Eine ernstgemeinte Duftberatung zum Thema "Tod und Parfum":
Vorbemerkung:
Möglichst frühzeitig festlegen welches Parfum es sein soll! Es gibt nichts Schlimmeres als eine liebende Familie, die nicht von Dahinscheidenen Abschied nehmen kann, weil der sich in seinen letzten Augenblicken nicht zwischen den hunderten Parfums aus seiner Sammlung entscheiden kann!
Nicht auszudenken, wenn die geliebte Person dann sogar über den Jordan geht ohne den passenden Duft gefunden zu haben! Kann man der Familie dann diese große Bürde der angemessenen Parfumwahl überlassen? Wird das Zeug, mit dem einen die Verwandtschaft post mortem eindieselt, besser sein als deren gut gemeinte Parfumgeschenke zu Lebzeiten?! Werden die einen Clive Christian spendieren, oder verschachern die einen mit Axe ...
Damit man sich solche Fragen erst gar nicht stellen muss: Spätestens im Testament den Parfumwunsch explizit festlegen.
Zur Duftauswahl:
Wir kennen das alle, im heißen Sommer fangen wir an zu schwitzen. Um unangenehme Gerüche bis zur nächsten Dusche zu überdecken, greifen wir zu intensiven Deos. Wir wollen unseren Mitmenschen keine unangenehmen Ausdünstungen zumuten, wenn wir uns in Bus und Bahn an sie drücken. Auch auf dem Sterbebett sollten wir an unsere Mitmenschen denken, wenn diese unsere leblosen Leiber ein letztes Mal an sich drücken wollen. Ein Duft kann bekanntlich den ersten Eindruck maßgeblich beeinflussen - allerdings auch den letzten! Und mit Leichengeruch ist nicht zu Spaßen. Dieses natürliche Odeur, das bei unglücklicher Fügung nach längerer Zeit auch schon mal etwas intensiver wird, verlangt nach einem gleichermaßen intensiven olfaktorischen Gegenschlag!
Eau de Parfums oder reine Parfums sind vorzuziehen. Haben sie da nicht noch diesen 80er Jahre Kracher im Bad, von dem sie immer gesagt haben, den werden sie im Leben nicht tagen?! Nun wäre der richtige Zeitpunkt!
Für besonders Vorsichtige:
So wie man sie unter vielen Schichten Erde begraben wird, sollten auch sie ihre Ausdünstungen mit vielen Schichten Parfum zuschütten. Layern ist kein Zeichen schlechten Geschmacks! Nehmen sie ruhig alle starken Parfums die sie besitzen, oder - wenn sie doch geschmackliche Einwände gegen diese Praktik haben - verwenden sie die eigens für diesen Zweck entwickelte Private Blend-Reihe von "Tom Ford". Zum Preis von ein paar handelsüblichen Särgen werden sie ein paar passende, geschmackvoll kombinierbare Düfte erhalten.
Für die, die es nicht mehr erwarten können:
Niemand riecht gerne nach Tod und Verwesung - auch die Toten nicht.
Zwar duftet ein Friedhof nicht mehr nach jugendlicher Frische (aber mal ehrlich, das wäre ihrem Alter auch nicht mehr angemessen - sie wollen doch nicht ernsthaft in "1 Million" dahinscheiden?! Außerdem ist dieser Duft selbst für ihren anämischen Körper zu blutleer!) aber auch den bösen Leichengeruch wird man hier nicht antreffen. Lernen sie von ihrem zukünftigen Aufenthaltsort. Profitieren sie von den vielen, grünen Düften der Bäume und Sträucher, sowie den mit viel Liebe arangierten Blumen auf den Gräbern ihrer Nachbarn! Wählen sie für ihre letzten Stunden daher "Grey Flannel" von Geoffrey Beene. Kein anderer Duft fängt so detailgenau die Blumigkeit frischer Gräber ein. Sie werden auf dem Sterbebett glauben, sie seien schon unter der Erde!
(Apropos Erde: Naturverbundene sollten darüber hinaus auf Patchouli und/oder Sandelholz setzten.)
Für Akademiker:
Sollte ein M.A., Dr. oder gar Prof. auf den Trauerkränzen zu sehen sein, bedeutet das, dass auch ihre letzte Parfumwahl höhere Anforderungen erfüllen muss! Glauben sie wirklich, sie können sich eine letzte Ölung mit "Le Male" erlauben, ohne dass man posthum beginnt an ihren Fähigkeiten zu zweifeln. Es muss etwas Anspruchsvolles her! Tiefgründige Wortspiele mit dem Namen des Parfums werden den Nasen der Nachwelt ein anerkennendes Nicken abverlangen. Fromm "Straight to Heaven", triumphierend "Ubermensch", literarisch „Ulysse“ oder postmodern ironisch „(I am) a Sex Goddess“ ... es geht nicht um die Wahl an sich - sie müssen das Parfum denken! Seien sie anspruchsvoll, die Trauergemeinde wird es mit Sicherheit sein.
Wer diese Tipps beherzigt, der kann beruhigt die ewige Ruhe antreten. Viel Vergnügen mit den Düften (Pröbchen gibt‘s diesmal keine - sie werden uns wohl kaum wiederbeehren) und frohes Dahinscheiden.
PS: Wenn wir in diesem Forum anfangen, uns über solche Fragen Gedanken zu machen, dann sind wir, glaube ich, viiiiielllllll zuuuuuuuu lange hier.
