Ein Kommentar zu einem Duft, der offenbar nur einen einzigen Inhaltsstoff enthält, und zwar den puristischen Lavendel, der von den einen geliebt, von den anderen strikt abgelehnt wird, kann eigentlich nicht allzu lang werden. Meine Recherche im Reich des Lavendels brachte mir allerdings die Erkenntnis, dass nicht nur die Lavendeldüfte, die weitere, abrundende Inhaltsstoffe enthalten, sich deutlich voneinander unterscheiden. Auch die solifloren Lavendeldüfte können einen deutlich unterschiedlichen Charakter haben. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass auch bei den Düften, die angeblich nur die blaue Blüte enthalten, weitere Akzente hinzugefügt wurden, aber darüber hinaus scheint mir auch die Produktionsweise und das regionale oder lokale Anbaugebiet durchaus Einfluss auf das Endprodukt zu haben. Man vergleiche etwa "Monastère Notre-Dame Ganagobie Eau de Toilette Lavande" mit "Cotswold Lavandula": Während der englische Duft (auch in England gibt es eine besondere Tradition der Lavendelverarbeitung, berühmt ist der Norfolk Lavender) sehr kühl, etwas streng und sehr rein wirkt, ist der französische Duft weicher, aber auch etwas krautiger - und charmanter. Das könnte man passend finden.
Sympathisch ist mir beim französischen, hier vorgestellten Duft aber auch die klösterliche Tradition und benediktinische Philosophie (resp. Theologie), die hinter dem Eau de Toilette Lavande steckt. Die Prieuré (das Priorat) de Ganagobie liegt in Südostfrankreich und ist wegen ihrer außergewöhnlichen Bodenmosaiken bekannt. Bereits im 10. Jahrhundert existierte hier das erste Kloster, und so blickt die Gemeinschaft an diesem Ort auf eine tausendjährige Tradition zurück. Welche noch so traditionelle Duftmanufaktur hat das schon zu bieten. Das soll nicht heißen, dass dieser Duft schon Jahrhunderte auf dem Buckel hat, vermutlich und sehr sicher nicht, sondern dass die Produktion von kosmetischen Artikeln (die Mönche haben da einiges zu bieten) auf einer uralten klösterlichen Tradition basiert. Wer keinen Sensus für solche Fragen hat, hat sich wahrscheinlich durch die oben stehenden Zeilen gequält und fragt sich nun, wie der Duft denn Bitteschön riecht. Also dann!
Ich habe schon angedeutet, dass er weich, fast ein bisschen floral lieblich wirkt, was Lavendeldüften doch meistens eher abgeht. Trotzdem kommt nie der Verdacht auf, dass in diesem Lavendelwasser noch mehr drinstecken könnte als Lavandulae aetheroleum, das ätherische Öl der Lavendelblüte, das durch Wasserdampfdestillation gewonnen wird (allenfalls im ganz späten Drydown...). Und ich habe genug Phantasie mir vorzustellen, mit welch ehrwürdigen Geräten das im Kloster Ganagobie geschieht. Wer meint, ich hätte da eine zu romantische Vorstellung von klösterlichem Handwerk, der sollte mal einen Blick auf die Homepage (s.o.) werfen: handwerklich professionell sicher ja, aber traditionsverpflichtet ebenso sicher auch.
Während der Duft anfangs also eher versöhnlich mild und nicht so scharf wie manche Lavendeldüfte erscheint, bekommt er zwischenzeitlich eine etwas bitter krautige Note, die aber nur dann unangenehm wirkt, wenn man mit der Nase direkt am Duftstreifen oder der Haut riecht. Im Abstand von einigen Zentimetern ist dieser Akzent so abgemildert, dass es in keiner Phase der Duftentwicklung stört. Nach einiger Zeit (15 - 30 Minuten) dreht der Duft wieder ins Milde und Ruhige und bleibt so, bis er sich auf der Haut verabschiedet. Mich erinnert der Ganagobie-Lavendel sehr stark an den von mir außerordentlich geschätzten und in seiner Entwicklung ganz ähnlichen Lavendel-Duft der Aromatherapie-Marke Primavera, den es in Bio-Märkten gibt. Der ist vielleicht noch etwas sanfter. Beide dienen auch ganz wunderbar zur abendlichen oder morgendlichen Beruhigung, helfen beim Einschlafen und wirken ganz allgemein als Stimmungsaufheller. Sogar der potentielle Nutzen von Echtem Lavendel gegen Angststörungen konnte in einer Doppelblindststudie, die 2014 publiziert wurde, nachgewiesen werden. Schon im Jahre 2008 wurde der Echte Lavendel zur Heilpflanze des Jahres gewählt. Wenn das nicht alles Argumente sind, diesen oder einen ähnlichen Lavendel-Soloflor zu testen! Wenigstens einer davon gehört in eine gut sortierte Duftsammlung. Jede/r wird mit etwas Geduld sicherlich seinen eigenen Wunsch-Lavendel finden. Für Suchende möchte ich noch mal meinen Blog und meine dazu gehörende Sammlung von Lavendeldüften empfehlen:
https://www.parfumo.de/Benutzer/Yatagan/Sammlung/Cust1
Man glaubt es übrigens kaum, aber die Bestellung auf der etwas angestaubten Homepage vom Kloster Ganagobie funktionierte einwandfrei und der Versand dauerte weniger als eine Woche.
Nun ist der Kommentar doch noch länger geworden. Ich habe es befürchtet.