YoungTallula

YoungTallula

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1 - 5 von 12
YoungTallula vor 9 Monaten 6 2
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Erwachsener Immergeher
Die Art, wie dieser Duft und ich zusammengefunden haben, ist schon ein bisschen famos. Dabei heißt „Evernia“ doch Eichenmoos ... na ja, wie dem auch sei.

Es war in einer kleinen aber feinen Parfümerie in Berlin genau vor einem Jahr, wo ich eigentlich die Seidenstraßen-Kollektion von Ormonde Jayne auskundschaften wollte. Der etwas ulkige, aber sehr nette Verkäufer zeigte mir alles, ließ es sich aber auch nicht nehmen mir direkt was zu empfehlen. So nach dem Motto: „Wenn ich dich so ansehe, könnte doch vielleicht der zu dir passen!“ Er griff zielsicher zu Evernia. Ich war nicht überzeugt. Zu maskulin, zu viel Kardamom, irgendwas erinnerte mich da an die 90er. Ich suchte was anderes.

Ich vertiefte mich dann in den folgenden Monaten erst mal in meine Erkundungen in alle möglichen Richtungen: cremig-vanillig, orientalisch-würzig, schwer und schwülstig, also alles, was mir früher nie gefallen hatte. Fiebrig schnüffelte ich mich durch neue Welten und fand auch so einige neue Lieblinge. (Und ich meinte auch immer wieder Duftnoten herauszufiltern, die ich gar nicht mochte, z.B. Guajakholz, oder auch: Kardamom und Eichenmoos.)

Doch vor einigen Wochen schlich es sich plötzlich unerklärlich an, so eine unbestimmte Sehnsucht … vielleicht nach einem bestimmten Parfüm, vielleicht nach einer bestimmten Note. Ich weiß nicht, wie es kam, aber ich bekam plötzlich eine Art Kardamom-Jeeper. Evernia schlich sich wieder in meine Gedanken, wie die hellgrüne Flechte des Eichenmooses, die sich langsam an der Baumrinde entfaltet. Da ich die großzügige Kulanz des netten Verkäufers in der kleinen Parfümerie nicht noch weiter strapazieren wollte (er hatte mir damals mehrere Pröbchen kostenlos mitgegeben), bestellte ich eine Abfüllung bei Essenza Nobile. Und Bääämm! Jetzt war ich infiziert. Großartiger Duft! Würzig, süß, frisch, besonders, ja unisex, aber auf einmal störte mich das gar nicht mehr.

Ich nehme aber vor allem auch den Kardamom wahr, muss ich sagen. Das, was ich in anderen Parfüms als Eichenmoos ausgemacht zu haben glaubte, rieche ich im Evernia gar nicht. Sonst war es mir immer leicht muffig oder wie ein billiges Duschgel oder Shampoo vorgekommen. Auch die sonstigen Noten sind eigentlich nicht so ganz meine Richtung … Irisbutter, Veilchen … aber so ist es ja oft. Eigentlich sagen die einzelnen Noten gar nichts aus, die Gesamtkomposition zählt.

Ich denke immer noch, dass Evernia ein bisschen wie die 90er Jahre riecht, aber „in the best possible way“, wie man so schön sagt. Ich mit meiner trockenen Haut muss ordentlich sprühen, aber dann bleibt mir die würzig-süß-frische Wolke mindestens 6 Stunden erhalten. Er ist cool, er ist erwachsen, er wirkt selbstbewusst und doch nahbar, immer zwischen herb-würzig und süßlich frisch changierend. Ich denke, dass er jahreszeitlich ein Immergeher sein könnte (habe ihn aber an kalten Tagen noch nicht getestet). Er macht sich sicherlich auch gut als Signature Scent und Männern steht er bestimmt mindestens genauso gut wie Frauen und allen dazwischen. Und er erscheint mir auch recht alterslos. Vielleicht jetzt nichts für Teenies, aber ansonsten passt diese dezente frische Würzigkeit überall hin.

