Ausführlichere Inhaltsstoffe per EU-Verordnung 2023/1545

Ausführlichere Inhaltsstoffe per EU-Verordnung 2023/1545 18

Mir ist aufgefallen, dass dm.de nun viel detailliertere Angaben zu Parfum-Inhaltsstoffen macht als früher. Offenbar liegt das an der o.g. EU-Verordnung vom Juli 2023, die Produzenten noch ein Jahr Zeit gibt (bis Ende Juli 2026), um etwa 50 zus. Stoffe auf Verpackungen anzugeben. Ich dachte, dazu müsste es schon einen Thread geben, aber konnte keinen finden (übrigens auch nicht auf Basenotes und Fragrantica; Korrektur: einen kurzen Basenotes-Thread gibt es doch: link). Und die meisten Webshops sind wohl noch nicht tätig geworden.

Z.B. erfährt man neuerdings - wenn ich die chemischen Bezeichnungen richtig verstehe -, dass 4711 Linalyl-Acetat, Orangenöl, Zitronenöl, Pinen, Terpineol, Geranyl-Acetat, Lavendelöl, Terpinolen, Kampfer, Beta-Caryophyllen, Alpha-Terpinen, Eukalyptusöl, Iso-E, Galaxolide und Carvon enthält. Sollte dem Volumen nach sortiert sein, also offenbar nicht viel Iso-E und Galaxolide. Die restlichen Stoffe könnten wohl alle aus äth. Ölen stammen. Früher waren nur Limonen, Linalool, Citral, Geraniol, Hydroxy-Citronellal und Citronellol angegeben. Zum Vergleich die aktuelle Produkt-Webseite und ein archivierter Snapshot von 2016.

Die 4711-Formel ist eh weitgehend bekannt, aber z.B. beim Klassiker "Tosca" (na ja, bei DM in einer jüngeren EdP-Version) zeigt die Liste, dass ungewöhnlich viel Jonon enthalten ist (das konnte man auch früher schon erfahren), viel Ylang-Ylang-Öl, Patschuliöl und Vanillin – all diese Stoffe werden noch vor Linalool und Cumarin genannt. D.h. die Ylang-Ylang-Note ist offenbar echt, will sagen sowohl einigermaßen hochdosiert als auch natürlich. Andererseits erfährt man, dass z.B. Iso-E und Galaxolide hier nicht zugesetzt wurden. D.h. falls "hexamethylindanopyran" tats. alle Arten von Galaxolide abdeckt und "Tetramethyl acetyloctahydronaphthalenes" (im Plural) alle Arten von Iso-E. Und vorausgesetzt, dass die dm-Angaben korrekt sind und auch korrekt geordnet. Wobei der übliche Hinweis, dass letztlich nur die Angaben auf den Verpackungen zählen, nicht einmal dabei steht.

Hier noch der Link zur Verordnung: 2023/1545
Und die Verordnung von 2009, die durch die neue Verordnung angepasst wird: 1223/2009

Die 2009-Verordnung hatte schon zwischenzeitlich viele, meist kleine, Änderungen erfahren, aber, soweit ich das überblicke, kaum Änderungen an Kennzeichnungspflichten. (2022 kamen wohl BHT/ Butylhydroxytoluol und Methylsalicylat/ Salicylsäure-Methylester dazu [Korrektur: betraf wohl nur Höchstwerte - und BHT musste als Hilfsstoff wohl eh schon immer genannt werden]; 2013 wurden einige Dutzend Höchstwerte eingeführt oder angepasst.) Demnach sollte fast alles, was im Anhang der 2023er-Verordnung genannt wird, bedeuten, dass diese Stoffe neuerdings angegeben werden müssen, wenn die Konzentration 0,001% übersteigt -- mit ein paar Ausnahmen unter Ziffer 1 (wohl bloß Citral, Isoeugenol, Citronellol, Limonen, Benzylalkohol), die vorher schon kennzeichnungspflichtig waren.

Aus den Erwägungsgründen 2023: "Der Wissenschaftliche Ausschuss [...] bestätigte, dass die in den Einträgen 45 und 67 bis 92 [...] der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 aufgeführten allergieauslösenden Duftstoffe nach wie vor relevant sind. Darüber hinaus wurden 56 weitere allergieauslösende Duftstoffe ermittelt [...]." Also 27 Einträge waren's, und nun sind es 83. Korrektur: Nope *seufz*, Eintrag Nr. 45 betriff Benzylalkohol, welcher unter 68 erneut behandelt wird. Also stimmt die überall genannte Anzahl von 26 – und neuerdings 82.

