Duftbetty

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6 - 10 von 14
Duftbetty vor 6 Jahren 3 1
9
Duft
Dorf-Kirmes im Winter 1975
Kommentar No. 1 meiner losen Serie unterschätzter Vanilledüfte.


Ein Fundstück aus einem Tauschpaket. Gerochen und neugierig geworden. Klar, ich stehe auf Gourmants, das ist ein Gourmand. Es ist sogar ein Gourmand, wie er im Buche steht. Cremiger Auftakt. Maronen und Vanille. Jahrmarkt im Winter. Es ist kalt. Die gebrannten Mandeln sind schnell aufgegessen. Fix: Einen Cappuccino der alten deutschen Schule trinken - mit einer dicken Sahnehaube aus dem Sprüher und ein paar Schokoladenstreuseln obendrauf. Das Original ist auf dieser Dorf-Kirmes unbekannt. So serviert man ihn hier seit Jahrzehnten. Warum sollte man das ändern?
Trinken möchte man so etwas nicht, mehr aber riechen? Ja, unbedingt. "Tutti Dolci - La Cosa Più Dolce Del Mondo" ist kein großer Duft. Nicht komplex, aber er weckt gute Erinnerungen. Es riecht nach Schoko, Kaffee, Sahne, Vanille und gebrannten Maronen. Süße Maronen mit einer Note bitterer Röstaromen. Ein bisschen Kindheit, ein bisschen Kuscheligkeit. Er bildet keine Aura oder Wolke, sondern liegt cremig auf der Haut. Und Tante Elfriedes Haarspray, das den Auftakt bildet, ist auch ganz schnell verflogen. Tatsache!
1 Antwort
Duftbetty vor 11 Jahren 57 30
8
Duft
Berlin - Symphonie einer Großstadt
Mit „1A-33“ verbindet mich eine Geschichte, genauer gesagt, ein wenig Familiengeschichte.
Sie ist (mir) wichtig für die Besprechung des Duftes. Wen es nicht interessiert, der gehe am besten gleich zum sechsten Absatz über. Für die anderen geht es hier los:

Mein Vater, Jahrgang 1916, war das, was man heute mit wissender Miene businessman nennt. Zu seiner Zeit sagte man, wenn man es gut meinte: Er ist ein Kaufmann. Das steht auch in meiner Geburtsurkunde. „Tochter des Kaufmanns Hans-Werner H.“ Meinte man es hingegen schlecht, sagte man: Der macht Geschäfte. Das traf wohl eher auf meinen Vater zu. Im Jahr 1946 war er wohl nicht der einzige, der Geschäfte machte. Am Berliner Reichstagsgebäude, am Nollendorfplatz, unter den Bahnbögen. Mein Vater hatte dazu ein außerordentliches Talent. Schon früh war er in das Galanteriewaren-Kaufhaus seiner Mutter (meiner Oma) eingestiegen. Das Geschäft florierte selbst in schweren Zeiten und konnte auch während des Krieges auf seine Kundschaft zählen. Einen Treffer hatte es kassiert, das war noch wenig. Es blieb genug, was sich zu Geld machen oder tauschen ließ. Man könnte glauben, dass die Leute andere Nöte hatten, als bei meinen Vater Lebensmittel gegen Handschuhe und Seidenkrawatten einzutauschen. Aber da sollte man das kaufmännische Geschick meines Vaters nicht unterschätzen. Und man sollte auch die Sehnsucht der Menschen nach Luxus nicht unterschätzen (das lehrte mich mein Vater). Und so brachte er mit den paar Kisten Ware, die von Feuer, Phosphorbomben, Schutt und Löschwasser verschont geblieben waren, seine eigene kleine Familie, seine Mutter und Geschwister durch.

Als größter Schatz erwies sich dabei ein Karton mit „1A-33“. Besonders bei den Amerikanern erfreute es sich großer Beliebtheit, denn es war das Lieblingsparfum von Emma G.*. Jeder wusste davon, jeder wollte es riechen, jeder wollte es haben. Mancher GI brüstete sich sogar damit, es seinem Liebchen zu Hause mitbringen zu wollen. Vielleicht aber hat man damit auch die Fräuleins hierzulande geneigt gemacht. Ein bisschen Schauer, ein bisschen Nervenkitzel. Die Blume des Bösen - daran wollte man mal schnuppern. Vielleicht um zu begreifen? Zu verstehen? Meinem Vater jedenfalls brachte genau die Emmy-Information sehr bald höhere Preise ein. Das Parfum gegen Schinken, Speck und Schnaps. Er musste seine letzten Duft Vorräte tatsächlich sogar teilen (sharen!), so groß war die Nachfrage. Er kam ihr nach. Ihm war es gleich. Zu Hause saßen Frau und Kinder (meine Halbgeschwister). Die hatten Hunger. Ich sagte ja: Mein Vater war ein businessman.

