10.03.2025 - 13:56 Uhr

DasguteLeben
136 Rezensionen

DasguteLeben
Sehr hilfreiche Rezension
11
Der Reiz des Alten
Eau de Cologne ist nicht totzukriegen - egal wohin die parfümistische Trendkarawane ziehen mag. Was mit den ersten europäischen Destillationsversuchen im Mittelalter und Eau d'Hongrie (Rosmarinwasser) begann, vom namensgebenden Johann Maria Farina zu Köln im Rokoko zu erster ästhetischer Blüte geführt wurde und von Guerlain und vielen anderen in zahllosen Iterationen perfektioniert wurde, ist immer noch und immer wieder da. Seit dem großen Statusverlust Ende des 19. Jahrhunderts, als mit der Belle Époque das goldene Zeitalter der modernen haute parfumerie begann, hat es als Tantchen's Reisewasser überlebt, als türkisches Kolonya beim Barbier und für schwitzende Busfahrer, als wichtige Ingredienz in Reinigungsritualen des dominikanischen Santeriakultes und bei Amazonas-Schamanen (Murray & Lanman's Florida Water), immer auch als Zuflucht für sensiblere Nasen und seit einigen Jahren auch wieder als Prestigeprodukt (2007 erschien Chanels Eau de Cologne in der Exclusifs Reihe). Das Bedürnis nach natürlicher olfaktorischer Frische und dem Ruf des Südens ist auch in den Hochzeiten des Florientals, brünstiger Animalik oder der Gegenwart synthetischer Fruchtbomben und Ethylmaltolschwemmen nie ganz versiegt. Daher also gibt es Samphire (nun auch schon 12 Jahre) - irgendwo an den Außengrenzen des Parfümkosmos.
Immer mal wage ich mich in die Höhle des Löwen, das Haus der Illusionen, den Douglas Flagshipstore in Frankfurt, auf der Suche nach einem Schnäppchen oder irgend etwas von ästhetischem Gewicht - möglichst beides, gehöre ich doch scheinbar zu dem sozialen Stratum von dem Pierre Bourdieu schrieb es habe zuwenig Geld für seinen Geschmack (en cultivant notre jardin, nous avons oublié de devenir riche rapidement). Dort also standen im Abverkauf ein paar traurige Flakons von Laboratory Perfumes herum, einer Marke, von der ich noch nie gehört hatte und von der ich erst kürzlich las, sie mache de facto in Dupes, obwohl sie nun gar nicht wie eine Klonfabrik wirkt. Egal - ich hatte keinen Kontext und fand weder Gorse noch Atlas interessant. Samphire aber ließ sofort meine Eau de Cologne Rezeptoren klingeln. Zitrus - Kräuter -Holz/Moos/Musk, ganz old school, sehr natürlich wirkend, Referenzen abrufend: Eau du Sud, Aeroplane, Guerlain. Englisches Haus, aber französische Schule. Sehr spritzige, frische Zitrusnoten, Zitrone, Bergamot, Verveine, Lemongrass und: die leicht schwefelig-schmutzige Grapefruit als Brücke zum Kräuterkomplex mit Basilikum, Rosmarin, Wacholder. Eine milde Basis, aber mit Fixativen, die den Duft leicht lassen, aber deutlich langlebiger machen als klassisches 100% natürliches Eau de Cologne. Auch deshalb macht die Designierung als Eau de Toilette absolut Sinn, selbst wenn wir es hier stilistisch mit der EdC Tradition zu tun haben. White Musk, Labdanum, Tonka, Jasmin, Eichenmoss und Iris sollen sich im Fond finden, es wabert aber nur zurückgenommen und stützend unter dem Zitrus-Kräuterkomplex - und das ist gut so.
Es gibt kaum ein mit guten Zutaten gemachtes EdC, das mir nicht gefällt und ich liebe die Artenvielfalt dieses Genres. Hier hatte ich nach langer Zeit mal wieder einen echten Volltreffer gelandet, der fast an meinen Sommerfavoriten Eau du Sud von Goutal heranreicht, denn ich mag das leicht schmutzige der Kräuternoten (und hier auch der Grapefruit), welches die Zitrusfrische ergänzt und konterkariert, also quasi der Farina'schen Cologne-These Gegen- und Synthese hinzufügt. Mit €60 war er dann auch für meine Brieftasche angemessener bepreist als zur UVP von €100 (siehe oben), aber selbst das wäre er mir vermutlich wert, falls Eau du Sud inzwischen reformuliert ist (ich habe lange an keinem aktuellen Flakon geschnuppert). Well done also, dieses neuere englische Kleinod in gallischem Gewande, möge es noch lange in Produktion bleiben!
Immer mal wage ich mich in die Höhle des Löwen, das Haus der Illusionen, den Douglas Flagshipstore in Frankfurt, auf der Suche nach einem Schnäppchen oder irgend etwas von ästhetischem Gewicht - möglichst beides, gehöre ich doch scheinbar zu dem sozialen Stratum von dem Pierre Bourdieu schrieb es habe zuwenig Geld für seinen Geschmack (en cultivant notre jardin, nous avons oublié de devenir riche rapidement). Dort also standen im Abverkauf ein paar traurige Flakons von Laboratory Perfumes herum, einer Marke, von der ich noch nie gehört hatte und von der ich erst kürzlich las, sie mache de facto in Dupes, obwohl sie nun gar nicht wie eine Klonfabrik wirkt. Egal - ich hatte keinen Kontext und fand weder Gorse noch Atlas interessant. Samphire aber ließ sofort meine Eau de Cologne Rezeptoren klingeln. Zitrus - Kräuter -Holz/Moos/Musk, ganz old school, sehr natürlich wirkend, Referenzen abrufend: Eau du Sud, Aeroplane, Guerlain. Englisches Haus, aber französische Schule. Sehr spritzige, frische Zitrusnoten, Zitrone, Bergamot, Verveine, Lemongrass und: die leicht schwefelig-schmutzige Grapefruit als Brücke zum Kräuterkomplex mit Basilikum, Rosmarin, Wacholder. Eine milde Basis, aber mit Fixativen, die den Duft leicht lassen, aber deutlich langlebiger machen als klassisches 100% natürliches Eau de Cologne. Auch deshalb macht die Designierung als Eau de Toilette absolut Sinn, selbst wenn wir es hier stilistisch mit der EdC Tradition zu tun haben. White Musk, Labdanum, Tonka, Jasmin, Eichenmoss und Iris sollen sich im Fond finden, es wabert aber nur zurückgenommen und stützend unter dem Zitrus-Kräuterkomplex - und das ist gut so.
Es gibt kaum ein mit guten Zutaten gemachtes EdC, das mir nicht gefällt und ich liebe die Artenvielfalt dieses Genres. Hier hatte ich nach langer Zeit mal wieder einen echten Volltreffer gelandet, der fast an meinen Sommerfavoriten Eau du Sud von Goutal heranreicht, denn ich mag das leicht schmutzige der Kräuternoten (und hier auch der Grapefruit), welches die Zitrusfrische ergänzt und konterkariert, also quasi der Farina'schen Cologne-These Gegen- und Synthese hinzufügt. Mit €60 war er dann auch für meine Brieftasche angemessener bepreist als zur UVP von €100 (siehe oben), aber selbst das wäre er mir vermutlich wert, falls Eau du Sud inzwischen reformuliert ist (ich habe lange an keinem aktuellen Flakon geschnuppert). Well done also, dieses neuere englische Kleinod in gallischem Gewande, möge es noch lange in Produktion bleiben!
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