Waffeleisen

2006
Das Telefon klingelt.
Es ist Samstagnachmittag.
Etwas genervt gehe ich ran.
"Ja hallo? "
"Hallo [Name der Redaktion bekannt], ich bins, Oma."
"Was ist los?" frage ich immer noch etwas genervt, weil ich schon ahne, was gleich kommt.
"Ich wollte nur fragen, ob du morgen vorbei kommen könntest? Opa hat es schon wieder getan."
Ich atme leicht genervt durch die Nase aus, dann antworte ich:
"Ja ok, ich komme morgen Nachmittag vorbei."
"Vielen lieben Dank! Ich mache auch Kaffee und stelle Kuchen bereit."
"Alles klar. Dann bis morgen."
"Bis morgen."

Ich drücke den roten Hörerknopf und lege das Telefon beiseite.
Kurz frage ich mich, wie oft ich das noch erklären soll, bis es nicht mehr passiert, dann gehe ich wieder an meinen Computer und bastle in Fruity Loops am nächsten (nicht) Charts - Knaller.

Sonntag:
Ich klinge an der Tür meiner Großeltern und warte auf den Einlass.
Meine Oma öffnet mir, wie eigentlich immer, mit einem Lächeln die Tür.
Ich umarme sie zur Begrüßung und gebe ihr einen Kuss auf die Wange, danach ziehe ich meine Schuhe und Jacke aus und begebe mich zum Zimmer meines Opa's.

Der sitzt in seinem Stuhl und schaut sich irgendwas im Fernseher an.
Dabei wirkt er ein wenig wie ein kleiner Junge, der weiß, dass er was angestellt hat, man ihm das aber wohl nicht wird nachweisen können.
Eine gewisse Nervosität bleibt aber. Ganz sicher ist er sich nicht.

Ich grüße ihn und gebe ihm ebenfalls einen Kuss auf die Wange (machen wir in unserer Familie halt so).
Dabei erschnüffel ich seinen Opa - Geruch.
Dieser leicht würzige, hölzerne frische Duft.
Vermutlich kommt der von dem Birkenwasser, mit dem er noch immer seine Haare pflegt,dem einzigen "Perföng" Wild River aus der DDR und seinem Hautgeruch.
"He, was machst du denn hier? " will er von mir wissen.
"Ach, Oma hat mich gestern angerufen. Irgendwas stimmt wohl wieder nicht mit eurem Computer."
"Ach wirklich? Naja, ich war seit gestern da nicht mehr dran."
"Joar, ich schau es mir mal an."

Mit diesen Worten gehe ich zum Computerzimmer, starte den alten Windows 98 Rechner, warte gefühlt ewig und dann sehe ich auch schon das "Problem":
Die Startleiste nimmt fast den halben Bildschirm ein.
Nach ein paar Klicks ist die Sache erledigt.

Ich schalte den Computer aus und begebe mich ins Wohnzimmer, um meinen Retter - Kuchen und Kaffee zu mir zu nehmen.
Nach ein paar Minuten Gequatsche mit Oma schaut auch Opa kurz vorbei und erkundigt sich nach dem Stand des Computers.
"Kann ich da jetzt wieder ran?"
"Ja ja, ich hab den Fehler schon behoben."
"Alles klar."

Und schon ist er wieder verschwunden.
"Also manchmal frage ich mich ja schon, was bei dem Mann in seinem Kopf vorgeht." fängt meine Oma an, nachdem sie sich versichert hat, dass mein Opa außer Hörreichweite ist.
"Gestern, kurz bevor ich dich angerufen habe, da hat er noch am Computer Solitär gespielt. Als er dann endlich fertig war, habe ich mich rangesetzt um selber zu spielen und dann sah es da so komisch aus mit der Leiste."
"Lass mich raten. Er hat wieder gesagt, dass er es nicht war?"
"Genau! Als wenn das einfach so passieren würde!"
"Naja, ist ja jetzt auch kein Beinbrach. Ich konnte es ja schnell lösen."
"Ja, aber er kann doch ruhig zugeben, wenn er was angestellt hat!"
"Uff" ich atme einmal tief durch. Auf einen solche Unterhaltung hatte ich eigentlich wenig Lust.
" Nee" sagt meine Oma "du musst da jetzt auch nix zu sagen Junge. Ich bin ja froh, dass du das so schnell beheben konntest. Ich mein ja nur."

Wir unterhalten uns noch gut 2 Stunden über alles, was seit letzter Woche so passiert ist.
Essen den Kuchen und trinken den Kaffee.
Zum Abschied gehe ich nochmal ins Computerzimmer, Opa tschüs sagen.
Dabei kommt mir wieder sein Opa - Duft in die Nase.
Er ist grad dabei die x-te Runde in Solitär zu spielen.

"Bis nächste Woche." sage ich und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
"Bis nächste Woche! Und Danke." antwortet er mit einem Lächeln.

