Sisyphos

Sisyphos

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16 - 20 von 143
Sisyphos vor 8 Jahren 11 11
7
Flakon
4
Sillage
6
Haltbarkeit
7
Duft
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
Dieses (verkürzte) Zitat stammt von dem griechischen Philosophen Aristoteles, Schüler von Platon und Lehrer von Alexander dem Großen, Begründer der Logik als Wissenschaft und erster großer Systemdenker. Die Eckdaten und einzelnen Komponenten bei Roadster klingen ganz wunderbar: (Aktivierende) Minze und (feine) Hölzer, (helles) Patchouli, (frisches) Vetiver und (natürlich: liebliche) Vanille. Hört sich nahezu perfekt an. Insbesondere die Kombination von edlen Hölzern und munterer Minze hat mich neugierig gemacht. Doch fügt sich alles zu einem großen Ganzen zusammen, das mehr ist als die bloße Summe seiner Einzelteile? Ist Roadster mehr als ein Aneinanderreihen von Duft-Komponenten? Gibt es eine Duft-Synthese?

Roadster ist zunächst einmal ein recht leiser Duft. Dabei jedoch nicht eindimensional frisch. Die Bergamotte jedenfalls zeigt sich erst gar nicht. Das dunkelbraune, glatt geschliffene Holz hingegen ist von Anfang an gut zu erkennen. Das gefällt. Die Minze ist behutsam inszeniert worden. Das gefällt auch. Man kann sie ausmachen, aber sie ist nicht penetrant. Kein wilder Kräutergarten, keine Zahnpasta. Viele scheinen den Duft als ausgesprochen sommertauglich einzustufen. Gewiss, der geht auch bei warmem Wetter, für meine Begriffe passt Roadster aufgrund seiner präsenten Holz-Thematik jedoch am besten in den Frühling oder Herbst. Im Ganzen betrachtet empfinde ich die Abstrahlung des Dufts als schwach und die Haltbarkeit als mittelmäßig. Hier habe ich mir mehr erhofft. Holz und Minze sind für sich betrachtet wirklich schön und gewinnend. Die Minze scheint sich jedoch nicht so recht behaupten zu können; sie geht aber auch keine Liaison mit dem (Kaschmir-)Holz ein. Und so bleiben beide hier seltsam nebeneinander und unverbunden stehen.

Roadster ist ein weicher Duft. Das ist kein Exot und kein Sonderling, kein Underdog und keine Type. Rodaster ist gefällig und will gefallen. Er gibt nach und passt sich seinem Träger an. Die Duftentfaltung ist schnell vollzogen. Spannende Wendungen sind nicht zu erwarten. Denn nach dem Aufsprühen passiert nicht mehr allzu viel. Gegen Ende bleibt eine grasige Note, die an frisch gemähtes Gras erinnert (Vetiver). Die leichte Süße in Roadster wirkt auf mich aufgesetzt. Nicht billig, nicht pappig, vielleicht halt nur ein wenig synthetisch.

Roadster ist ein Faktotum. Geht immer. Wirklich. Kann man überall tragen. Büro, Baustelle, Kino, Bar, Home-Office, Mondlandung, Spaziergang. Müsste man einen Akzent setzen, würde ich sagen, das ist tendenziell ein Indoor-Duft. Doch wer ihn bei der Gartenarbeit trägt, muss keine Angst haben, dass die Rhododendren das Haupt senken. Das ist eine Stärke. Und eine Schwäche. Tatsächlich ist es so, dass ich kaum einen Duft kenne, der derart universal einsatzfähig ist wie Roadster. Ich wüsste keine Gelegenheit, zu der man dieses Parfum nicht tragen könnte. Das nimmt Roadster halt auch ein gerüttelt Maß an Exklusivität und macht ihn für mich etwas "unspannend".