Ihr könnte Euch vorstellen: Ich war erstaunt und neugierig zugleich, als mir zu Ohren kam, dass der Duft neu aufgelegt wurde. (Es ist leider nicht die alte Formel). Kennt denn keiner die Geschichte dieses Parfums? Nun, man kann ja die Produzenten eines Parfüms nicht dafür verantwortlich machen, wer ihn trägt. Aber ein wenig Aufklärung hätte doch gut getan.

Aber auch ich habe diese Geschichte, die mir ja sehr nah ist, ausgeblendet. Spätestens dann nämlich, als ich im Fenster von Harald Lubner zwei Originalflakons aus den 1930er Jahren erblickte (siehe Parfumfoto): Aerodynamisches Art-Deco-Design, das mich sofort auf eine Reise durch die Zeit schickte.

Juli in Berlin 1929. Ein Spaziergang auf dem Boulevard Unter den Linden. In der Luft liegt ein feiner Blütenduft, süßlich, klebrig, weich. Ein Junge mit Strohhut schält eine Orange. Ein Blumenmädchen verkauft Sträuße voller zarter weißer Blüten. Im nahegelegenen Mon-Bijou-Park macht man Rast. Man legt sich ins Gras und genießt, wie einen die Sonne liebkost. Die Augen fallen zu, man lässt sich treiben – die Gedanken sind frei. Der Liebste im rechten Arm neckt mich mit seinem Zweig Jasmin, die Liebste, die gerade noch an der Herzensseite gelegen hat, hat sich aufgerichtet. Mit einem Span aus Zederholz versucht sie sich eine Zigarre anzuzünden. Sie überlegt es sich anders. Pudert sich stattdessen die Nase und zwinkert mir zu. Das warme Holz verströmt seinen würzig-harzigen Duft. In der Ferne hört man das Knattern einer Zündapp. Am Weg parkt ein Mercedes-Benz. Ein schwäbisches Auto mit dem Berliner Kennzeichen: „1A-33“. 1A – das wollen sie alle. Denn das sind wir alle hier: 1-A! Beste Güteklasse. Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin! Das ist die große Weite Welt, das ist die Moderne, das ist der Fortschritt, und der dreht sich auch in unseren Herzen. Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Ach, wir drei. Wir sind so frei. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

November in Hamburg 2012.
Am Handgelenk immer noch ein glatter Blütenduft. Modern, frisch-zitrisch, blumig; intensiv, ohne aufdringlich zu sein. Ein Stadtparfum. Für Mann und Frau und alle dazwischen, frisch und fortschrittlich. Blumig ohne Süße. Ich kann den Glamour dieses Parfums verstehen. Auch ohne Emma G.*


* Name ist der Redaktion bekannt.
30 Antworten
Duftbetty vor 12 Jahren 19 17
10
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Rückkehr der verlorenen Tochter
Das ist das noch erleben darf. Jil von Jil Sander, die so überraschend von uns gegangen ist, ist wieder zurück. (Überraschend, weil sie von so vielen geliebt wurde und die Konzern-Entscheidung nicht nachvollziehbar war.) Aber nun ist sie zurückgekehrt, als reife Dame in Weiß. Dama bianca. Die teenagerhafte Schoko-Süße ist abgelegt, sie kleidet sich in einen fließenden Schleier aus Moschus-Süße und Vanille.

Auch hier ist der Auftakt sprizig-fruchtig-frisch. Ein Sorbet aus sonnenreifen Zitrusfrüchten. Ich habe den Eindruck, dass da etwas Beeriges drin ist, obwohl es die Pyramide nicht ausweist. Waldbeeren? Brombeeren? Himbeeren? Eine Kugel mehr bitte. Ja, Vanille unbedingt auch. Und bitte mit Sahne. Ein cremiger, vanilliger, sanfter, wohliger Genuss.

Ein Eisbecher, den man in der Sonne genießt. In der italienischen Sonne vorzugsweise, in einer Pergola, wo einem der Duft von weißen Blüten und Flieder um die Nase weht. Ich weiß nicht, was Ambrette ist, aber der Geruch von hellem Moschus erschließt sich mir sofort. Eine Köstlichkeit, die mit etwas Süßholz angerundet wird. Ist es etwa doch ein Eis am Stiel?