Ich verabschiede mich von Oma, gebe auch ihr einen Kuss und gehe zur Tür hinaus.
"Bis nächste Woche Junge." ruft sie mir noch nach.
"Ja oder bis Opa es wieder getan hat." rufe ich zurück.
Wir müssen beide lachen.
Ich winke zum Abschied, dann gehe ich heim.

Heute:
Mein Opa hätte sehr wahrscheinlich nie Dior Homme (2020) getragen.
"Ich hab mein Perföng. Did reicht mir!"
Die Mischung aus leicht würzig, holzig und einer Prise Frische geht für meine Nase zwar in Richtung 50er Jahre Barber - Shop, aber da ist etwas in diesem Duft, das mich an ihn erinnert.

Seit 2012 hat Oma nicht mehr wegen Opa angerufen.
Und seit 2020 hat auch Oma nicht mehr angerufen.
Dior Homme (2020) gibt mir ein bischen aus der Zeit auf Knopfdruck zurück.
Danke.

7:20 Uhr.
Sonnenaufgang.
Die klare Kälte der vergangenen Oktobernacht liegt noch in der Luft.
Ich sitze auf den Baumstumpfüberresten einer einstmals stolzen Eiche, die den Garten meiner Großeltern zierte.
Leider wurde diese Eiche mit den Jahren eine immer größere Gefahr für das kleine Bungalowhäuschen, welches unter ihrer stolzen Krone stand.
Die Entscheidung stand fest.
Nach über 40 Jahren kam das Ende der Eiche.
Alle halfen mit.
Die Nachbarn, mein Onkel, Freunde der Familie und auch ich, kurz vor meinem 20sten Lebensjahr, musste mit anpacken.
Es dauerte mehrere Tage, aber am Ende lagen die Überreste der Eiche im Garten verteilt.
Jeder nahm mit, was er gebrauchen konnte.
Einer der Nachbarn baute sich aus einem besonders dickem Stück einen Holzsessel.
Naja, zumindest nach seiner Ansicht.
Bis auf den Baumstumpf war nichts mehr von der Eiche übrig.
Und da saß ich nun.
Genoss die morgentliche Sonne, die auf den Baumstumpf schien.
Die Ruhe der sich im aufwachen befindlichen Welt und den Kaffee.
Den Geruch des Holzes und der aufgewühlten Erde.

5 Jahre später kam das Ende für den Garten meiner Großeltern.
Aus gesundheitlichen Gründen konnten sie die 2 Stunden Fahrt von Berlin nach Brandenburg in die Gartenkolonie nicht mehr antreten.
Und so wurde der Garten, den meine Großeltern 50 Jahre lang hegten und pflegten und der für mich und meine Schwester seit wir denken konnten ein einziger, riesiger Abenteuerspielplatz war, verkauft.

Lange habe ich überlegt, ob ich zu Hamdani einen Kommentar schreibe, denn tragen würde ich den Duft nicht.
Dennoch ist er für mich etwas ganz besonderes, etwas sehr Intimes.
Er ist eine Erinnerungskapsel für eine längst vergangene Zeit.

Wenn ich ihn auf einen Duftstreifen sprühe, dann rieche ich wieder das Holz, die aufgewühlte Erde vermischt mit Blättern, die rauchigen Überreste vom Grill und die Steinplatten.
Es kommen all die schönen Kindheitserinnerungen (von Oma beim Erdbeeren stibitzen erwischt) hervor.

Und jetzt entschuldigt mich bitte.
Ich muss wieder in den Garten.

Es ist 1996.
Bald bin ich 15.
Ich sitze mit meiner Freudin auf einer Bank, in irgendeiner stickig warmen Berlin U - Bahn - Station.
Ihr Name war Jessica.
Wir quatschen über alles Mögliche.
Über was man halt so quatscht in einer noch sehr jungen Beziehung.
Wir kommen uns näher.
Sie legt sich in meinen Schoß.
Erzählt mir von ihren Träumen, ihren Problemen und ihrer No - Future Attitüde.
Ich lege eine Hand auf ihren Bauch und streife ihr mit der anderen durch ihr Haar.
Ihr Parfum steigt in meine Nase.
Ich kenne es nicht, aber es duftet angenehm.
Menschen gehen vorbei und sehen uns komisch an, wie wir da so auf der Bank lungern.
Uns ist das egal.
Es gibt hier und jetzt nur uns, die Bank, den Duft.
Niemand würde uns verstehen.
Ich streife ihr wieder durch das Haar.
Wieder steigt mir ihr Parfum in die Nase.
Wir sprechen über unsere gemeinsame Zukunft.
Machen Pläne.
Reden vom verreisen nach Italien, Spanien, Griechenland.
Träumen davon irgendwo frei zu leben.
Nur wir zwei.

2019
Jessica ist schon lange weg.
Geblieben sind die Erinnerungen.
Die guten und die schlechten.
Und Ihr Duft: Sculpture
Ich sprühe ihn in die Luft und sitze wieder in der stickig warmen Berliner U - Bahn - Station.
Ihr Name ist Jessica.
Es ist 1996.