Roadster ist kein schlechter Duft. Aber eben auch kein richtig guter. Er ist für mich ein anständiger Duft, bei dem die Duftbestandteile letztlich leider nicht zu einem richtigen Zusammenspiel gelangen, oder: Nicht zu einem Ganzen, das mehr ist als die Summe seiner Teile.
11 Antworten
Sisyphos vor 8 Jahren 22 13
6
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Duft am Draht und Freigeister in Trier
Héritage (EdT) ist ein Exit-Duft. Das eine Parfum. Angenommen, wir leben alle in einer Simulation und nichts existiert, ist dieses Parfum eindeutig ein Grund, in der "Matrix" oder in der "Welt am Draht", wie auch immer das Konstrukt heißen mag, zu bleiben. Was dem einen sein Steak (Matrix), ist dem anderen Héritage EdT (Sisyphos). Das schier Unglaubliche: Die aktuelle Version (mit der silbernen Kappe) ist richtig gut gelungen. Transparent und cremig. Das derzeit erhältliche EdP hat neben mehr Wucht und Fülle einen markanten animalischen Einschlag (EdP): Zibet. Die ältere Formulierung des EdT (mit der goldenen Kappe) ist ein Mix aus aktuellem EdT und aktuellem EdP; würziger, dunkler, aber ohne jene besagte Katze. Die reformulierte EdT-Fassung mit der silbernen Kappe gefällt mir tatsächlich am besten: Ein kultivierter, orientalischer Barbershop im Frühherbst.

Vor etwa fünf Jahren, ich besaß vielleicht drei Düfte, testete ich, nachdem ich die Mosel von Koblenz startend abgefahren hatte, in Trier Héritage EdT. Die Verkäuferin: Das ist doch etwas für ältere Männer! (Ich war zu dem Zeitpunkt keine 17) Und ohne mit der Wimper zu zucken, drückte die bemühte Dame mir Freigeist (Wolfgang Joop) in die Hand. (Ich war zu dem Zeitpunkt keine 12) Nein, ich war auf der Stelle pikiert, verließ, ohne mich Héritage überhaupt in Ruhe widmen zu können, das Geschäft und ging zum ausgiebigen Kauf von Riesling-Weinen über ...

Jahre später auf parfumo: Ich gelangte an eine Probe Héritage (EdT) und war sofort begeistert. Und zwar so richtig. Die logische Weiterentwicklung von Zino. Aber: Samtiger, weicher, geschmeidiger. Und ohne Rosen(-holz). Patchouli zählt nicht gerade zu meiner Duft-Henkersmahlzeit, aber hier, in Héritage, ist es fast ein wenig frisch, agil, hell. Pfeffer und Koriander sind schön schmackhaft und bestens integriert, Lavendel einfach nur lecker und weit weit weg von Duftsäckchen und Oma. Der Duft hält, insbesondere auch in der aktuellen Fassung, ganz gut; die Projektion ist gutes Mittelmaß.

Héritage (EdT) verkörpert etwas Sicheres, Geborgenes. Er ist überall zu Hause. Und ein bisschen retro. 1992 rausgebracht, könnte man meinen, hier weht noch leise der Wind der 1980er. Das ist aber nicht im Sinne von Powerhouse zu verstehen, eher von der Duft-Attitüde her (wenn es so etwas gibt). Der Auftakt ist belebt und belebend, der Verlauf angenehm unaufgeregt und fern ab von überspannten Duft-Kapriolen. Dieses Parfum kümmert sich um seinen Träger, vermittelt Wärme und Vertrauen. Ich muss noch mal nach Trier und etwas klarstellen ...
13 Antworten
Sisyphos vor 8 Jahren 6 7
5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
3
Duft
Seife, das Eichmaß der Zivilisation
Rochas Lui ist zwar auch süß, aber für meine Nase bei Weitem nicht so süß wie viele meinen. Da gibt es ganz andere Kaliber. Und orientalisch ist hier auch nicht allzu viel - trotz gewisser Würze. Der Start ist bestimmt von Zitrone und Neroli. Offensiv und direkt. Das wirkt ausgesprochen seifig. Parallelen zu Versace L´Homme (man ziehe das Leder ab) sind vorhanden. Rochas Lui hat jedoch das Nachsehen. Der Versace ist reichhaltiger, vielschichtiger.

