Troemmer

Troemmer

Rezensionen
Troemmer vor 4 Jahren 2
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
M7 hoch 10
Jadab beginnt in der Extrait-Version mit einer mäßig animalischen Oud-Note. Ist das nun wertiges synthetisches Oud oder natürliches Oud? Ich tippe auf eine Mischung aus beidem, mit größeren Anteil an Synthetik. Meine Hand würde ich dafür nicht ins Feuer legen – ich bin kein Oud-Kenner und will ehrlich gesagt auch keiner werden. Weder authentisches Stallaroma für Adlerholz-Connaisseure ist für mich auszumachen, noch so eine monolithische moderne Oudbasis à la „Oud Royal“. Es flirrt hier vielmehr aufs Schönste. Warm-würzig und ganz bisschen blumig. Und trotz Extrait-Power durchaus mit Stil und ohne Druck. Entscheidend ist für mich – hier stört keine Note, auch nicht auf Strecke. Der Gesamteindruck ist bleibt bis zum Ende natürlich und das gefällt mir sehr. Und bis man hier das Ende erreicht braucht es echt Geduld, glaubt mir…

Wo anderes ins Ausgestellte, Gespreizte, Ungewöhnliche, abbiegen bleibt Jadab bei sich, bei mir. Er legt die Karten nicht auf den Tisch – wenig Duftentwicklung, dafür ein steter kleinteiliger Strom aus diesen gleichermaßen warmwohligen und tiefblumigen Anteilen. An den richtigen Stellen gedimmt, die Blüten stechen null, sie treiben langsam im Duftfluss – das hat Tiefe und ist wirklich toll gemacht!

Diese Tiefe ist nie schwarz oder abgründig, nicht von der Sorte „geht’s noch ne Nummer düsterer?“ – die große Dimension entsteht durch einen Sog an warmen beruhigenden aber nicht betörenden Eindrücken. Jadab lockt nicht – eher stolzes Selbstbewusstsein, stark verwoben. Einzelnen Noten erkenne ich nicht, will ich auch gar nicht. Denn über allem steht ein wohliger Gesamteindruck. Schon ziemlich männlich – wobei einen Frau mit dem Duft keineswegs verkleidet wirken dürfte.

Das Parfum wirkt zeitgemäß und raffiniert und laut Pressetext erzeugt der Duft wohl eine Aura des sicheren Selbstbewusstseins um die Trägerin oder den Träger. Muss man nicht glauben. Sollte man nicht glauben. Denn Jadab will niemanden beeindrucken – und beeindruckt auch niemanden in diesem ausladenden Sinn. Ich finde das sehr sympathisch. Denn was auch auch stimmt: Es gibt hier Düfte, die in ein ähnliches Horn stoßen und auf den ersten Metern viel interessanter wirken, vielleicht auch im Ranking besser dastehen. Auch Stéphane Humbert Lucas hat ein paar dieser Kandidaten kreiert. „2022 Generation Man“ glitzerte zum Beispiel eine kurze Zeit in meinem Badregal. Es war meist dieses Ausgestellte, das mich nicht auf Dauer mit solcherlei Kanonen warm werden liess. Früher oder später kam der „Is ja gut, jetzt hab ichs kapiert“-Moment. Hier nun ist für mich alles stimmig. Sozusagen Oud und Frucht oder Trockenfrucht, aber ohne „gib ihm“.

Meine 10 da oben sollte also niemanden auf die falsche Fährte führen. Oud-Afficiados fänden den Duft wahrscheinlich höchstens „ganz nett“, nicht unique, vielleicht auch zu gourmandig. Das Extrait von Jadab ist ein Funktionsduft mit Tiefe. Und ein Duft, dessen Zielgruppe, wahrscheinlich nichts viel von ihm mitbekommt. Man sollte eher nicht auf der Suche nach einem hochwertigen Luxusduft sein – hier ist alles eher casual, auch wenn Verpackung und vor allem der Preis etwas anderes versprechen. Wirklich kein fancy Projektionsmonster für besondere Auftritte, auch keine Extravaganz, nur Haltbarkeit ist echt massiv! (pappt wie Sau) Zwischendurch sorgt immer mal wieder diese boozy Colanote, die vielleicht einige von YSL M7 kennen für gute Laune, auch beim „Tigre du Bengale“ hatte ich mal diese Spritzel-Sprutzel-Assoziation.

