
Man muss nicht alles mögen …
So lautet eine Textzeile aus dem Song "100.000 Stühle leer" der Punk-Band "Love A". Und weiter "Wenn man sie kennt, darf man getrost die Regeln brechen". Das es in dem Song natürlich nicht um Parfum und noch weniger um YouTube geht ist klar. Aber trotzdem passt diese Aussage auch zu einem Thema, was mir am Herzen liegt – nämlich Kritik! Content-Creator und "Influencer" haben (zumindest bei großen Teilen) der Parfum-Bubble nicht den besten Ruf. Denn sie stehen nicht nur für den Ausverkauf einer "Kunstform", sondern auch für subversive Werbung und das Gefühl einer modernen Verkaufs-Show beizuwohnen. Auch hier auf Parfumo gibt es genug Menschen, die "Influencer" für bezahlte Werbe-Nutten halten. Gestärkt wird dieses Gefühl dadurch, dass Düfte in den blumigsten Worten in den Himmel gelobt werden – vor allem die, die es "gratis" gab. Von Kritik ist selten und wenn dann nur sehr verhalten etwas zu vernehmen. Denn das Risiko von einer "PR-Liste" zu fliegen oder bei der "Beauty Alliance" in Ungnade zu fallen ist vielen dann doch zu groß. Und zu einem gewissen Punkt verstehe ich das sogar, denn die meisten "Influencer" oder "Content Creator" starten tatsächlich aus Idealismus und Passion für ihr Thema. Doch gerade zum Start kostet die Erstellung von Inhalten vor allem Geld: Kamera, Mikros, Equipment, Licht und natürlich die Düfte selber. Das Investment ist also groß, die Anerkennung eher weniger.
Für viele ist daher der "kostenlose Flakon" eine Art Vergütung, denn was man nicht vergessen darf: Viele konsumieren den Content der Creator gerne, wollen aber nichts dafür bezahlen. Eine Crux! Denn natürlich könnte damit argumentieren, dass kein Creator gezwungen wurde, Creator zu werden, sondern dass es ja das eigene Hobby ist. Auf der anderen Seite sind Inhalte (egal aus welchem Grund erstellt) ja etwas wert. Man würde ja auch nicht auf die Idee kommen, einem Musiker die Gage zu verweigern, nur weil er sich den "Beruf" selber ausgesucht hat. So oder so bleibt auf beiden Seiten ein bitterer Beigeschmack und viele entscheiden sich dann für den leichteren Weg: den Marken zu gefallen und lieber nichts Kritisches zu sagen. "Never bite the hand that feeds you" – sagt man ja so schön. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle dafür plädieren, sich von Marken und deren Marketingteams nicht alles gefallen zu lassen. Denn am Ende leidet das Image aller, die sich vor einer Kamera mit Parfum beschäftigen. Und es gibt genug, was man Marken kritisieren kann – abseits von "Duft ist blöd" oder "zu teuer". Manche Marken kommunizieren auf Social Media derart dumm und gedankenlos, dass es einem die Schuhe auszieht. Da wird mit nackten Kindern geworben (New Notes) oder die immer gleichen langweiligen Flakon-Fotos gepostet (Sospiro), da werden Fantasie-Duftnoten erfunden um bei TikTok-Edgelords die richtigen Knöpfe zu drücken (Toskovat) oder es wird loyalen Fans der letzte Groschen aus dem Portemonnaie gezogen (Ensar Oud). Ich möchte an dieser Stelle nicht die Diskussion "Was ist ein Duft wert" aufmachen – denn das muss abseits von den tatsächlichen Kosten jede und jeder für sich selbst entscheiden. Aber 3000€ für 30ml ist in keiner Welt zu rechtfertigen. Aber es gibt auch andere Gründe Marken unsympathisch zu finden – wenn statt Herzblut vor allem Investoren der Treiber einer Marke sind, wie z.B. bei Mind Games. Und gerade hier finde ich, haben "Influencer" eine besondere Verantwortung. Solche Marken in den Himmel zu loben sorgt nicht nur für einen Glaubwürdigkeitsverlust, sondern sorgt auch für das schlechte Image von "Content Creatorn". Denn hier merkt man einfach, dass versucht wird sich mit Geld ein positives Image zu kaufen. Ich will an dieser Stelle übrigens niemandem den Spaß an den "Mind Games"-Düften absprechen (wie auch an allen anderen genannten Marken nicht), sondern lediglich dafür sensibilisieren, den eigenen Geschmack entscheiden zu lassen und einen Duft nicht nur deswegen gut zu finden (oder schlimmer: zu kaufen), nur weil jemand im Internet das gesagt hat. Am Ende ist es ein zweischneidiges Schwert, denn jeder (mich eingeschlossen), der Düfte in die Kamera hält beeinflusst in irgendeiner Art und Weise das (Kauf-)Verhalten seiner Zuschauenden – dessen muss man sich bewusst sein.