Zuletzt bearbeitet von Pimm am 15.07.2025 - 02:16 Uhr, insgesamt 4-mal bearbeitet
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Nix für ungut, nach der Hälfte deines Beitrags hat mein Brain abgeschaltet und mir eine Error-Meldung namens "System overload" ausgespuckt. No time for study...🤷

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Das Wesentliche stand eh schon am Anfang – wenn nicht schon im Titel: Man kann nun eher Schlüsse auf die Parfum-Formel ziehen (mit etwas Studierwilligkeit 🙂). Z.B. hatte ich in der Drogerie Sport probiert und mich später gewundert, was Parfumo-Nutzer daran so holzig finden. Als erster Riechstoff ist Iso-E genannt, welches ich meistens auch hochdosiert gar nicht bewusst wahrnehme, und wenn, dann v.a. als süß. Zweitens Acetyl-Cedren (= Vertofix?), was vllt. auch subtile Holzigkeit reinbringt. An der Minze hatte ich auch Zweifel, aber immerhin ist Carvon enthalten (wenn auch eher am Ende der Liste), was der Hauptbestandteil von Krauseminze-Öl ist. Das natürliche Öl ist aber nicht drin und Menthol (Pfefferminze) auch nicht; müssten beide neuerdings genannt werden. Denke schon, dass die Zusatzangaben mir etwas nützlich sein werden. Ein Gefühl dafür, wie aussagekräftig die Position in der Liste ist, bekommt man vllt. mit der Zeit. Nehme z.B. an, dass Iso-E und Acetyl-Cedren, wenn überhaupt präsent, oft weit vorne stehen werden.
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Spannend! Muss mich da mal ein bisschen einlesen welcher Stoff was bedeutet - hab zu wenig Überblick, aber finds an sich total super. Mehr Überblick, was drinnen ist. Leider muss wohl weiterhin Ambrocenide nicht genannt werden. Das find ich Schade. 

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Endlich eine Erklärung, warum neuerdings so viele äth. Öle und Einzelduftstoffe in den INCI Listen  sind. Für mich ist das bisher sehr hilfreich gewsen. Ich habe keine Allergien aber kann daran erkennen, ob natürliche Zutaten drin sind oder z.B. viel Vanillin, was dann bei .mir eher zum Kaufanreiz beiträgt...

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Ambrocenide -- Ja, glaube nicht, dass so junge Stoffe dabei sind.

Was die Reihenfolge angeht, hat mich Byzantium verunsichert (dm-Liste): Alle 4 Naturmaterialien vorweg, dann 6 Hilfsstoffe (z.B. Glycerin), dann die reinen Riechstoffe in offenkundig alphabetischer Reihenfolge. Die EU-Verordnung von 2009 besagt:
"Die Liste der Bestandteile weist diese in abnehmender Reihenfolge ihres Gewichts zum Zeitpunkt der Hinzufügung zum kosmetischen Mittel aus. Bestandteile in einer Konzentration von weniger als 1 v. H. können in ungeordneter Reihenfolge im Anschluss an die mit einer Konzentration von mehr als 1 v. H. aufgeführt werden."

Unter 1% (der Parfumlösung, also inkl. Ethanol) liegen die kennzeichnungspflichtigen Stoffe meistens, und eine alphabetische Anordnung war auch früher schon manchmal anzutreffen. Wenn nicht alphabetisch, dann war es meinem Eindruck nach – zumindest auf Verpackungen und Webseiten der Parfumhäuser recht zuverlässig – eine Anordnung nach Gewicht. Dafür spricht etwa, dass dann das besonders stark mengenbeschränkte Isoeugenol stets am Ende oder fast am Ende steht, während Linalool und Limonen oft weit vorne stehen etc.