Das Eau hatte ich übrigens auch schon unter der Nase – auch cool, aber das Extrait…das Extrait…*augenverdreh*…
2 Antworten
Troemmer vor 4 Jahren 9
4
Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
9
Duft
Vergessener Zitronen-Klassiker — zu Recht?
Ui, ich scheine hier tatsächlich der erste zu sein. Erstaunlich, dass bislang noch niemand Signoricci kommentierte, die Anzahl klassischer Herrendüfte aus den 60ern ist ja eher überschaubar. Zudem ist der Duft mit ein bisschen Glück noch zu moderaten Preisen zu ergattern.

Es könnte an der Optik liegen. Der Flakon macht nicht gerade viel her. Meiner sieht aus wie da oben auf Bild 4/4: Unten Pressglas, oben verchromtes Plastik. Der stand eher im Allibert als auf der schweren Waschtisch-Marmorplatte. Also Eau Sauvage für Arme? Mal schauen…

Von wegen, hier geht’s um Eleganz! Die Kopfnote meines Signoricci ist trotz des hohen Alters schön wie eh und je. Dreifacher Zironenrittberger in your face! Uff. Mit ordentlich Kawumms kommen Zitronen um die Ecke, nicht die quietschsauren, hier britzelts bitter und leicht fruchtig. Die erste Zitronenladung weicht Kräuter- und würzigeren Zitrusnoten. Auf einer leichten Tabakbasis, elegant und weich, den Kick geben knackige grüne Noten. Alles perfekt ineinander verschränkt. Einfach, klassisch, frisch. Schwebend, transparent, und auch ganz bisschen raffiniert.

Die Pyramidenkandidaten Amber, Tonkabohne, und Zibet rieche ich nicht. Dafür gibts in der Basis ordentlich Vetiver und ganz feine Zeder, die Rose erahne ich mehr … Das ganze (perfekt ineinander verschränkt, sagte ich das bereits?) einen eleganten, ja durchaus luxuriöser Duft aus einer anderen Zeit. Das interessante hierbei ist: Sowohl erkennbar aus den sechziger Jahren als auch seiner Zeit voraus. Denn breitbeinig, maskulin, aus der Zeit gefallen oder so ist hier nichts. Alles leicht, schwebend, perfekt inei… okay ich hör schon auf. Mit einigen weiblichen, aber dennoch markanten männlichen Noten. Signoricci spielt für mich in einer Liga mit dem alten Armani Eau Pour Homme, wenn auch unkomplizierter und viel sommerlich-spritziger und zugegebenermaßen auch weniger unique.

Mir wird der Duft nie über, der hat nichts Ermüdendes, kein Derschonwieder, ganz im Gegenteil: jedes Nachsprühen ist ein kleiner cologneartiger Aufwecker. Und ohne Nachsprühen geht’s nicht – wir kommen dezent zu den Minuspunkten. Leider wird der Gentleman recht schnell hautnah, dort angekommen geht im dann zwar über mehrere Stunden die Puste nicht aus. Aber der Schwung der ersten Stunde ist erstmal weg… naja, irgendwas is' immer.

Auf der Habenseite bleibt ein schöner eleganter Sommerduft: gleichzeitig modern und nostalgisch in seiner feinen Strenge.
9 Antworten
Troemmer vor 7 Jahren 6 6
7
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Melancholia auf der Erbse
„Pois de Senteur“ wird mir auf deutsch mit „Platterbse“ übersetzt – tja, so schnell ist sie weg, die französischen Eleganz. Der Pflanzenname war mir erstmal kein Begriff: Die Duftende Platterbse ist eine einjährige krautige Zierpflanze, umgangssprachlich wird sie Duft-Wicke oder Gartenwicke genannt. Auf den Bildern sieht sie recht elegant aus, so ein wenig jugendstilig-verschnörkelt - und schon ist sie wieder da, die Eleganz.