Aber meiner Meinung nach sollte die Rolle eines "Content Creators" neutral sein, also jemand der ehrlich sagt, was er denkt. An diesem Punkt spielt dann vielleicht wieder die "Bezahlung" eine Rolle, denn Unabhängigkeit muss man sich leisten können. Oder anders gesagt: Wer "authentischen" Content will, muss darüber nachdenken, ob es sich nicht lohnen könnte, den Creator direkt zu unterstützen, statt dieses Feld den Marken zu überlassen. Und ich weiß, wie das jetzt klingt: Macht die Geldbeutel auf und bezahlt die Werbe-Nutten aus eigener Tasche! Aber das meine ich gar nicht. Mir geht es darum darüber nachzudenken, wie man "Parfum-Reviews" und "Empfehlungen" besser durch Manipulation von Marken schützt und dafür sorgt, dass auch kritische Stimmen wieder an Gewicht gewinnen. Denn wenn alle am Tropf der Marken hängen und aus Angst vor Sanktionen dann doch lieber alles gut finden, dann ist am Ende keinem geholfen. Dass dazu eine gewisse Haltung gehört ist natürlich auch klar – sprich: Es wird immer Leute geben, die alles annehmen, was man ihnen zuschickt – einfach weil sie es können. Das ist auch ok, sollte dann aber auch entsprechend als "Werbung" gekennzeichnet sein (auch so eine Sache, die gerne vergessen wird). Was soll dieser Blog-Artikel jetzt eigentlich sagen? Ich versuche das nochmal auf die Essenz meines Gedankens herunter zu brechen: Ich würde mir wünschen, dass "Content Creation" wieder ehrlicher, unabhängiger und authentischer wird. Das Marken sich Meinungen nicht einfach kaufen können. Und dass sie sich klar sein müssen, dass sie ab jetzt "kritischer" gesehen werden – was ihre Düfte, aber auch ihre Kommunikation betrifft. Und das man sich als Konsument fragen muss, ob man bereit wäre, für unabhängigen Content zu bezahlen – so, wie man es bei Zeitungen, Podcasts und anderen Services auch tut. Wie gesagt: Einfach mal ein Gedanke, über den es sich lohnt nachzudenken. Ich werde auf jeden Fall im nächsten Video mal ein paar Marken vorstellen, die ich so gar nicht gut finde ;)
Schreibt mir gerne, was eure Gedanken zu dem Thema sind, wie ihr "Content Creator" und "Influencer" wahrnehmt, was euch bei Content wichtig ist und ob ihr bereit wärt unabhängige Inhalte zu unterstützen.
Und für alle, die diesen Beitrag redundant, langweilig oder doof finden: Hört euch wenigstens den Song "100.000 Stühle leer" an, denn dessen Message ist unmissverständlich und heutzutage wichtiger denn je!