Liegt also bei Byzantium alles unter 1%, und man hat sich – bei nun so vielen Stoffen – lediglich entschieden, zuerst nach Naturmischung/ Hilfsstoff/ Reinriechstoff zu kategorisieren? Aber innerhalb der ersten beiden Kategorien ist die Reihenfolge dann nicht alphabetisch sondern ...? Dass alle 10 Stoffe am Anfang der Liste über 1% liegen – und deshalb nach Gewicht geordnet sind – scheint auch schwer vorstellbar. Überhaups merkwürdig viele ungewöhnlich klingende Hilfsstoffe, etwa Vitamin-E-Acetat (Tocopherylacetat). Und Petitgrain (CITRUS AURANTIUM AMARA LEAF/TWIG OIL; Cosing-Eintrag) soll drin sein, aber kein Linalyl-Acetat (oder unter 0,001%)? Linalyl-Acetat soll laut Tisserands "Essential Oil Safety" ca. 50% dieses äth. Öls ausmachen, ziemlich unabhängig von der spezifischen Sorte. Übrigens seh ich Petitgrain auch gar nicht in der Verordnung (nur das "PEEL OIL" und "FLOWER OIL" edit - letzteres, d.h. Neroli, hätt ich übrigens in 4711 erwartet); müsste also gar nicht genannt werden/ Verwechslung?

Frage mich eh, wie diese Listen an die Verkaufsplattformen gelangen. In B2B-Datenbanken hinterlegt, vllt. teils per spezialisierter Texterkennung von den Verpackungen gescannt? Rechtschreibfehler sind mir in diesen Listen nie aufgefallen, also eingetippt wird offenbar seltenst. Viele Fragen, die sich auch bzgl. der paar Dutzend altbekannten Allergene schon stellten, aber mit den detaillierteren Angaben beantwortenswerter werden.

Beim Tosca-Beispiel (dm-Liste) stimmt die Reihenfolge der Reinstoffe (ziemlich) mit älteren, weniger ausführlichen Listen überein und könnte wohl gewichtsbasiert sein. Zweifelhaft erscheint mir aber die Position der diversen Naturstoffe: Lavendel-, (Bitter?-)Orangen- und Zedernöl alle erst nach Isoeugenol, welches nach IFRA-Richtlinien höchstens 0.2% (korrigiere:) 0.02% Anteil am gelösten Parfum haben darf. Solche Kleinstmengen dieser eher wenig intensiven bzw. wenig ausdauernden Öle? Wohl denkbar ... Gerade bei den Naturmaterialien wär's interessant, die Menge eingrenzen zu können. Bei Absolues ("flower extract") befürchte ich auch, dass bei der Gewichtsberechnung Lösungsmittel mitzählen, was es erschwert, die Menge an Pflanzenmaterial einzuschätzen.

Zuletzt bearbeitet von Pimm am 15.07.2025 - 02:58 Uhr, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Wow wie interessant danke für dein Beitrag, mir ist es überhaupt nicht aufgefallen aber das eröffnet ja einem neue Möglichkeiten, vorallem waren die Firmen dazu gar nicht verpflichtet das so ausführlich anzugeben, meinst du alle müssen diese Verordnung umsetzten auch die Nischenlabels die hier verkaufen? Bin ich ja gespannt ob die Preise gerechtfertigt sind und ob die wirklich so viele Premium Extrakte und Öle verwenden bwuahahahah

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Danke für den Hinweis! Sowas interessiert mich sehr. Ich finds nur echt schwierig, diese Formelnamen in meinen Kopf zu bekommen. Kennt ihr eine Liste irgendwo, wo die Namen übersetzt sind? (Also Tetramethyl ... = ISO usw.)

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Oh, das finde ich super! Ich habe immer ein ungutes Gefühl dabei Parfum direkt auf die Haut zu sprühen, besonders wegen diverser Moschusduftstoffe, die nachweislich durch die Haut in in den Blutkreislauf eindringen und dort ihr Unwesen treiben. So ist es viel einfacher unbedenklichere Düfte zu finden.  

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Wie ich die Regulierung (nach etwas KI-Rücksprache 😯) verstehe, müssen ab Ende Juli 2026 alle neuen Batches mit entspr. Angaben zu Inhaltsstoffen versehen werden – auch bei Importen in die EU. Aber verpflichtend wohl weiterhin nur auf Verpackungen; nicht bereits im Web. Was vor diesem Termin produziert wurde, kann noch bis Ende Juli 2028 verkauft oder weiterverkauft werden; danach müssten wohl Aufkleber o.ä. angebracht werden. Dieses 2028 drohende Verkaufshindernis könnte ein Grund sein, warum manche Produzenten die Regulierung schon mehr als ein Jahr vor Ende der 2026er-Übergangsfrist umsetzen. Na ja, ob aktuell produziertes Echt Kölnisch Wasser wirklich 2028 noch irgendwo lagern wird ... Nehme an, das verkauft sich zügig. (Kann mir nicht vorstellen, dass Weiterverkäufe von privat betroffen sind; auf Ebay werden ja dauernd Flakons von anno knips oder ohne Verpackung verkauft, auf denen gar keine Allergene stehen.)