Wie riecht nun aber die Platterbse von Caron? Ich tupfe einen kleinen Tropfen des waldhoniggelben Extrait auf den Handrücken und – bin schlichtweg geflasht! Hmmmm, so trocken und unsüß mag ich Blume! Bei einem so alten Duft habe ich das nicht erwartet, auch wenn dieser Caron durchaus eine Vintage-Anmutung hat. Wobei einem diese hier wohltuenderweise mal nicht mittels Aldehyd-Wolke entgegenknallt. Nein, das ganze kommt wunderbar ausgeglichen und unglaublich geschlossen daher. Es fällt mir schwer einzelne Noten auszumachen - sollten weiße Blüten und Amber mit im Spiel sein würde mich das aber nicht überraschen.

Ich denke der Zauber besteht aus zwei Komponenten, auch wenn diese wirklich perfekt miteinander verschränkt sind: eine schwebend, tänzelnde Süße und darunter so etwas wie eine „grüne“ Basis. Kein Knallegrün, eher auch so eine süßliche Note, wie von zerdrückten minikleinen Kügelchens aus einer frischen Pflanzenschote. Im Ganzen riecht das für mich ziemlich einzigartig und gibt dem Duft eine seltsam ruhige, aber durchaus angenehm matte Nuance, die auch ganz leicht menschelt – im schönsten Sinne! Im Ergebnis hat man es also eher mit einem abstrakten idealisierten Blumen-Duft zu tun, als mit einer konkreten Blütenimitation. So gar nicht stechend, die Blüten erscheinen eher aquarelliert.

Leider (also für mich) übernimmt nach einer guten Weile eine vanillemilde Süße das Kommando und hüpft von Stunde zu Stunde immer mehr ins Pudrige. Und ich meine hier wirklich Stunde um Stunde – die Haltbarkeit ist schlicht enorm! Die Sillage empfinde ich als eher gering, dennoch ist der Duft ein kleines Kraftwunder, der sich nicht hautnah zurückzieht, sondern nach und nach ganz leise für ”gute Raumatmo“ sorgt. (sorry, schräges Bild – mir fällt gerade nichts treffenderes ein).

Der Duft ist von 1927, hier habe ich es also sehr wahrscheinlich mit einer reformulierten Version zu tun. Eingestellt ist er nicht, in den Caron Boutiquen soll es ihn noch ganz regulär geben. Ich finde es ist ein im positiven Sinne altmodischer Duft, der auf mich melancholisch wirkt und diese etwas nostalgische Belle Epoque-Schönheit ganz untheatralisch erzeugt. (Paris, Boulevards, Flanieren, Gaslaternen, comme ci, comme ça – ihr wisst schon…)

Auch wenn ich mich auf dem Gebiet der Damendüfte eigentlich kaum auskenne, würde ich mich schon trauen zu sagen, dass es ein ziemlich ungewöhnlicher Duft ist. Ob er ein kleines leises Meisterwerk ist, sollten lieber Frauen mit mehr Kenntnis in Bezug auf feminine Düfte beurteilen. Er würde mir jedenfalls sehr an einer Frau gefallen – auch an jüngeren. „Pois de Senteur“ ist kein alter Omchen-Duft, er ist melancholisch, nostalgisch und pudrig, ohne auch nur im geringsten spitz und laut zu sein. Männliche Hasardeure könnten "Pois de Senteur" wahrscheinlich auch tragen – mir persönlich ist er eine Spur zu deutlich von einem Unisex-Duft entfernt. Einen vollen Tag lang habe ich aber mit großem Vergnügen nach Platterbse geduftet.

Ich bedanke mich bei Yalla für die Probe.
6 Antworten