Das Problem bei Minze in Düften ist häufig folgendes Bild: Zahnpasta. Bei Zitrone ist es gerne mal alles Richtung Reinigungsmittel (daher kann man nur rückhaltlos und ganz grundsätzlich die saftige und delikate Orange in Parfums empfehlen, vor allem in dem schönen Concentré d´Orange Verte von Hermès). Bei Rochas Lui ist es die volle Zitrus-(Holz-)Keule, die nach dem Aufsprühen ausgepackt wird. Böse Zungen denken in diesem Zusammenhang an Klostein. Ich denke an Seife, gewöhnliche Allerweltsseife. Zwischen flüssig und fest. Zwischen Zitrone und Zitronenschale. Zwischen naja und so lala.

Abstrahlung, Ausdauer und Flakon sind irgendwo im Niemandsland der Mediocren.

Rochas Lui ist kein Sommerduft. Trotz Zitrone und Co. Am besten passt der Duft vermutlich in den Herbst. Die Würze ist nämlich durchaus üppig, bändigt den Duft jedoch nicht und ist stets recht eindimensional. Das ist weder gourmandig noch orientalisch. Eher alte Schule. Von der Grundausrichtung eigentlich ganz sympathisch. Diese Würze fügt der Dufterfahrung aber nichts hinzu, erweitert sie nicht, bildet gemeinsam mit irgendetwas Holzigem Parallelstrukturen. Die Glyzerinhaftigkeit von Rochas Lui wird ganz spät und kaum merklich von einer Prise Vanille angewärmt. Eindeutig die beste Phase des Duftverlaufs.

Amber (Ambra), im besagten Concentré d´Orange Verte von Hermès für ordentlich Tiefgang und Stabilität verantwortlich, vermag bei Rochas Lui kaum etwas auszurichten. Wer Bisongras etwas abgewinnen kann, der kann sich ja mal Bosque von Humiecki & Graef ansehen (und am besten dran riechen). Das macht Spaß und hellt die Stimmung auf. Bei Rochas Lui bleiben die Komponenten nebeneinander stehen, unorganisch und zergliedert. Was bleibt? Ein angesüßtes, seifig-glattes Zitronen-Gemisch mit konventionellen Gewürzen und einem Allerwelts-Holzgerüst.
7 Antworten
Sisyphos vor 8 Jahren 10 8
8
Flakon
3
Sillage
4
Haltbarkeit
6
Duft
Eis kratzen
Bei Divine aus der Bretagne gibt es mit L´Homme Sage einen absoluten Ausnahmeduft aus einer Geheimtipp-Duft-Schmiede. Warm und mit einem ausladenden gelben Pastellton, die (Zimt-)Würze harmonisch, im Grunde ohne echte Zitrusnoten im Kopf (Litschi, Mandarine), sehr satt und dabei doch nie fett. Dazu - es sei der Splash-Flakon empfohlen - mit guter Haltbarkeit und ordentlicher Abstrahlung. L´Homme Sage gräbt sich förmlich in die Haut ein, lebt subkutan weiter und wird dabei immer geschmeidiger. L´Homme de Coeur, der erste Herrenduft von Divine, kann da nicht mithalten.

Der Auftakt von LdC ist quietschfidel und glasklar. Für einen kurzen Augenblick scheint die Zypresse durchzuschimmern und eine erste erste Assoziation geht in Richtung Cipresso di Toscana von Aqua di Parma. Das macht neugierig. Die prominent in Szene gesetzte Iris ist hier nicht trocken, sondern kühl, ja nahezu kalt. Die Basis lässt kaum etwas erahnen, am ehesten eine cremige Note, wie sie zum Beispiel bei Habit Rouge Sport zu finden ist. Mit der Zeit wird der Duft etwas sinnlicher. Ein echter Verlauf zeigt sich für meine Begriffe jedoch nicht. LdC ist recht statisch.

