Vorurteile gegenüber Aquaten

Hallo zusammen!

Ich lese und schreibe hier schon etwas länger. Und mir fällt generell auf, dass Eaux de Parfum häufig besser als das Original wegkommen, dagegen Light-Versionen mit Colonia, L'Eau, "Légère" etc. generell häufig als Verwässerungen beschrieben werden.

Früher war ich ebenfalls auf diesem Trip. Ich wollte auffallen und litt darunter, dass es damals für den Herren kaum Eau de Parfum gab. Was war ich verliebt in das dandyhafte "Escada pour Homme Eau de Parfum" in der goldenen Limited Edition, das niemanden aus meinem Umfeld kalt ließ (ich bekam nie wieder so viele Komplimente, v.a. von Mädels, während viele andere, v.a. meine Geschlechtsgenossen, den Duft als penetrant empfanden). Inzwischen ist selbst reines Parfum Massenware geworden und riecht nicht wirklich grundlegend anders, weshalb meine Begeisterung etwas abgeflaut ist.

Immer mehr stelle ich jedoch fest, wie mich manche Light-Flanker eigenständig in ihren Bann ziehen, indem sie einem schwerfälligen Duft eine gewisse Grazie oder auch einen aufregenden Frische-Kontrast verleihen. Dabei ist dieser Trend so neu nicht, früher nannte er sich in Frankreich Eau de Sport - und wenn ich an das leider nicht mehr erhältliche "Santos Eau de Sport" von Cartier oder "Escada pour Homme Silver Light" zurückdenke, beides ein Träumchen! Die Eaux de Cologne von "Valentino Uomo", "Armani Code" und "Dior Home", "Allure Homme Sport" von Chanel, "Cool Water Game" von Davidoff und 1 Million Lucky von Paco Rabanne, die Sommerdüfte Joop! Homme Sexy in Pink oder "L'Instant d'un Éte" von Guerlain haben mich auf eine Weise überzeugt, da sie eine filigrane Duftarchitektur aufwiesen, welche dem Original fehlte.

Wem geht es noch so? Oder empfindet Ihr es grundlegend anders? Oder habt Ihr selber schon mal im Nachhinein das Gefühl gehabt, gegenüber einem vermeintlichen Wässerchen ungerecht gewesen zu sein?

Allen einen schönen Sonntag! Fleurissimo

Persönlich denke ich, dass das von dir geschilderte Phänomen eher einer verbreiteten Ablehnung gegenüber Flankern insgesamt geschuldet ist, als einer Ablehnung gegenüber "leichten Wässerchen". Zumindest ist es bei mir so. Die spätere Veröffentlichung von Düften in erhöhter Konzentration hat demgegenüber eine lange Tradition und gilt als in Ordnung, während der Flankerwahn der letzten 10-15 Jahre sehr eindeutig auf das schnelle Geld schielt.

Ich sehe das ähnlich wie Konsalik, viele Ableger eines bekannten Duftes werden jährlich lanciert um schnell viel Geld zu machen, hier wird nicht einmal viel Geld in Werbekampagnen gesteckt sondern unvermittelt auf den Markt geworfen. Manche dieser Flanker sind ganz ok, bzw. haben ihren eigenen Charm wie z.b. Paco Rabanne pour Homme Eau, oder auch das von dir genannte Santos Eau de Sport, jedoch gab es damals ein oder zwei Ableger des Originalduftes, wenn man heute bedenkt dass es von z.b. YSL La nuit de l´homme und L´Homme zusammen ca. 15 Flanker gibt, ist das für mich reine Geldmacherei.
Ich für meinen Teil finde aufgrund der o.g. Tatsache und weil sie mir einfach besser gefallen, die Originalen Vintagedüfte immer noch am besten.

