gamma

Eins vorweg: Ich mag es, dieses Vetivendel des Dottore aus Florenz.
Aber es ist auch der sonderbarste meiner Vetiverdüfte.
Zuerst lavendelt es heftig und Moos spriesst im Zederholz. Alsdann öffnet sich der Duft und das Vetiver bekommt seinen Raum. Eine interessante Kombination: Dieser süßliche Lavendel und das Vetiverylacetat.
Vetiver di Giava ist kein erdig, modriges Vetiver. Es ist ein runder, kräuterig-würziger Duft. Thymian kann ich nicht erkennen, auch Waldduftcharakter finde ich nicht. Es ist ein eigentümlich altmodisch wirkender Duft, was ich auf den Lavendel zurückführe. Das erinnert mich etwas an englische Männerdüfte, wie vielleicht die Lavendelwässerchen von Caldey.
Für mich ist dieser Duft eher mit Britannien verbunden als mit dem fernen Java. Was mag der Dottore da im Sinn gehabt haben?

Das Faszinierendste der ganzen Duftmischerei (oder manchmal auch Parfumeurskunst) ist für mich die Kraft der Suggestion. Ihr verdanken wir die Tatsache, daß es gelingt ganze Bildpanoramen in eine Flasche zu bannen. Manchmal gelingt es auch nicht oder der Geist kommt nicht bei jeder Nase aus der Flasche. Das ist aber nicht der Rede wert.
Salina von Laboratorio Olfattivo ist es wert bemerkt zu werden. Ein Salzduft, sicherlich. Ein Meeresduft, noch einer?
Mich interessieren Meeresdüfte. Mich interessiert das Meer. Mich interessieren die Hoffnungen und Träume, die Menschen mit dem Meer verbinden. Das Meer ist vielleicht DIE Projektionsfläche für Träume, Ängste und Hoffnungen. Und damit zurück zur Kraft der Suggestion.
Salina suggeriert Salziges. Unbestritten. Salina suggeriert mir aber weniger Meer, vielmehr Meeresnähe. Mit Salina bleibe ich an Land, während z.B. Heeleys Sel Marin mich mit auf die offene See nimmt. Salina, und damit widerspreche ich meinem Vorschreiber, suggeriert nicht die Nordsee. Salina malt das Bild eines lieblichen Meeres, eines warmen Tages und einer See, die nicht sturmgepeischt aufkocht. Hier hatte der Parfumeur eher eine mediterrane Küste im Sinn, vielleicht auch anderswo auf dem Globus, jedenfall südlich des 51. Breitengrades nördlicher Breite.
Für einen Meeresduft zeigt Salina eine erstaunliche Ausdauer. Das liegt wahrscheinlich am Moschus und der durchaus präsenten Vanille, die die restliche Meeresbrise über die Zeit tragen. Wie alle Düfte von LO ist Salina sehr intelligent komponiert. Es besitzt Raffinesse und einen allgemeinen Wohlklang. Wer Provokation oder Dissonanz sucht, wird hier nicht fündig! Eigentlich bei keinem Duft dieser hübschen kleinen Marke.

Die gleichnamige, wunderbare Textcollage von Peter Wawerzinek fiel mir ein, als ich den Vorsatz reifen sah, zu Heeleys Sel Marin einen kleinen Kommentar abzugeben.
Und eigentlich ist damit alles umrissen und jeder Kommentar zum Parfum muss in die Klemme geraten, sollte er denn vorgehabt haben, viele Worte zu machen.
Sel Marin dreht keine Pirouetten, um zum Duftthema zu gelangen. Es schwatzt nicht, es kommt klar und wunderbar leicht zum Thema. Und das ist das Meer.
Es überlässt dem Hauttyp die Richtung, welche Meeresregion assoziiert werden kann. Bei mir ist es eher der Atlantik, nördlich der Linie Brest - Cornwall. Ok., vielleicht auch Quimper - Land´s End, so pingelig mag ich nicht sein.
Sel Marin eröffnet ohne den oft für unabdingbar gehaltenen Zitrusakkord. Eher ein Kräuterduft im Anbeginn, später entwickeln sich die Zutaten zu einem einfachen und klarem Meeresduft. Eher ein mineralischer Duft, es gibt keine nennenswerten organischen Noten. Wahrscheinlich um eben jeden Quallen- oder Fischduft zu vermeiden. Das ist gelungen und ich kann die Fisch und Algennoten, die hier feine Nasen erspürten, nicht erkennen.

...möchte ich ausrufen, nach einem Schnuppersprüher aus der Patchouly Rosso Flasche!
Diesen Duft vergisst man nicht.
Patchouli kann so scheußlich riechen - oder aber so wunderbar duften! Patchouly Rosso duftet nicht wie die gängigen Patchoulibomben. Was ist das Besondere?
Für mich in erster Linie dieser Geruch nach trockenem Laub von Johannisbeersträuchern. Das ist für mich das Herbstliche an diesem Duft. Ein herber, rauchiger Patchouliduft, der sich wärmend um einen legt.
Dieser Duft sei auch Männern wärmstens empfohlen!

Alte Dünung nennt man die Wellen, die sich nach einem Sturm noch am Land brechen. Es hat allerhand angespült, das Wetter ist wieder klar. Alles ist mit Seetang bedeckt und die Wärme der Sonne verdampft dessen Aromen.
So in etwa würde ich Tirrenicos Duft mit dem Meeresbild verknüpfen.
Die Dominanz des Fenchels ließ mich zuerst zögern, vielleicht doch eher der Duft eines Gemüsemarktes? Sobald der Fenchel aber nachläßt, verbleibt eine sehr angenehme Meeresassoziation, deren Bestandteile sehr ausgewogen miteinander verwoben sind. Es ist nicht einfach die einzelnen Komponenten klar zu unterscheiden.
Wer so wie ich diese Duftrichtung mag und Freude an Heeleys Sel Marin hat, der sollte Tirrenico ausprobieren.
Ein eigenwilliger Vertreter seiner Art, kein Schmeichler und ganz gewiß kein Mr. Nice Guy!