Der Verkäufer lachte, als ich fast exakt ein Jahr später in seinen kleinen Laden trat und nach dem Evernia verlangte. Wie das halt manchmal so ist. Ich glaub, er war auch ein bisschen stolz so treffsicher empfohlen zu haben. Bevor ich hinausging rief er: „Warte, ich will dich noch mit dem Evernia einsprühen!“ Und so ließ ich mich bereitwillig einnebeln und ging grandios beduftet in den Nachmittag.
2 Antworten
YoungTallula vor 10 Monaten 13 3
10
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Zum Träumen
Was bist du nur für ein schönes Werk? Ein Gesamtkunstwerk. Schon immer liebte ich deinen Namen und deinen Flakon. Traumhaft schön! Der Duft selbst hat sich ausgiebig Zeit genommen, mich zu betören. Er war mein allererster Soukdeal hier auf Parfumo letztes Jahr und ich war noch ganz neugierig und bezaubert von all den neuen Welten, die sich mir auftaten. Und er faszinierte mich gleich. Ich dachte sofort an ein 50er oder 60er-Jahre-Kino, natürlich wunderbar restauriert, aber mit altem stilvollen Flair, roten Samtsitzen, einer Bar mit glanzvoll mondänen Leuchten und Barhockern und buttergelbem Popcorn. Ein Traum von einem Kino. Und ist das Kino nicht dazu da, uns zum träumen zu bringen? Anscheinend auch das Parfüm.
"Perfume makes us dream", hatte Roja Dove in seinem Vortrag gesagt, den ich neulich auf YouTube angeschaut habe. Und Cinema macht das auf eine vorzügliche Art.
Wie gesagt zu Beginn verstand ich ihn nicht vollständig und trug ihn auch nie. Doch nun, fast ein Jahr später, als ich die Abfüllung wieder hervorkramte, hat er mich gekriegt. Keiner ist wie er! Diese leicht fruchtig florale luftige Vanille, einfach fantastisch! Wie ein Hauch von Popcorn, ein Hauch der alten roten Samtsitze, ein Hauch der blinkenden Lichter. Durchaus unisex. Er hält leider nicht ewig und projiziert jetzt auch nicht wie ein Biest. Aber er bleibt in meiner Nase durchaus länger wahrnehmbar. Leider ist er ja im Handel nicht mehr erhältlich - wieso stellt man so einen Duft ein?? - aber wozu gibt es diese Community? Ich gönne mir und genieße also die schwindenden Reste dieses Parfümtraums und gehe damit vielleicht hin und wieder in ein schönes altes Lichtspielhaus.
3 Antworten
YoungTallula vor 10 Monaten 4 2
10
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Ein Duft wie ein leises Lächeln
Anamcara ist einfach nur so wahnsinnig fein! Wie ein blassgelber, ovaler, glatt geschliffener Edelstein. Lichtdurchlässig, freundlich, dezent fruchtig und doch tief mit einem Hauch von zarter herber Note, vielleicht eine Idee Bitterkeit, die jedoch niemals greifbar hervortritt. Sie schwingt nur subtil mit, speziell im Auftakt.

Die vielen Noten scheinen kunstvoll verwoben und es ist ein Duftcharakter, den man nicht an jeder Ecke riecht. Mit diesem Duft riecht man niemals aufdringlich, er bleibt zurückhaltend, aber ist trotzdem wahrnehmbar und einer meiner meist komplimentiertesten Düfte.