Ich glaube, dass auch eine gewisse Voreingenommenheit bezüglich der erwarteten Haltbarkeit besteht. Für viele müssen Düfte sehr stark sein und sehr lange halten. Bei vielen Klondüften der oberen Liga ist ja oft das Argument "riecht 90% gleich, aber die Performance ist viel besser!" und in den Facebookgruppen finden das dann die Fürsprecher als gutes Argument, warum der Klon eigentlich noch besser ist, als das Original. Wenn die Konzentration dann später auf EdP hochgestuft wird sind die Performancefetischisten natürlich überglücklich. Aber Herunterstufen und leichter machen ist natürlich ganz ganz schlimm, man betrügt ja fast den Kunden.

Sieht man doch auch an den vielen Fragen nach super lange haltenden Zitrusdüften.

Dazu sind es natürlich auch die verhassten Flanker. Aber das ist auch irgendwo nur eine Reaktion auf den Kunden. Der möchte nämlich alle sechs Monate einen neuen Duft vom Haus. Aber gute richtig originale Ideen gibt es nicht, wie Sand am Meer. Also wird im Sommer der leichte Flanker lanciert und im Winter der EdP Flanker. Spart natürlich auch Werbeausgaben, man braucht keine neue Flasche oder Verpackung zu designen usw.

Ein wenig off-topic: Die Branche überhitzt gerade glaube ich ein wenig. In Designerdüften ist nicht mehr so viel Geld. Und nach kurzer Zeit gibt es die auch immer irgendwo sehr günstig. Also muss schnell durchrotiert werden, um dem Wunsch des Kunden nach Neuem zu entsprechen und auch der enorm gesunkenen Halbwertszeit der Düfte Tribut zu zollen. Die Werbebudgets für neue Düfte sind teilweise absurd.
Warum setzt z.B. Douglas neuerdings vermehrt auf Nische? Weil da die Margen noch in Ordnung sind, der Werbeaufwand geringer ist und die Bandbreite auch höher, was den Drang nach Individualisierung und nach etwas neuem beim Kunden befriedigt. Ich glaube es gibt im Moment zu viele Marktteilnehmer, die sich um einen zu kleinen Kuchen streiten.

Zurück zum Thema:
Ich habe letzte Woche "Bottega Veneta pour Homme Essence Aromatique" gerochen. Ich finde das EdP des Originals sehr gut. Zunächst habe ich die Essence Aromatique irgendwie als schwachen Abklatsch empfunden, aber nach einer Weile hat mir der Duft dann doch sehr gut gefallen, weil er das Thema aus Zitrus, Patchouli und balsamisch-harzigen Noten sehr schön für die wärmeren Monate umsetzt. Ich denke, dass ich von "Meh!" zu "ich denke ich kaufe das" gekommen bin. Dass es im Sonderangebot ist, hilft natürlich.

Ich gebe nicht so viel auf die Namensgebung.
Ein ''Cologne" muss nicht zwangsläufig eine frischere Sommerversion des Original-Dufts sein.

Das Dior Homme Cologne hat mit dem normalen Dior Homme meiner Meinung nach einfach gar nichts zu tun - das ist ein komplett anderer Duft.

Dem Chanel Allure Homme Sport Cologne merkt man seine Verwandtschaft zum normalen AHS schon mehr an - ein toller Duft, den ich sehr gerne trage.

Beim YSL La Nuit Frozen Cologne würde ich sagen, handelt es sich um einen eigenständigen Flanker zum normalen La Nuit EDT (so wie z.B. der Ultime zum L'Homme), der auch mit der Haltbarkeit und Projektion mithalten kann.

Mein Fazit: Es lässt sich nicht verallgemeinern und ich persönlich teste einfach individuell, dann sehe ich schon, ob es gefällt oder eben nicht.

Im Titel geht es um Aquaten, im Text um geringere Konzentrationen u.ä. Geht es Dir um beide Themen?