Ich wink mal mit dem Zaunpfahl: YT hat 2022 einen Umsatz von knapp 30 Milliarden Dollar erzielt. (https://www.smart-home-fox.de/youtube-nutzer-statistiken). Selbst, wenn der Gewinn nur etwa die Hälfte ausmacht, sollte noch genug übrig bleiben, um Creator mehr an Werbeeinnahmen zu beteiligen.
Liebe Grüße,
Chrissy
Haben wir nicht alle für die CC bereits bezahlt, indem die Preismarge der gehypten Parfüms bereits für die künftigen wohlwollenden Kommentare angehoben wurde?
Da spürt man echte Leidenschaft für´s Thema.
Extrem abtörnend finde ich es hingegen, wenn es den Creators so arg spürbar nur darum geht ihr Business (sei es eigener Shop, eigene Brand, Reputation bei Partnern und Sponsoren) zu pushen.
Mach Du bitte weiter so wie bisher! Du bist einer von den Guten! 👍🏽
https://youtu.be/qBeu-qRUGog?
Auf Parfumo habe ich mehrere User, die ähnliche Vorlieben und ähnliche Duftwahrnehmungen haben. Ihre Kommentare und Statements lese ich.
Mit ihnen tausche ich, mit ihnen rede ich, wir schenken uns auch immer mal etwas.
Jeder Inhalt ist etwas Wert? Für Statistik oder Werbung - ja, aber nicht für mich als Privatperson. Wenn ich einen Schauspieler (um beim Vergleich zu bleiben) nicht mag, sehe ich mir den Film/ das Theaterstück mit ihm in der Hauptrolle nicht an, bezahle ihn also nicht. Genauso halte ich es mit "Content Creator".
Natürlich darf man sie auch unterstützen, wenn man will. Du hast nach unseren Gedanken dazu gefragt, das waren meine.
Als InfluencerIn den Grat zu finden zwischen 'ich muss nett sein, sonst krieg ich nix mehr von der Marke' und 'ich will authentisch sein' stell ich mir eher schwierig vor. Vor allem, wenn man ein kritischer Mensch ist, und sich im positiven, wie im negativen nicht soo gern ein Blatt vor den Mund nimmt.
Ich denk mir, sobald der Hauptberuf InfluencerIn ist, kanns mit der ehrlichen Meinung nur mehr schwer klappen. Oft garnicht, weil mans nicht will, sondern weil einfach im Hinterkopf sein MUSS, dass man vom Support diverser Vertriebe abhängig ist. Wie wärs, wenn irgendwann diversen Youtubern der Herr St. den Rücken zuwenden würde? 70 Prozent der gezeigten Marken fallen weg! Ich kann verstehen, dass man dann milder urteilt. Bewusst, oder unbewusst. Allerdings geht dadurch jegliche Vielfalt und Authentizität verloren - dennoch wirds als ehrliche Meinung verkauft. Das ist eigentlich sehr Schade.
Was die mittlerweile absurde Preispolitik der Marken betrifft, daran sind am Ende die Konsument*Innen selber schuld.
Vorschlag: es gibt Content Kategorien auf YouTube, die man als Zuschauer bestellen kann. Der Zuschauer zahlt eine Pauschale. Die Parfummarken zahlen den Content Creatern einen Betrag pro Nutzeranzahl und View. Müsste noch mehr betriebswirtschaftliches Gedankengut einfließen lassen.
Für mehr Views darfs gerne kreativ und verrückt werden. Mikki hat alle Dupes in einen Eimer geschüttet und danach damit die Kellertreppe gewischt 😂👍
Mittlerweilen reagiere ich fast allergisch auf den Begriff "Empfehlung."
Ich hab diese gekauften Lobeshymnen so dermaßen satt.
Stimme in (fast) allem zu, aber Toskovat mag ich, und letztlich ist ja auch z.B. "Maiglöckchen" in einem klassischen Parfum eine Fantasienote... Noten beschreiben ja eben einen Dufteindruck und keine Zutat. Aber das ist mein einziger Einwand.