Das riecht natürlich nicht schlecht. LdC wird man ohne Bedenken immer und überall tragen können. Er passt wie die Faust aufs Auge in den Sommer und in jedes Büro, ob Oberste Bundesbehörde oder trendige Agentur. LdC ist jedoch kein komplexer Duft. Das Gesamtpaket bei LdC ist für mich einfach nicht interessant genug. Der Duft bleibt ganz in sich gekehrt, an der (Eis-)Oberfläche. Was und ob etwas darunter zu finden ist, bleibt offen ... Wer einen frischen Sommerduft ohne eine ausschließlich aquatische Ausrichtung und mit einer gewissen Vielseitigkeit sucht, findet vielleicht in dem völlig unterbewerteten L´Eau Froide von Serge Lutens, das einen ganz herrlichen Weihrauch-Akzent setzt und deutlich mehr Freeze-Power aufweist, eine Inspirationsquelle.

LdC wirkt wie eingefroren, ein Standbild. Haltbarkeit und Abstrahlung wissen für einen Duft dieser Preisklasse nicht zu überzeugen. Ein wenig verwunderlich, dass Divine hier doch ganz auf Nummer sicher geht. Das Konzept wird ohne Frage auf breite Zustimmung stoßen. Im Grunde ist LdC ein sportlich-frischer und minimalistischer Allrounder, der in seiner dezenten Holzigkeit eher an Dior Homme Sport als an Dior Homme erinnert. Auch Carthusia 1681 zum Beispiel wird man für einen Vergleich heranziehen können. Das ist ganz nett und gefällig, gar keine Frage. Mehr aber nicht.
8 Antworten
Sisyphos vor 8 Jahren 6 4
8
Flakon
4
Sillage
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Haltbarkeit
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Duft
Spaß im Glas und Urlaub im Flakon
Die Mailänder Marke Calé Fragranze d´Autore macht interessante Sachen: Zum Beispiel Fulgor, eine eigenwillige Komposition, die Energie und Mineralität (Vulkangestein, Feuerstein) verkörpert. Vielleicht für alle, die auf Lanzarote leben oder dort Urlaub machen? Oder Roboris, ein frisch-grüner Duft (unter anderem verantwortlich: Mark Buxton), der es schafft, zugleich natürlich und synthetisch zu wirken und eine beinahe exaltierte Gumminote (Autoreifen) aufweist. Der Duft für die Automobilbranche? 50 ml kosten 99 EUR. Duftkunst aus Bella Italia.

Tepidarium ist da vergleichsweise zugänglich und konventionell. Wer etwa auf #S von Nasengold steht oder mit Virgin Island Water von Creed etwas anfangen kann, sollte Tepidarium einmal testen. Auch Sacre Coeur von Ego Facto könnte ein Bezugspunkt sein. Hier wie dort gibt es spaßige Casual-Parfums und einen völlig relaxten alkoholischen Akzent: Pina-Colada-Feeling mit einem Schuss Rum in Tepidarium und Virgin Island Water; Wein(-hefe, -blätter, -blüte) in #S bzw. Sacre Coeur.

Was Haltbarkeit und Projektion angeht, wird man bei Tepidarium zu Zugeständnissen bereit sein müssen. Wie so oft, hält der Duft auf der Kleidung und auf Papier etwas länger durch als auf der Haut. Die Sillage ist insgesamt zurückgenommen und hautnah. Nach einem spritzigen und prickelnden Zitrusauftakt und dem stimmungsaufhellenden Cocktail vermag der weiße Moschus den Duft noch ein wenig zu tragen, ehe langsam die Lichter ausgeknipst werden und man allmählich wegschlummert.

Wer sich mit dem Haus Calé befassen möchte, findet hier einen guten Einstieg. #S von Nasengold kann Tepidarium jedoch nicht das Wasser bzw. den Drink reichen. Unbeschwert, transparent und luftig ist dieses Sommerparfum der ideale Freizeit- und Urlaubsbegleiter, ob auf dem Weg zum Pool oder in den Biergarten. Das ist unprätentiös und nahezu immer tragbar, aber auch ein wenig beliebig und austauschbar. Wer Düfte mit komplexen Entwicklungslinien sucht, ist hier falsch. Auch eine klare Kante wird man bei Tepidarium vergeblich suchen. Dafür wirken die Zutaten natürlich. Tepidarium ist darüber hinaus ein Muntermacher und kann vermutlich gar nicht nerven. Der geht also auch dann, wenn man nach der Cocktail-Party morgens aufwacht ...
4 Antworten
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