Royal Oud von Creed ist einer der Düfte in meiner Sammlung, die mich immer wieder beeindrucken.
Er hat etwas sehr einzigartiges an sich. Tiefe.
Eine Tiefe, die mich jedes Mal innehalten läßt, wenn ich an der Flasche schnuppere.
Nun hat er aber auch, wie alle Creed - Düfte, auf Dauer einen großen Nachteil: Den Preis.

Und so dauerte es nicht lange, bis ich mich im Internet auf die Such nach einer Alternative machte.
Immerhin gibt es doch von fast allen Creed - Düften eine "Interpretation" durch andere Häuser.
Allein mit den Aventus - Varianten könnte man vermutlich einen kleinen Thron bauen.

Aber von Royal Oud? Nichts. Nichtmal einen schlechten Fake konnte ich finden.
Es scheint fast so, als wäre ein halbwegs authentischer Nachbau nicht möglich, ohne dabei den Preis nach oben zu treiben.

Bis jetzt.

Royalty von Alexandria Fragrances schickt sich an, diese Lücke zu schließen.

Anders als bei seinem Luxus - Bruder startet Royalty fruchtiger, eine leichte Zitrusnote.
Der Pfeffer kommt zwar auch durch, allerdings nicht so stark wie bei Royal Oud.
Die charakteristische Holznote kann man bereits leicht wahrnehmen.

Nach zirka einer halben Stunde weicht die Fruchtnote zurück und die Holzkompsition triff stärker hervor und dominiert nun auch bis zum Abklang.
Dies ist dann auch der Zeitpunkt, wo es für meine Nase schweriger wird, wirklich gravierende Unterschiede zu erkennen.

Etwas fällt ihr aber doch auf: fehlende Tiefe.
Tiefe, die Royal Oud zu diesem Zeitpunkt zeigen würde.
Tiefe, die Royal Oud für mich so besonders macht.
Tiefe, die ich bei Royalty leider vermisse.

In Hinblick auf die Dauer nehmen sich beide nicht viel. Auch bei Royalty ist der Spaß leider schon nach wenigen Stunden (4 - 5) vorbei.
Auch die Projektion nimmt nach ca. 1 Stunde ab und wird hautnah.

Royalty trifft die Duftkomposition von Royal Oud zu 95 Prozent, schwächelt aber beim Tiefgang.
Kein König, aber ein Herzog.

Ein Duftzwilling zu meinem Signiturduft? Und das grade mal zu rund 1/3 des Preises? Kann das überhaupt sein?

Die kurze Antwort: jain

Als erstes möchte ich an dieser Stelle einen großen Dank an Flickchen aussprechen, die mir von Arabian Horse eine Probe hat zukommen lassen :)

Hier sitze ich nun also, bereit den Hengst aus dem Hause Parfums de Marly gegen den arabischen Herausforderer antreten zu lassen.

Selbstbewusst sprühe ich mir Herod auf den rechten Arm. So gleich bildet sich um mich herum diese wundervolle süß-würzige Note. Zum verlieben!

Etwas nervös greife ich zur Probe von AH und sprühe sie mir auf den linken Arm.
Anders als bei Herod kommt mir hier allerdings erstmal nichts entgegen.
Als ich mich meinem linken Arm nähere, zeigt sich eine interessant Süße. Keine Zuckerfaust, eher ein Zuckerstreichler.
Eine sanfte Vanillenote, umhüllt von etwas, was ich nicht genau bestimmen kann, aber interessant ist.

Ich schnuppere wieder am rechten Arm und Herod zeigt mir alles. Seine Süße, seine Würze und seine erdige Note. Alles in einem wundervollen Tanz der Düfte. Oh ja, ich liebe dich!

Auf meinem linken Arm beginnt AH seinen Galopp. Die anfängliche Süße ist etwas schwächer geworden und gibt der Vanille mehr Raum. Dabei duftet sie nicht wie „typische“ Vanillie, eher weicher, sanfter. Ich kann es leider schwer beschreiben. Wie eine Mischung aus einem abgeschwächten Vanille-Autoerfrischer und einem Kuchen.
Zu ihr und der Süße kommt noch eine leicht erdige Note hinzu.
Alles wirkt leichter, schwebender, zurückhaltender.

Die Haltbarkeit ist gut. Ich habe AH gute drei Stunden auf dem Arm und kann ihn noch immer gut wahrnehmen.
Allerdings muss ich dafür doch etwas näher rangehen. Die Sillage kommt mir schwächer vor, als bei Herod.

Ist AH nun ein Zwilling von Herod?
In meinen Augen nicht. Es ist sanfter als Herod, bietet weniger Würze und tanzt nicht ganz so gut.
Dennoch ist es in meinen Augen ein sehr guter Duft, der auf jeden Fall in meine Sammlung kommt.

Auch ein sanfter Ritt weiß zu begeistern.

/Nachtrag

Nach nun ca. 5 Stunden sanften Ritt's auf meinem linken Arm, tritt die Würze etwas stärker hervor, ohne dabei die Vanille zu stören. Der Duft wird etwas männlicher, bleibt aber dennoch sanft und wirklich schön.

Augen schließen, einatmen, genießen.