionshersteller aus Tschechien, bietet eine ganze Palette an schön unmodernen Rasierwässern und Colognes an. Die Gelegenheit war günstig, eine Reise nach Prag als Ausgangspunkt für eine kleine Zeitreise in Sachen Altherrendüfte zu nutzen:

Schwierig, einen Duft zu beschreiben, zu dem man so gar keinen Vergleich hat, nach dem Auftragen macht sich eine herbe Süsse breit, nein, eine in eine Puderdose abgetauchte Honigbiene mit floralen Avancen lebt ihren Moschusfetisch aus.

Mir echt unbekannt, eine solche Komposition. Aber nicht ungeil.
Nachteil ist halt, das Cologne hat zwar eine gewisse Haltbarkeit, ich schätze mal 4 Std., aber es ist recht schnell auch nur körpernah.

Der Pomadeshop ordnet den Chypre in die Zeit der 20er oder 30er des vergangenen Jahrhunderts ein. Auch wenn ich das nicht verifizieren kann, eine sicherlich längst vergessene Art eines Duftes.
Klare Empfehlung für Neugierige und Nostalgiker, in CZ für ca. 40-50 K? zu bekommen, in der Bucht dürfte er so bei 5-6€ plus Porto liegen.

Ich gebe dem Chypre 80% wegen seiner Originalität, ich kann ihm nicht die fehlende Sillage oder Haltbarkeit ankreiden, er geht ja nur als Cologne an den Markt. Die 100ml Glaspulle ist der Zeit und dem Inhalt angemessen, eine dicke Einheitsglasflasche mit Papieretikett, mehr brauchts eigentlich nicht...

Erst einmal Danke an Cappellusman für die Abfüllung!

Gespannt war ich, alleine schon wegen der polarisierenden Kommentare, Yatagan schien ja beileibe kein austauschbares Wässerchen zu sein, der SAF (Schmoerkes Acceptance Factor) könnte voll bedient werden.

Der Start ist ja wirklich unvergleichbar deftig, ich besitze keinen Duft, der mir als erstes einmal fett in die Fresse haut, dagegen benimmt sich die Kopfnote meines geliebten Anthaeus weichgespült und brav.
Nachdem seine ersten Punches weggesteckt sind, benimmt sich Herr Yatagan meiner Meinung nach recht angenehm, er lässt im ausgetrockneten Wald die Lederpeitschen knallen, aber pinkelt mir nicht an die Bäume und auf die Wiese. Das mag auch die Nachbarschaft.
Je länger er auf der Haut ist, desto schöner wird er, leider bleibt er immer ein knochentrockener Geselle, so etwas feuchter Schlamm würde ihm gut tun, und evtl. auch die Haltbarkeit verlängern?


Ehrlich gesagt, waren wir nach spätestens 30 Minuten Freunde, und er kann sich hier prächtig neben seine alten 80er Haudegen stellen.
Für mich der ideale Duft für einen Charles Bukowski Revival Abend :o)

Danke für den Tip Yatagan mal zu testen, der darf gerne in der Gallone hier einziehen.

Und ich geh jetzt mit Herrn Yatagan Schlammcatchen...

Ténéré passt ja bisher nicht so recht in meinen Bestand, die Regalkollegen haben da hinten raus mehr Dreck oder mehr Lieblichkeit, oder einfach einen Patchoulinachbrenner.
Er ist auch noch nicht lange hier, vielleicht ein paar Monate, es war immer einer, der mir in seiner Hochzeit zu dröge war.
Aber das hat sich in den letzten Wochen wirklich geändert. Sei es wegen der Erkenntnis, das viele der älteren Düfte einfach sauber gemacht waren, oder meiner persönlichen Horizonterweiterung. (was dann wieder an Euch hier liegt)
Sei es, wie es sei, Ténéré gewinnt bei mir mit seiner Andersartigkeit, diese trockenen Noten, als hättest du einen Trockenstrauß am Ohr hängen.
Erst blumig, dann verdorrt er langsam, und wird zu einem Gewürzpottpourrie als hätte der Fleurop dich über Monate vergessen.
Ténéré gleicht mir mit einem Blick in ein vergessenens Gewächshaus, trocken stehen die Pflanzen in ihren Töpfen, aber ihr Duft ist da.
Über die gesamte Szene legt sich etwas Staub....

80%. Keinen Deut weniger, eher sogar mehr.
Ein Kind der 80er, das ich leider erst jetzt kennen und auch schätzen lerne.

Das sind so die Eindrücke, die ich habe, wenn ich diesen Duft zu ergründen versuche. Ich habe ihn zwar nur als Mini, aber noch als Etruscan, und ich kann diesen sauberen Düften aus der "guten alten Zeit®" wirklich viel abgewinnen.
Etruscan gewinnt bei mir durch seine unprätentiöse Art, ein treuer Begleiter durch den Tag, der einfach immer da ist, wenn ich den Kopf verdrehe, seine Duftspur aufzunehmen. Er ist einfach da, unaufgeregt, eine wärmende Gelassenheit ausstrahlend.
Er entzündet kein funkelndes Feuerwerk, verändert sich nach dem abklingen der Kopfnote bei mir nicht mehr großartig, er erreicht recht schnell Herz und Basis (jedenfalls nehme ich ungeschliffener Banause da keine Unterschiede wahr), und lädt quasi zum gepflegten Cocooning ein.
Ein feiner,beständiger Freund, der aus anständigen Zutaten geschaffen wurde, heute würde man ihn wegen der nicht vorhandenen Spochtlichkeit und seiner Unaufdringlichkeit der Verkaufstheke verweisen.
Verdient hat er es nicht. Ganz und gar nicht.