Meggi
Top Rezension
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Rathaus von außen
Dass ich weder Hamburger noch Nicht-Hamburger bin, hatte ich bereits erwähnt. Eins ist nun wieder eher typisch für einen Einheimischen: Das Hamburger Rathaus, auf das sich der Duft beruft, kenne ich nur von außen, obwohl ich seit zwanzig Jahren hier zugange bin.
Dessen ungeachtet darf das Thema zweifellos – allemal partiell – als getroffen gelten. Ein Eindruck altehrwürdigen Muffs lässt sich nämlich nachvollziehen. Knarzig-holzig, museal, firnishaft… Ich bin sicher, dass das Rathaus der Hansestadt derlei Gerüche kennt. Doch im Duft ist immer was dezent Frisches mindestens mit im Spiel, ein leichtes Lüftchen, wie es ja für Hamburg untere Grenze der Luft-Bewegung ist. Das ist ganz gut gelungen.
Aber ich sollte vorne beginnen: Der Duft startet mit der mineralischen Note aus Terre d'Hermès. Ich würde lediglich mal meinen, dass das Gestein heute weniger deutlich zitrisch flankiert ist. Der vorliegende Kandidat ist herber, bitterer, denn rasch dringt das Erdige des Patchouli durch, zumindest vorläufig. Gefällt.
Die Zitrusnote mag heute mithin aus der Ecke Rosenholz-Linalool stammen statt aus richtiger Zitrusfrucht; Orange muss ich jedenfalls mehr raten, als sie wirklich zu riechen.
Naja, und das Dunkle, Erdige schafft eben, ein wenig Einbildungskraft sei zugestanden, eine Anmutung besagten Muffs. Mit allem Vorbehalt. Wer weiß besser als wir, was solche Ansagen vermögen. Ein paar Geh-Minuten vom Rathaus entfernt befindet sich meine Lieblings-Parfümerie, das kleine, feine Geschäft von Harald Lubner. Eine der Verkäuferinnen dort bestätigte auch aus professioneller Erfahrung: Wenn du den Leuten sagst, es rieche nach Kaffee, riechen sie Kaffee. Um Missverständnissen vorzubeugen: ‚Classic‘ riecht nicht nach Kaffee. Passen würd’s ja – Politiker und Verwaltung im Rathaus, in endlosen nächtlichen Überstunden um das Wohl des Bürgers ringend…
Apropos Einbildung: Das versprochene Leder muss ich mir wirklich denken. Vielleicht verlässt es am Nachmittag die Sphäre des Phantastischen, nachdem ich lange genug darüber gegrübelt habe. Dann scheint mir sogar ein Hauch von Cumin-Schwitzigkeit beteiligt. Verblüffend.
Insgesamt ist der Duft sehr stabil und verlässt das einmal Erreichte kaum. Dass er dicht am Ellena ist, sei ihm nachgesehen. Düfte unter solcher Überschrift müssen schließlich Bewährtes bieten.
Es kommt allerdings darauf an, wovon ich abkupfere. Neulich hatte ich zum Thema „Stadt-Duft“ ‚Aqua Wissemara‘ (Wismar) unter der Nase, das roch wie eine billige Drogerie-Brühe und ist deutlich teurer (85 Euro je 30ml!) als die Acqua-di-Hamburgs.
Also: Daumen hoch. Und vielen Dank an Gerdi für die Probe.