Windspiel

Windspiel

Rezensionen
Windspiel vor 6 Jahren 23 6
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Verzweiflung, Trost und Sinnlichkeit
Lubin Paris, gegründet 1798, ist eines der traditionsreichsten Häuser in der Welt der Düfte und trotz seiner ruhmreichen Geschichte beinahe gänzlich unbekannt und deshalb wohl einem langsamen Untergang geweiht. Die Parfums aus dem Hause Lubin waren anno 1830 die ersten, die von Paris in die Vereinigten Staaten verschifft wurden. Der Name stand für Eleganz, Klasse und Stil, wird aber heute kaum mehr vermarktet und fristet bloss noch ein Nischendasein.

Völlig zu unrecht, denn die wenigen Lubin-Düfte, die heute angeboten werden, sind immer noch Perlen des Parfumhandwerks. Akkad zum Beispiel ist eine schnörkellose, kuschelige Amber-Kreation, Upper Ten projeziert eine souveräne, unaufgeregte, cremige Würzigkeit. Mein Star ist jedoch mit grossem Abstand Idole, das nun seit knapp einem Jahr in meinem Besitz ist und mich dermassen betört, dass ich bisher nie die richtigen Worte gefunden habe, meine Empfindungen zu diesem Duft auszudrücken, weil er meine Gefühle jedes Mal auf eine Achterbahn schickt.

Ich trage den Duft für mich alleine. Ein Sprühstoss auf meinen linken Arm, reichlich, damit ich den Drydown stundenlang geniessen kann. Es ist ein Duft, den ich umarmen möchte, der meine intimsten Gefühle auf eine subtile Weise befriedigt, mich tröstet und mich gleichzeitig auf ein Abenteuer einlädt. Bloss zu sagen, er mache mich glücklich, wird der Komplexität, die er bei mir auslöst, nicht gerecht. In meiner Gedankenwelt manifestiert sich in Idole eine charismatische, schier unendlich starke Frau, mit einer äusserlichen Schönheit, die in ihrer Unvollkommenheit perfekt ist. Ihre dunklen Augen sind tief wie die Ozeane und nur die Mutigsten können den Blickkontakt mit ihr halten, ohne dabei zu verzweifeln. Eine Frau, die nicht viele Worte braucht, die an den intensiven, teils traumatischen Erfahrungen, die sie in ihrem Leben machen musste, nicht zerbrochen, sondern daran gewachsen ist – und sie wuchs hoch und wächst noch immer. Sie steht über den Dingen und möchte nicht erobert werden, weil sie das schlicht nicht nötig hat. Sie mag lange Spaziergänge an den schönsten Orten der Welt, man wird sich jedoch davor hüten, sie an die Hand zu nehmen. Sie alleine weist den Weg. Affären sind ihr zuwider, für Banalitäten hat sie keine Zeit, und selbst der mutige Eroberer, der es wagt sie in die Nacht entführen zu wollen, wird an ihrer Stärke zerbrechen und sich demütig verabschieden. Sie ist, genau, ein Idol unserer Zeit, eine Märtyrerin, eine Muse. Begehrenswert und unerreichbar.

Zurück zum Parfum: Der Auftakt startet würzig, beinahe medizinisch mit einer starken Rum-Note. Der Duft kündigt sich laut an, und beschwipst so stark, dass Einige sich wohl bereits mit Kopfschmerzen verabschieden. Wascht es nicht ab, sondern lasst euch vom weiteren Verlauf verführen. Ich rieche das edeleste Gewürz, der Safran, und eine leichte Ledernote gesellt sich in die Runde. Die Orange, bitter und keinesfalls süss, begleitet den Duft in dessen gesamten Verlauf. Der Weihrauch schreit nun ebenfalls nach Aufmerksamkeit und nach einer Weile, endlich, klopft der sanftmütige Amber an die Tür, der nun die Führung übernehmen möchte. Nach einer Stunde sitzen die Komponenten in vollkommener Harmonie an einem Tisch, der aus erlesenen Hölzern geschreinert wurde. Der starke Rum weicht nun einem edlen Tropfen, die Gewürze füllen den Raum mit sinnlichen Aromen, die Bitterorange erstrahlt in ihrer schönsten Farbe und das Leder tritt allmählich den Rückzug an. Was bleibt ist eine Symbiose aus Holz, Orange, Rum und lieblichem Amber.

Es ist das einzige Damenparfum in meiner Sammlung, das ich selber trage und ich trage es nur selten. Es hat es nicht verdient, alltägliches zu erleben. Dieser Duft gehört weder ins Büro, noch in die trendigen Clubs der Stadt. Er soll genau die Menschen betören, die tiefgründig und erwachsen sind. Solche, die Ästhetik zu schätzen wissen, die sich stilvoll kleiden und Leidenschaft nicht mit schnellem Sex gleichsetzen.

Idole ist mein Lieblingsduft und wird es wohl auch immer bleiben.
6 Antworten
Windspiel vor 6 Jahren 3
8
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
8.5
Duft
Morbides Blumenbeet
Als Liebhaber orientalischer Düfte habe ich mir einige Parfumöle von Nabeel bestellt. Mit rund 15 Euro pro 20ml würde auch ein Fehlkauf nicht sonderlich schmerzen, ausserdem sind die Flakons kleine Kunstwerke aus Tausend und Einer Nacht.

