vor 9 Jahren
Das Problem, das ich persönlich mit diesen Threads habe, ist dieser Trend zum Abdriften ins Esoterische.
Dass Creed tatsächlich Schwankungen in seinen Chargen hat, habe ich wahrgenommen, aber noch nicht bewiesen (es wäre wirklich mal geil wenn mir jemand unterschiedliche Chargen von Aventus oder anderen Creeds zukommen lassen würde).
Aber die Frage ist, inwieweit diese Schwankungen noch akzeptabel sind, zumal Aventus doch zu einem guten Teil aus Synthetik besteht (ich kann jetzt schon ohne eine GC/MS Analyse gemacht zu haben sagen, dass man hohe Anteile an Iso-E-Super, Hedione und Ambroxan finden wird und dazu noch Moschusverbindungen, vielleicht Galaxolide, Ethylenbrassylat und/oder Muscon).
Diese Stoffe sind deswegen so weit verbreitet, weil sie mit so gut wie allem gut synergieren, einem Duft eine unfassbare Diffusivität verleihen und ihn so zum "strahlen" bringen.
Konzeptuell ist Aventus auch kein wirklich komplexer oder herausragender Duft, wenn man ihn mal mit irgendwelchen Schwergewichten wie jene von Amouage, Tom Ford, Nasomatto o.Ä. vergleicht.
Für mich ist "Sauvage" von Dior auch viel eher eine Anlehnung an "Aventus" als an "Bleu De Chanel". Auch hier wieder garantiert der gleiche Kram drin: Iso-E-Super ohne Ende, ein bisschen Hedione denke ich mal und auf jeden Fall Ambroxan. Die Moschusverbindungen sind mittlerweile auch recht gut etabliert, Muscone, Galaxolide, Ambrettolide, Cashmeran und ich glaube Ethylenbrassylat sind so die am häufigst verwendeten.
Hierbei ist eben zu beachten, dass es sich größtenteils um Synthetik handelt, die auch einen "gleichmachenden" Effekt haben sollen, also Schwankungen in irgendwelchen natürlichen Ölen ausgleichen sollen. Die Synthetik/Technik, um solche Schwankungen zu minimieren, ist auf jeden Fall da.
Um es kurz zu fassen: Aventus ist eigentlich so linear und unkompliziert, dass Qualitätsschwankungen eigentlich schon unverzeihlich sind. Und da kann man noch so sehr mit Natur argumentieren ("Aventus ist eben wie ein Wein, da gibt es gute und weniger gute Jahrgänge" oder "Naja, vergleichen sie es mal mit Ananas, je nach Ernte und Wetter schmeckt sie immer anders, aber es ist eben immernoch eine Ananas!"), als Parfumeur ist man ein Künstler, der etwas komponiert, und wenn man mit einem unberechenbaren Material arbeitet, muss man das eben mit einbeziehen.
Die Früchte wachsen dagegen einfach so, wie sie gerade können, da steckt per se keine "Kunst" dahinter. Höchstens Selektion, deswegen sieht alles Obst und Gemüse im Supermarkt gleich aus. Und das sollte Creed vielleicht auch tun, wenn die ihren Ananassaft oder was auch immer an Aventus natürlich sein soll von verschiedenen Zulieferern beziehen, wundert es mich nicht, dass manche Chargen fruchtiger oder ledriger riechen.
Hierbei geht es mir auch um Reproduzierbarkeit, denn wenn diese Sache zur Angewohnheit wird, kann ich mir gut denken, dass manche Batches billiger produziert werden als andere (wobei ich mir sicher bin, dass die Tendenz eher zu "immer billiger produziert werden" geht).
Naja, und das Thema mit der Reifung ist auch etwas, was ich skeptisch sehe, einfach weil "Reifung" meistens eher als universelle Ausrede und Erklärung benutzt wird.
- Das Parfum wurde schlecht gelagert, es sind etwas Alkohol und ein paar Kopfnoten evaporiert, der Duft riecht dementsprechend schwerer >-- Oh, Reifung!
- Das Parfum hat keine UV-Filter und ein paar Bestandteile wurde von UV-Licht zerschossen >-- Oh, Reifung!
- Das Parfum hat keine Antioxidantien und ein paar der Terpene sind mit Luftsauerstoff oxidiert >-- Oh, Reifung!
Auf der Homepage von AlzD steht zum Beispiel, dass Pierre Guillaume (Parfumerie Generale) teilweise mit UV-Bestrahlung seiner Parfums herumexperimentiert hat, um solche "Reifungsprozesse" zu simulieren.
Rein chemisch gesehen bedeutet das für mich, dass "Reifung" bereits das Einsetzen von Degradationsprozessen ist, oder eben das Resultat einer schlechten Lagerung, wenn der Duft durch das Abdampfen von Ethanol etwas "eindickt" und sich Proportionen durch Verflüchtigen von Kopfnoten verschiebt.