Titania

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6 - 10 von 10
Titania vor 10 Jahren 3
Lady sings the day
So ist das wohl mit jeder Zartheit, auch mit der Poesie. Unmöglich, sie in ihre Einzelteile zu zerlegen, jedenfalls dann, wenn es den Totalverlust zu vermeiden gilt, eine Zerstörung. Und dieser Duft hier ist - ein Gedicht. Die Art von Lyrik, deren Urheber die alten Griechen aus ihrem idealen Staate zu verbannen trachteten; zu groß schien ihnen die Gefahr für den Frieden der Seele - die Vernunft.

Dieser Duft singt, wie Billie Holiday - the Lady Day, stets mit Gardenie im Haar - gesungen hat. Dieser Klang berührt die Eingeweide, darunter das Herz, aber nicht nur. Er hat Finesse, eine Feinheit, die Poesie von Prosa unterscheidet, trennt. Der man lauschen muss und das nur kann, wenn man sich selbst vergisst, Hingabe wagt, an die Stille im eigenen Innern. Und dann das Gegenteil einer Meinung erlaubt.

Drei andere Düfte von Maria Candida Gentile hatte ich als kleine Flakons bestellt, dieser hier lag als Probe bei. Ich habe ihn heute zum ersten Mal aufgesprüht, eher beiläufig, aber doch, schon neugierig - und durch den Test von Exultat, Cinabre und Sideris bereits eingestimmt auf Gentiles besondere, poetische Erzählweise. Nach zweieinhalb Sekunden, vielleicht auch drei, wusste ich, dass ich für diesen Duft nicht nur Debut, Chamade, Number One hergeben, hingeben, aufgeben könnte, sondern eine Reihe weiterer Düfte. Solche, die ich bereits besitze und solche, die ich sonst noch getestet, gekauft und selten getragen hätte.

Lady Day ist ein Gedicht, eine Handschrift, eine Signatur. Meine. Mit diesem Duft würde ich liebend gern unterschreiben. Das, was ich alles sein könnte - auch wenn ich längst noch nicht alles darüber weiß.
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Titania vor 10 Jahren 6
A kind (of ) lily
Oh, l´amour! Und ach, das Hirn... Wir ernten, was wir säen. Und riechen, was wir fürchten mindestens ebenso häufig wie alles Erhoffte. Ich fürchte nunmehr weder Tod noch Teufel. Und erhoffe mir obendrein möglichst selten etwas, weil es dem widersprechen würde, worauf ich vertraue: zu vertrauen. Darauf, dass das Richtige sich zeigt, wenn man es lässt. Irgendwann jedenfalls. Und dass ich es dann erkennen werde - und es mich. Mein Weg. Ein Weg. Manchmal führt er tief in dunkle Wälder. Manchmal ans Licht.

Und manchmal führt das auch zu beidem - auf eine Lichtung. Hier beginnt Relique d´Amour, mit dem Ton eines Grüns, das sich in Erdbodennähe filigran kräuselt, rauh, nicht aber kratzig. Dann setzt sich der Duft mit leichten Schritten, einem elfenhaften Huschen, fort in moosigweicher Feuchtigkeit, wie sie Gemäuerresten innewohnt, erhalten, gehalten, und doch offen zum Himmel - und zu einem ganz natürlichen Ende: Verwitterung.

Dunkel wirkt dieses Bild auf mich kein bisschen. Schattig, ja. Und mit dem Wissen um Vergänglichkeit gemalt, doch frei von jeglicher Todessehnsucht. Für mich ist der Duft im Herzen, auf seiner Lichtung, das abstrakte Aquarell einer Lilie. So diffus, dass sie wirkt wie geträumt - und dabei zweifellos über jeden Kitsch erhaben ist.

Mein Hirn? Meldet meinem Herzen: alles richtig! Gemeinschaftlich erkennen sie diese Reliquie der Liebe als sehr weiblich, sehnsüchtig süß, latent geil und das kein bisschen leider.
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Titania vor 10 Jahren 6
Ein Platz am Feuer
Nepal ist ein Land aus Stein und Mühe. Der Weg ist das Ziel, Arbeit und Gebet sind eins, jeder Schritt erfolgt aus existenzieller Notwendigkeit. Darin liegt Gewicht, als Schwere wie als Bedeutung. Wir im ach-so-zivilisierten Westen mögen glauben, die Wahl unter unbegrenzten Möglichkeiten zu haben (und diese Wahl nach Möglichkeit nicht einmal zu treffen), mache die Fülle eines Lebens aus. Der Mensch in einem Osten, wie Nepal es ist (und den es so nicht bei Tschibo gibt), hat keine Wahl und empfindet gerade das als Sinn stiftend. Karma ist hier kein esoterisches Totschlagargument, sondern Ursache und Wirkung, am eigenen Leib erfahren. Und es ist die Selbstverständlichkeit, Teil eines Ganzen zu sein, mit der persönlichen Existenz zu einer Gemeinschaft beizutragen.

Die Beiläufigkeit des (sich) Opferns zeigt sich dabei auch in der Allgegenwart religiöser Symbole und Rituale. An jeder Ecke, in jedem Winkel finden sich Klöster, Tempel, Stupas, Statuen, Gebetsmühlen... Und es ballen sich Fahnen im Wind, die die aufgedruckten Gebete und Mantras aufsteigen lassen sollen wie - ein Parfum.