Solange man das Original in Ruhe lässt und so lässt, wie man es kennen- und lieben gelernt hat, können sie soviel Flanker bringen wie sie lustig sind. Nur ist ja bald jedes Original inzwischen mal reformuliert und in aller Regel, dadurch eher nicht verbessert worden. Und Aquaten, naja, entweder mag man diesen Typ oder eben nicht. Ich mag sie nicht, jedes Spül- und Reinigungsmittel bringt dieses "frische", zitrische und jedes Duschgel auch noch obendrein und für mich ist genau das der Grund, was mir Aquaten verhagelt hat. Ich will nicht nach einer frisch geputzten Toilette riechen, schlicht und einfach.

"Acqua da Toeletta" ist für mich einer der schönsten Aquate überhaupt. Wenn ich in trage, haben weder ich noch mein Umfeld den Eindruck von einer frisch geputzten Toilette.
Leider wird er nicht mehr produziert.

Ausnahmen gibt es sicher, dass Gro geht aber, eher früher als später immer in die Reinigungsmittel-Ecke. Und sehr wahrscheinlich wären Aquaten auch beliebter, wäre diese Assoziation nicht gegeben. So seh ich es jedenfalls.

Das mag für manche „Billigsoßen“ sicher zutreffen. Das hat dann aber weniger mit der Gattung Aquat zu tun, sondern mit dem Umstand, einfach schlecht gemacht worden zu sein.
Aber gut, wenn man halt nichts anderes kennt.

Ich schließe mich der Frage an

Auch wenn der Begriff im Titel "Aquaten" vielleicht unglücklich gewählt ist, weiß ich was du meinst. Durch manche schlechten,- aber berühmten Erscheinungen sind Flanker aller Art, speziell aber die "verwässerten" (Cologne, Sport, Eau, Summer, usw...) sehr stigmatisiert in der Community, zum Teil finde ich das auch nachvollziehbar.

Mir ging es zum Beispiel beim 1 Million Cologne so, ich fand es zu Beginn echt widerlich. Aber nachdem ich mich irgendwann nochmal drüber gewagt habe, konnte ich es für mich erschließen und weiß die herbe, pseudo-orientalische, etwas fordernde aber zugleich dezente Art dieser Version jetzt sehr zu schätzen.

Ich verstehe auch dein Bedürfnis dieser Erkenntnis Luft zu machen. Jeder ist hier und da mal etwas voreingenommen, und da testet man auch anders, als wenn man auf ein Produkt neutral zugeht.

Ich denke das wichtigste an der Erkenntnis ist, sich selbst immer bewusst zu machen, dass jede Meinung am Ende individuell ist, und sich einen Duft von anderen Meinungen nicht "zerstören" zu lassen, selbst wenn viele ihn leichtfertig abwerten.

Diese "geistige Grätsche" hilft mir persönlich sehr, ich freu mich sogar manchmal heimlich wenn ich das Gefühl hab, ich bin der einzige der ein spezielles Parfum in meinem Habitat trägt, weil ihn die meisten nicht mögen.

Und mit Dior Homme Cologne, Joop! Homme Sexy in Pink, und "L'Instant d'un Éte" hast du sehr wundervolle Beispiele dafür genannt, wie gut leichte Flanker sein können.

Chapeau!

P.S.: Ich muss dich übrigens noch drauf hinweisen, dass du mit deiner Anspielung auf Parfums die jetzt angeblich "nach Massenware riechen" ironischerweise das selbe, nur in die andere Richtung machst! Es gibt auch sehr gute und starke Eau de Parfum- Releases. Da es nur leider "Usus" für Hersteller wurde, dass es von jedem EdT auch 5 EdP Varianten geben muss, ist natürlich auch hier oft mal was dabei, was mehr aufgesetzt als sonst was ist.
Ich denke aber auch, dass dies ebenso mit unserer Zeit und Gesellschaft zu tun hat, in der man allgemein eher dezent bleiben will, und niemanden mit seinem starken Duft offenden.
Ich hör zumindest dauernd von Nicht-Parfumos "Ich will ja nicht so stark riechen dass man mich bemerkt!".