vor 5 Jahren
Entschuldige FragFrog, aber allein schon die Aussage, dass es geregelt sei und damit klar und Sichtweisen unmöglich mache zeigt klar auf, dass du juristisch nicht überdurchschnittlich gebildet bist.
Es ist so, dass in den allermeisten Fällen Normen ausgelegt werden. Das bedeutet, dass vermeintlich klare (nicht selten auch von vornherein schwammige) Formulierungen erst nachträglich, durch höchstrichterliche, oder ständige Rechtsprechung konkretisiert werden.
Solange es eine solche Rechtsprechung nicht gibt und häufig selbst dann, werden verschiedene Auslegungen mehr oder weniger inbrünstig von verschiedenen Juristen vertreten. Beispielsweise durch Fachliteratur. Diese juristischen Diskussionen können Einfluss auf die Rechtsprechung haben, oder auch nicht, wenn die Richter diese Ansichten ablehnen und etwas anderes entscheiden.
Das Problem, dass sich hier darstellt, ist, dass es keine eindeutige Regelung gibt, welche sich auf Parfum bezieht. Es gibt Regelungen, die den Verbraucherwiderruf ausschließen. Und es gibt Ansichten, die vertreten, dass Parfum unter diese Regelungen fällt. Es gibt wiederum andere Ansichten, die dies anders sehen, und Parfum nicht dazu zählen.
Das ist bisher nicht entschieden worden. Es gibt dazu also bisher kein richtig oder falsch, nur eine nicht unerhebliche Tendenz in der Literatur. Etwas anderes habe ich im Gegensatz zu dir aber auch nicht behauptet.
Deine letzte Quelle stellt auch zwei verschiedene Argumentationen dar. Es fällt aber auch der Satz "Die Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechtes darf bis auf die gesetzlich geregelten Fälle des § 312 d Abs. 4 nicht eingeschränkt werden."
Nun wurde der §312d BGB inzwischen neu gefasst, und die Ausschlüsse finden sich nunmehr in §312g, aber ursprünglich stand in §312d V 1. a.F. :
"Das Widerrufsrecht besteht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen [...] die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind [...]."
Und auf diesem Satz fußt die Diskussion. Was fällt denn darunter? Und wie du vielleicht feststellen kannst, ist das alles andere als eindeutig gesetzlich geregelt.
In deiner ersten Quelle bezieht sich der Anwalt auf ein Urteil bezüglich Wasserbetten und zieht eine Analogie.
Das ist eine Form der Auslegung und damit platt gesagt auch nur eine Meinung, aber keine Tatsache.
In deiner zweiten Quelle geht es um ein Urteil, in dem sich das Oberlandgericht Köln mit der Frage der Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung über Rücknahme von Kosmetika nur in unbenutztem Zustand beschäftigt hat.
Das Gericht hat hier aber nicht darüber entschieden, ob Kosmetika geöffnet werden darf oder nicht, sondern ob der Paragraph der AGB zu allgemein gefasst war, und hat dies bejaht.
OLG Köln, Beschluss vom 27. April 2010 – I-6 W 43/10 –
"Die Formulierung der Antragsgegnerin lässt den Verbraucher nämlich darüber im Unklaren, ab wann bei Kosmetikprodukten - als konkrete Verletzungsform ist das Angebot von (Anti-Falten-) Gesichtscreme in einer Tube in Bezug genommen - sein Widerrufsrecht ausgeschlossen sein soll. Dass er den noch in der Tube befindlichen und insofern "unbenutzten" Teil der Creme in jedem Fall soll zurückgeben dürfen, liegt allerdings fern. Ob jedoch erst die Entnahme eines größeren oder kleineren Teils der Creme oder das bloße Öffnen der Tube oder die Entfernung einer Versiegelung oder bereits das Öffnen einer etwa vorhandenen Original-Umverpackung als Beginn der Benutzung des Produkts gelten soll, kann der Verbraucher der Klausel nicht entnehmen. Klarer wird der Belehrungstext im Streitfall auch nicht dadurch, dass in dem (im Beschlusstenor nicht mehr eingeblendeten) weiteren Text des eBay-Angebots der Zustand des Artikels als "Neuware - Ohne Karton" beschrieben wird. Ob ein Ausschluss der Rücknahme "angebrochener Kosmetika" (vgl. Becker / Föhlisch, a.a.O. [3755]; Palandt / Grüneberg, a.a.O. Rn. 9) sprachlich transparenter wäre, hat der Senat nicht zu entscheiden. Im Ergebnis kommt es darauf auch nicht an."
Es geht hier also lediglich um die Wirksamkeit der AGB. Außerdem habe ich schon mehrfach erklärt, dass Teil des Problems ist, ob Parfum überhaupt unter Kosmetika oder nicht doch unter Luxuswaren gefasst werden.
Es ist einfach bisher nicht entschieden und deswegen bitte ich davon Abstand zu nehmen, den Händlern vorzuwerfen sie würden sich nicht rechtstreu verhalten.
Hier noch ein Auszug aus: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien
3. Auflage 2015; zu § 312g BGB, Rn. 21-25 (Bearbeiter Schirmbacher) der die ganze Thematik zusammenfasst:
"Der Wortlaut ist ein wenig missverständlich. Entscheidend ist nicht, ob hygienische Gründe die Rückgabe (oder gar die Rücksendung) ausschließen, sondern ob diese Gründe einer Wiederveräußerung der Ware durch den Unternehmer entgegenstehen.
Unter die Vorschrift fallen zunächst alle Waren, die bei bestimmungsgemäßer Nutzung intensiv mit dem Körper in Kontakt kommen, wie zB Zahnbürsten, In-Ear-Kopfhörer, Hörgeräte, Kontaktlinsen und Erotikspielzeug.
Auch Kosmetika, bei deren Öffnung der Wiederverkauf aus hygienischen Gründen ausgeschlossen erscheint, weil der Unternehmer nicht mit zumutbarem Aufwand prüfen kann, ob die Inhalte verunreinigt wurden, sind nun ausgeschlossen. Dies betrifft zB Cremes. Schwierig ist die Entscheidung für Parfums. Die Nähe zu anderen Kosmetika legt eine Gleichbehandlung und einen Ausschluss vom Widerrufsrecht nahe. Andererseits ist eine Verunreinigung sehr unwahrscheinlich. Das Problem, dass der Inhalt nicht mehr vollständig vorhanden ist, schließt die Ausübung des Widerrufsrechts jedenfalls nicht aus.
Ähnlich ist es bei Lebensmitteln, die lose oder flüssig sind und in versiegelten Behältnissen verkauft werden. Wenn eine mögliche Verunreinigung durch den Erstkäufer eine Weiterveräußerung unmöglich macht, erlischt das Widerrufsrecht bei Bruch des Siegels. Dies kann zB auf Alkoholika oder losen Tee zutreffen.
Hygienefragen stellen sich auch bei der Kleidung, die direkt auf dem Körper getragen wird. Eine erweiterte Auslegung auch auf solche Ware kommt aber nicht in Betracht. Bei Ware, die sich – wenn auch mit einigem Aufwand – wieder verkaufsfähig machen lässt, erlischt das Widerrufsrecht nicht. Damit sind etwa Bettwäsche, Matratzen oder Schlafsäcke nicht vom Widerrufsrecht ausgenommen."