Lillipur ist ein Duft aus Zeit und Feuer. Es schichtet und verbindet die unzähligen sinnlichen Eindrücke Nepals, dieses an Kargheit reichen Landes, auf beinah schockierend authentische Weise. Es sind nicht nur die Gerüche, die Gewürze und der Rauch. Es ist auch die Klarheit der Höhenluft, die Schärfe der Windböen, das Vibrieren von Muschelhörnern und Schellen, was ich hier riechen kann, in der Textur des Duftes wiederfinde. Lillipur lässt Gestein atmen, führt ans Feuer zurück, lässt Teil haben oder werden an einer solchen archaischen Existenz.

Für mich ist das zuviel, zu schwer, soviel kann ich nicht tragen - als Parfum. Lillipur rührt bei mir an starken inneren Bildern, die große Kraft haben, aber keine gefällige Schönheit. Ich sehe Kinder vor mir, die niemals ein Parfum tragen werden, kaum ein Lächeln im Gesicht und selten ein Buch in der Hand. Diese Kinder tragen ihre kleinen Geschwister auf dem Rücken oder Körbe mit Viehdung, der getrocknet als wichtigster Brennstoff gilt - und später dann das Gepäck der Trekking-Touristen, oft nur mit Badelatschen an den Füßen.

Daher war ich drauf und dran zu sagen: Das geht gar nicht - als Parfum. Doch dann habe ich gelesen, wie Ihr anderen zT Lillipur erfahren und beschrieben habt. Und dachte (und fühlte): Wenn ein Duft dies kann - Menschen an einen Ort bringen, an dem sie noch nie waren, an den sie jedoch gehören, wenn er Verbindungen erzeugt, die über "like" und "yepp, supi" um Einiges hinausgehen, dann kann er nur gelungen sein: als Handwerk und als Kunst.
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Titania vor 10 Jahren 6 8
Mon Moschus
Recht habt Ihr, alle miteinander: Dieser Duft ist weichgezeichnet und -zeichnend, allpassend, facettenreich, er ist ganzganz vieles und nichts davon zu sehr. Und es ist ein Moschusduft, liebe Kleopatra :-), da bin ich mir sicher: Das was drauf steht, ist auch drin - in der Welt, wie Mona di Orio sie sieht. Sehr bewusst hat sie für ihre Nombres-d´Or-Kollektion ja die üblichen Verdächtigen, die "gängigsten" und beliebtesten Duftnoten gewählt, um sie auf die ihr eigene Weise zu interpretieren. Und so sind ihre Düfte in dieser Linie keine monothematsche Auslegung, sondern eine Variation über das Thema. In den meisten Fällen - meine Einstiegsdroge war die Discovery-Box mit acht Düften - sind die Ergebnisse echte Überraschungen: Eine frische Tuberose ist darunter, eine rauchige Vanille... Und ihr "Musc" verbindet, so empfinde ich es, auf zarte, filigrane, puderwattige Art (alles "typisch Moschus") das Tier mit dem Menschen, den Menschen mit seiner Körperlichkeit, mit seiner Haut und der Nähe dazu. Nicht krawallig-krallig, nicht kleinklein oder klebrigsüß - sondern so ernst wie zärtlich und ebenso erwachsen wie verspielt. Was mich ziemlich altes Mädchen dazu verführt hat, mir den Duft zu Weihnachten zu schenken. Nach "Ambre" ist es mein zweiter Mona di Orio, und bestimmt nicht der letzte. Weil man die vielschichtige Schönheit ihrer Düfte am besten erfährt, wenn man mit ihnen lebt.
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Titania vor 10 Jahren 7 2
Die Braut, die sich nicht traut
Nicht nur der Name (Betrothal: die Verlobung), auch der Auftakt verspricht Großes. Aus Gegensätzlichkeiten wie süß und bitter, warm und kühl, opak und transparent, und und und... erschafft dieser Duft eine vollkommene Harmonie, vereint dabei ohne zu unterschlagen. Das muss Liebe sein, seufzt man angesichts einer solchen Verschmelzung, zückt das Spitzentaschentuch, tupft sich Tränen der Rührung aus dem Augenwinkel und möchte von ganzem Herzen gratulieren.

Doch dann verliert diese große Liebe bereits vor Ende der Hochzeitsreise an Absolutheit. Wie eine Kinoromanze blendet sie ab, verordnet ein Happy End statt Größe, Tiefe und Wahrhaftigkeit zu atmen, bis dass der Tod uns scheidet. Der Duft löst sich, noch immer und seltsam erleichtert seufzend, in etwas auf, das als Wohlgefallen durchgehen mag, nicht jedoch als hochheilige Angelegenheit des Herzens.

Vor meinem inneren Auge scheint das scheue Lächeln einer sehr jungen Lady D. auf, ihr fragender Blick, die Wangen von all der Aufregung gerötet. Es ist ein sauberes Mädchen und es es riecht gut - nach feinster Seife, Moms Moisturizer und sorgfältig geputzten Zähnen.

Das ist pretty, very pretty sogar. Aber nichts, weswegen man unbedingt heiraten müsste. Meinem Empfinden nach ist dieser Duft nicht die Kostbarkeit, die er vorgibt zu sein, kein Kronjuwel. In einer Sammlung mag er es durchaus sein, im Bund fürs Leben eher nicht.
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6 - 10 von 10