Fougères gibt es viele, aber Fougére gibt es nur einen. Diesen. Wie konnte es zu dem erschütternden Schreibfehler im Namen dieses tschechischen Colognes aus dem Hause Alpa – es handelt sich um den vorerst letzten Teil meiner böhmischen Serie, aber vielleicht kaufe ich schon bald Nachschub ein – kommen? Seit wann gibt es diesen Duft überhaupt, und saß der Akzent von Anfang an verkehrt herum? Unvorstellbar scheint es, dass in der Zwischenkriegszeit, als Französisch noch die wichtigste Sprache auf dem europäischen Kontinent war und Frankreich der wichtigste Verbündete der Tschechoslowakei, ein französisches Wort wie „Fougère“ im Namen eines Duftes aus Böhmen falsch geschrieben worden wäre. Haben die Kommunisten den Duft erfunden oder den Akzent auf dem bereits vorher existierenden Duft böswillig herumgedreht? Aber: Immerhin sprechen wir von der Tschechoslowakei und nicht vom Kambodscha eines Pol Pot, wo wahrscheinlich erschossen wurde, wer einen Akzent richtig herum setzte, oder sogar, wer wusste, was „Akzent“ bedeutet. Zwar galten Fougères möglicherweise als bourgeois. Aber erstens würde das ja auch für richtig geschriebene Fougères gelten, und zweitens konnten die Bolschewiki ja auch „bourgeois“ richtig schreiben und haben, wie ihnen zu Gute zu halten ist, niemals gegen die „Buorgenossie“ gewettert. Und warum ist in den 28 Jahren seit der Präsidentschaft Václav Havels (und nicht etwa Vaclav Hávels oder gar Vaćlav Havels) der Akzent nie richtig rum gedreht worden?
Das sind – für Sprach- und Wort-Ästheten jedenfalls – entscheidende Fragen, die der wundervolle Kommentar Fittleworthens, der ansonsten eigentlich alles erforderliche über diesen Duft sagt, ebensowenig beantwortet wie die ALPA-Homepage, die in ihrer deutschen Sprachfassung (Leser meiner früheren Kommentare schätzen möglicherweise bereits das dort gepflegte oder sogar gepflogene sehr besondere Deutsch) lediglich vermeldet: „Kölnischwasser mit lockendem süßem kräuter-wurzeligem Moos-Unterton. Gibt Ihrer Haut dauernde Frische und ruft festliches Gefühl hervor.“ Na primig! Tadellöser und Wolff! Die Seite „pomadeshop“, sonst immer eine gute ergänzende Informationsquelle über Alpa-Düfte, deutet zwar an, dass es sich um einen alten Duft handelt, genaues wird dort aber ebenfalls nicht berichtet. Dass es sich, wie wir dort lernen, um einen der Lieblingsdüfte des Werksdirektors handelt, hilft auch nicht weiter.
Der Duft präsentiert sich uns in einer 250 ml-Flasche (!), die nach ihrer Größe und vor allem nach ihrer Aufmachung ein Mittelding zwischen einer Farbspraydose und einer XXL-Eierhandgranate darstellt und gewiss, allerdings bitte nach Entleerung und entsprechender Neubefüllung, auch gut als Molotow-Cocktail zu verwenden ist. Das Etikett könnte als wundervoll retro/vintage bezeichnet werden, wenn da dieser bösartige, wie Zahnschmerzen bohrende Akzentfehler nicht wäre.
Kann ein Kaffee schmecken, der als Expresso, Cappucino, Cafè oder Caffé verkauft wird? Kann ein Duftwasser gut riechen, das als Fougére oder Cyphre vertrieben wird? Dieses hier duftet sehr herb, fast bitter, dezidiert männlich und anders als bei vielen anderen durchaus schönen Fougères muss ich hier wirklich an Moose, Farne und Wald denken. Ein leichter Einschlag in eine Art Muffigkeit, nein, das ist zu hart, sagen wir vielleicht eher Kellerigkeit, verhindert, dass „Fougére“ für mich (wie für den Werksdirektor) wirklich zu einem Lieblingsduft wird, aber schön ist er schon. Seine Dezenz in Haltbarkeit und Sillage in Verbindung mit der Riesenflasche mit großer Schüttöffnung prädestiniert ihn bei mir zur Verwendung als Wasch-Eau-de-Cologne: wenn ich nach großer körperlicher Anstrengung (ich neige zum starken Schwitzen) mal nicht direkt zum Duschen komme, wasche ich mir das Gesicht normal mit Wasser und Seife und danach nochmal mit einem ordentlichen Schwupps „Fougére“ pur (in die hohle Hand gekippt und ordentlich Gesicht und Nacken damit abgespült). Das erfrischt und belebt, und nach 1 Stunde rieche ich eher nichts mehr, wohingegen meine Frau die hautnah verbleibende Basis dieses ganz besonderen böhmischen Artefakts – trotz des falschen Akzents – (an mir jedenfalls!) als sehr anziehend empfindet. Und wenn ich alleine bin, kann ich mich, so erfrischt, noch immer zur Lektüre eines guten Buches, zurückziehen, z.B. „Der Fürst“ von Nicólo Macchiaveli, äh, Niccólo Máchiavelli, oder Niccòlo….
Nachtrag: Es wäre gut möglich, dass dies mein letzter Kommentar in diesem Jahr ist, weshalb ich hier schon mal schöne Feiertage und einen guten Start wünschen möchte!