Falls durch die Reihenfolge wirklich geschlussfolgert werden kann, dass ein Naturextrakt z.B. weniger als 0.02% Anteil hat, könnt ich mir vorstellen, dass es sich bald durchsetzt, die Naturextrakte so weit vorne wie möglich aufzuführen, also gleich hinter den Stoffen, die über 1% Anteil haben. Als Bezugsgröße fällt mir da ein Interview (Youtube-Link mit Zeitindex) mit Aurélien Guichard ein, in dem er sagt, Radical Rose Eau de Parfum enthalte "3-4% Rose", was schon das höchste sei, was regulatorisch überhaupt ginge und bei seiner hohen Parfumkonzentration enorm viel. Wenn er also 20% Parfumanteil bei EdP verwendet, wären die 3-4% (die sich dann offenbar auf das Konzentrat beziehen) schon nur noch 0.6-0.8% Anteil an der Parfumlösung. In "Scent & Chemistry" heißt es, Chanel N°5 hätte urspr. "4% of jasmine absolute" enthalten, was aber heutzutage unbezahlbar viel wäre. Insofern dürfte es bei den teuren Naturstoffen normal sein, dass sie im Promille-Bereich landen. Aber klingt nicht gut (Guichard musste auch etwas gedrängt werden, eine Zahl herauszurücken), selbst wenn's im hohen Promillebereich liegt.

Eine Liste speziell der Allergene mit Synonymen zu den INCI-Namen kenn ich nicht. Hab selbst bei Wikipedia und per Suchmaschine geschaut. R. Tisserands Buch (2. Edition 2014) nennt Synonyme und führt natürliche Quellen und IFRA-Beschränkungen auf, z.B. zu "Benzyl alcohol":
"Synonyms: Benzenemethanol. Phenylcarbinol. Alpha-Hydroxytoluene.
Systematic name: Phenylmethanol
Sources >1.0%:
Tolu balsam 41.8%
Benzoin 38.8–43.4%
Hyacinth absolute 40.0%
[etc.]
The IFRA standard for benzyl alcohol in leave-on products such as body lotions is 2.7%, for skin sensitization." (edit: Inzwischen offenbar auf 2.5% gesenkt. Aktualität der Quellen also schon wichtig.)
Wobei gerade rein-synthetische Stoffe nicht abgedeckt sind. Wär hübsch, wenn jemand 😛 solche Infos zu allen kennz.-pflichtigen Stoffen zusammentrüge, und vllt. noch Angaben von Perfumer's World o.ä.: Geruchskurzbeschreibung bzw. Funktion, typische verwendete Menge, Intensität, Haltbarkeit, Preis, Herstellungsverfahren.

Zuletzt bearbeitet von Pimm am 15.07.2025 - 03:04 Uhr, insgesamt 5-mal bearbeitet
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@Pimm Doch ich denke, das wird jedenfalls teilweise händisch gemacht. Ich schaue immer genau hin und manchmal variiert die Liste von Shop zu Shop, sind teilweise fehlerhaft oder es fehlen auch mal Leerzeichen oder ein Komma verrutscht. Also da sollte man sich nicht drauf verlassen, darauf wird ja meistens auch noch schriftlich hingewiesen, dass nur die Stoffe auf der Verpackung am Ende belastbar sind. 

Bei Douglas zB gibt es eine Kategorie „Clean“ aber da sind auch ganz und gar nicht cleane Düfte drin, aber wegen falscher Inci trotzdem dort gelistet.

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Variieren tun die Listen schon, was je nach Batch ja auch seine Richtigkeit haben mag. Nicht selten wirken die Listen auch völlig unpassend, was für mich nach copy-paste von irgendwoher aussieht. Dass etwa Hydroxycitronellal falsch buchstabiert wird, scheint mir verdächtig selten vorzukommen. Vllt. zumindest eine Korrektur-Software am Werk, die sicherstellt, dass nur INCI-Namen verwendet werden. Obwohl: Wenn ich jetzt mal nach naheliegenden Falschschreibungen google, finden sich schon Beispiele. Diverse kleine Webshops, aber auch mal ein Deo bei Notino, ein Haarspray bei 50-ml.de.

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