Ein freundlicher heller Frühling- und Sommerduft, alterslos und vielseitig. Eher feminin, aber weder typisch "Girl" noch "Madame". Wie ein heiterer Sonnengeist, der ein paar Blüten und Orangen im Gepäck hat. Nicht zu gefällig brav, schon mit eigener Tiefe und Komplexität. Der Name bedeutet "Seelenfreund" und ich finde, das passt sehr gut.
Wenn man ihn gut und an die richtigen Stellen sprüht (bei mir ist hinterm Ohr besonders effektiv), ist er gut haltbar und wird wahrgenommen.
2 Antworten
YoungTallula vor 11 Monaten 6 3
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Frühe Sommerliebe mit Hindernissen
Libre Intense und ich, das ist irgendwie eine lange Annäherung mit Ambivalenzen und Überraschungen. Ich lernte ihn in einer gängigen Duftabteilung kennen, es war ganz am Anfang meiner plötzlich erblühten Parfümleidenschaft und ich weiß gar nicht mehr, wieso ich ihn anroch. War ich damals schon geinfluenced, oder war es quasi zufälliges Interesse? Es war jedenfalls ein heißer Augusttag und ich nahm das eingesprühte Papierstreifchen mit nachhause. Am nächsten Tag wunderte ich mich, was in meinem Zimmer so betörend roch. Irgendwas zog mich an. Und es war das immens ausstrahlende Streifchen mit Libre Intense in meinem Regal.
Ich hätte nie vermutet, dass mir ein solcher Duft je gefallen könnte (wie gesagt, ich stand am Anfang). Vanille, leicht würzig, orientalisch, cremig, Lavendel. Das war doch noch nie meine Richtung gewesen?! Ich kaufte ihn aber nicht sofort. Zwischendurch befürchtete ich, er könne aus dem Sortiment genommen werden, weil er plötzlich nach einer Sale-Phase nirgendwo mehr zu finden war. Deshalb musste ich schnell den Golden Decade von Zara testen, ob der vielleicht eine gute Alternative sein könnte. Aber auch den kaufte ich nicht. Zu viele andere interessante Düfte strömten damals auf mein Hirn ein und der Libre bzw. diese Duftrichtung geriet in den Hintergrund. 3 Monate später gönnte ich ihn mir dann endlich zum Geburtstag. Es war Winter. Und ich dachte: der ist so intensiv, der ist sowieso eher ein Winterduft.
Ich freute mich, ich trug ihn. Doch irgendwas irritierte mich plötzlich auch. Irgendwas machte mich so leicht melancholisch, ich konnte es nicht ganz greifen. Manchmal ergriff mich auch eine seltsame Unruhe und erst im Drydown konnte ich ihn vollends genießen. Irgendwas stimmte nicht so ganz zwischen uns. Irgendwie wurden wir nicht so recht warm miteinander. War ja auch kalt. Ich ging zu weniger Sprühern über, trug ihn teilweise nur mal Abends auf der Hand. Denn irgendwas zog mich immer wieder und immer noch an, ich wollte ihn nicht aufgeben, aber irgendwas war mir dann anscheinend immer zu viel. Ich war ratlos.
Nun ist wieder Sommer und es sind um die 30 Grad. Aus irgendwelchen Gründen war mir neulich wieder nach ihm und aus war es mit dem vorsichtigen Sprühen. Was mir im Winter zu viel war, davon konnte ich plötzlich kaum genug kriegen. Merkwürdig! Vielleicht ist es etwas, was sich erst in der Wärme weicher und runder auflöst, irgendeine Note, die bei zu kühlen Temperaturen bei mir für Irritationen sorgt.
Jetzt liebe ich ihn also wieder uneingeschränkt und sprühe ihn frisch und frei auf. Auch wenn ich es fast etwas unlogisch finde: ein Duft, der mir im Winter zu intensiv ist, den ich aber im Sommer normal bis übermäßig sprühen kann (kennt das hier noch jemand?).

Der Libre Intense ist ein toller Duft! Intensiv, langanhaltend, cremig, vanillig, aber nicht bappig oder süß, eher eine frische, krautige Vanille. Irgendwie sommerlich und herrlich weich abgestimmt. Bestimmt könnte man allgemein sagen: sprüht ihn eher vorsichtig, er ist eher was für den Abend oder die kühlen Tage, aber ich liebe ihn vor allem im Sommer!
3 Antworten
YoungTallula vor 1 Jahr 10
10
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
8.5
Duft
Die geheimnisvolle Dame an der Bar
La Belle Le Parfum ist einfach großartig! Süß und präsent, aber doch irgendwie mysteriös, so dass ich nie genug davon bekomme. Die Birne ist wirklich sehr süß, fast ein bisschen eingelegt sirupartig, aber interessanterweise wirkt es auf meine Nase überhaupt nicht klebrig oder billig oder stillos. Auch nicht erschlagend. Eher wie ein dichter feingewebter Schleier aus einer verführerischen Süße, die auch immer noch was Fernes fast Frisches in sich trägt. La Belle Le Parfum verführt nie aus Bedürftigkeit, sondern aus selbstbewusster Lust.

Ich sehe eine Frau in einem engen kurzen dunkelroten Samtkleid, quasi der zum Leben erweckte Flakon (... dieser Flakon!!), an einer schummerigen Bar sitzen. Roter Lippenstift, dressed to kill, aber nicht leicht zu haben. La Belle Le Parfum ist kein Understatement, vielleicht riecht man damit auch nicht besonders reich oder sophisticated. Er geht in die Vollen, er ist nicht leise, aber er bleibt dabei dunkel und geheimnisvoll.

Haltbarkeit und Sillage sind unschlagbar, man sollte ihn vermutlich vorsichtig dosieren. Und er ist sicherlich eher was Abends und für die kalten Tage. (Der Original La Belle ist ein wenig frisch-fruchtiger und wahrscheinlich das Frühling-Sommer-Equivalent.)

Für mich hat diese unergründliche Süße auch etwas sehr tröstliches, gerade an grauen kalten Wintertagen. Als würde man eine Portion heiße Himbeeren mit Vanillesoße bei sich tragen. Aber diese Dessert-Assoziation bleibt (zum Glück für mich, die ich keine große Gourmand-Liebhaberin bin) eher im Hintergrund und der Duft bleibt komplex und unbestimmt genug, dass ich ihn endlos tragen und genießen kann.
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