Der Duft von Al Hajes löste bei mir kontroverse Gefühle aus. Da ist einerseits eine stark blumige, erdige Note, die gleichzeitig dunkel und moderig wirkt. Der dunkle Geist, der rücksichtslos durch das Blumenbeet stampft, ist der Weihrauch. Dementsprechend wird das Parfum wohl auch in den Nasen der (europäischen) Mitmenschen auf gemischte Reaktionen stossen. Diese werden dann wohl von "mystisch", "faszinierend", "sinnlich" bis hin zu "morbid", "abstossend", "over the top" reichen. Mit diesem Parfum sitzt man jedenfalls nie in der zweiten Reihe. Trägt man ein bisschen zu viel auf, dann wird man in jedem Raum unweigerlich wahrgenommen. Das liegt auch an der starken Sillage und natürlich daran, dass man sich in unseren Gefilden solche Düfte nicht gewohnt ist und die Geruchssensoren den unbekannten Geruch neugierig herausfiltern werden.

Wer sollte den Duft probieren? Menschen, die sich nicht verstecken wollen und solche, die schwere, opulente Düfte in der Kategorie von YSL Opium lieben.

Die Haltbarkeit ist wie von einem Parfumöl erwartet sehr hoch. Ebenso die Sillage. Meinen Geschmack hat der Duft getroffen. Er wirkt auf mich geheimnisvoll und tanzt mit grossen Schritten aus der Mainstream-Reihe. Unisex-Faktor halte ich für hoch.
0 Antworten
Windspiel vor 6 Jahren 13 3
6
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
Perfekter Sommerduft
Hallo Parfumos

Ich lese schon lange mit und heute gebe ich auch einmal eine Bewertung ab. Obwohl ich eigentlich nicht schon wieder meine Kollektion erweitern wollte, so haben mich die steigenden Temperaturen doch wieder in die Parfümerie meines Vertrauens gelockt. Ein Sommerduft soll es diesmal sein. Zitrisch, frisch, langanhaltend, möglichst natürlich. Diese Vorgaben sind schwer zu erfüllen, denn erstens neigen die meisten zitrischen Düfte dazu, schnell in eine billige Herznote zu zerfallen und zweitens haben sie oft eine höchst bescheidene Haltbarkeit. Bei mir kommt noch dazu, dass meine Signature-Düfte eher würzig und orientalisch sind (im Moment präferiere ich Idole von Lubin).

Genug der Vorgeschichte. Der Verkäufer hörte sich meine Vorgaben an und griff zielstrebig zu Yesterday von Room 1015. Zuerst auf den Streifen gesprüht und ja, das Genre wurde nicht neu erfunden. Aber die Kopfnote erfüllte auf den Punkt meine Vorstellung, mit der ich die Parfümerie aufgesucht hatte. Bloss tun das die meisten anderen zitrischen Düfte auch, bis sie dann leider schnell unangenehm werden. Also wird die Haut besprüht und der Laden verlassen.

Yesterday hat zu Beginn eine mächtige Sillage. Hätte man in dem Moment nach mir gefahndet, dann hätte man den Peilsender ausschalten und bloss den Riecher einsetzen können. Der Duft zauberte mir in Kombination mit dem sonnigen Wetter ein entspanntes Lächeln ins Gesicht. Ständig musste ich meine Nase an die besprühte Stelle halten und wieder einen tiefen Riecher nehmen. Das Aroma ist beinahe pur zitrisch. Ich meinte sogar, es klopfe noch ein bisschen Lavendel an, obwohl diese Zutat nicht verwendet wurde. Harmonisch ist der Duft auf alle Fälle mit der Tendenz, euphorisierend zu wirken, je nach Wetter und Laune.

Das Beste: Auch nach einer Stunde hielt die Kopfnote. Der Duft blieb mehr oder weniger konstant auf einem Level und verwandelte sich nicht, wie so viele andere zitrische Düfte, nach kurzer Zeit in eine chemisch riechende Stinkbombe die eher nach Klo-Stein als nach Parfum riechen. Einige Vertreter dieses Genres schaffen es nicht einmal in die Herznote, sondern gehen auch so schnell wieder, wie sie gekommen sind. In diesem Fall gibt es eine zitrische Note in Kopf, Herz und Basis. Durch und durch! Auch nach 6 Stunden blieb dieser angenehme Nasenschmeichler auf der Haut deutlich wahrnehmbar. Nach 8 Stunden baute er dann merklich ab. In diesem Genre ist die Performance wahnsinnig gut.

Das Parfum wurde der Kollektion hinzugefügt und wird in diesem Sommer regelmässig aufgesprüht. Ich mag es unheimlich gut, auch wenn das Rad nicht neu erfunden wurde. Wer auf der Suche nach einem tollen, sommerlichen Nischen-Parfum ist, das eine überdurchschnittliche Perfomance und eine tolle Natürlichkeit hat, der soll dieses Parfum unbedingt probieren. Unisex-Faktor: Hoch.
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