Es erinnert an die unbeschwerten Tage, als Jil noch klein war.
Nun ist sie als Dama bianca zurück gekehrt.
Aber immer noch verbreitet sie diese sommerliche Sorglosigkeit.
17 Antworten
Duftbetty vor 12 Jahren 22 17
10
Flakon
2.5
Sillage
8
Duft
"Auf der Suche nach der verlorenen Zeit"
Meiner Freundin Rike gewidmet.


"Petit Cherie" ist, wie der Name schon sagte, ein kleiner Schatz. Ein frühlingsfrischer Strauß mit Wiesenblumen, und ein herrliches bezauberndes Obstkörbchen, in dem ein etwas reiferer Pfirsich und viele grüne Birnen ruhen.

Ja, Birnen, mit ihrem zarten, lieblichen Geruch. Ihrem feinen weißen Saft. Man möchte Omas Reisemesser mit dem Bambusgriff durchgleiten lassen, aber das wäre zu preußisch, zu deutsch, zu bieder.

Bei Birnen fällt einem ja – zumal in Deutschland – sofort der wunderbare Fontane und sein „Ribbeck von Ribbeck im Havelland“ ein: Brandenburger Sand, Spätsommer, Altweiberlüftchen. Aber das trifft es in keinster Weise.

"Petit Cherie" ist unverkennbar eine kleine, aparte Französin, die den Frühling mitgebracht hat. Keine kapriziöse Femme fatale, sondern ein bezaubernde junge Dame, der man Gedichte schreiben möchte.

Mich erinnert "Petit Cherie" an eine Szene, die ich meine (es ist schon 20 Jahre her, deshalb diese relativierende Formulierung) in Marcel Prousts Romanzyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ gelesen zu haben:

Baron de Charlus lädt seine Liebe zum Essen in ein Restaurant ein, das auf einer Anhöhe gelegen ist, so dass man über die erblühende Landschaft blicken kann. Während Charlus seinem Gegenüber mit Grandezza das teuerste Essen auf der Karte spendiert, bestellt er sich selbst lediglich zwei kleine Birnen. Doch in seinen Händen werden sie zum wahren Festmahl: Er schält sie, berauscht sich an ihrem Geruch, liebkost sie mit seinen Lippen, lässt sie auf der Zunge zergehen, preist die Vorzüge der Birne gegenüber dem ordinären Apfel an... Und während er so versonnen erzählt, wird deutlich, dass all die zärtlichen Worte nicht dem Obst sondern seinem Gegenüber gelten. Charlus sagt es nicht durch die Blumen sondern durch die Birne.

Es ist ein Sinnbild für eine erwachende Liebe. Es ist nicht die Liebe sondern dieses fragile Moment des Verliebtseins, der hier beschrieben wird. „Petit Cherie“ ist kein Liebesgedicht sondern eine Ode an das Frühlingserwachen. Zart, zärtlich, zauberhaft.

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PS: Ich möchte diesen Kommentar meiner Freundin Rike widmen, die mir, seitdem sie weiß, dass ich bei parfumo aktiv bin, ihre Sammlung zur Verfügung gestellt hat. Darin befand sich auch dieses wunderbare "Petit Cherie". Für mich ist es nichts. Ich brauche schon orientalische Wucht, aber für sie – ein Gedicht!
17 Antworten
Duftbetty vor 12 Jahren 19 21
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
„Es riecht so gut, pass auf, dass du nicht geschnappt wirst ...“
Selbstverständlich weiß ich nicht so ganz, wie Schwarzer Afghane riecht. Das hat aber weniger damit zu tun, dass ich kein Erkenntnisinteresse in dieser Richtung gehabt hätte, sondern eher damit, dass ich mir in meiner grenzenlosen Teenie-Naivität in den einschlägigen Ecken von Frankfurts Grüneburgpark immer mit Schuhcreme gestrecktes Zeug habe andrehen lassen, und so eher als Expertin für verbrannte Terpentinöle gelten kann als für psychoaktive Harze. Etwas sicherer bin ich hingegen bei Marihuana, weil ich nach diesen demütigenden Schlappen schließlich auf Purple Haze umgestiegen bin; das war einfacher und kalkulierbarer.

Soweit zu meinen Vorkenntnissen. Aber die müssen ja, wenn Nasomatto in der Namensgebung seines Stoffes schon so verwegene Andeutungen macht, für die Bewertung und Beschreibung herangezogen werden. Ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt.

Was aber hat das alles mit Black Afghano zu tun? Zunächst einmal nicht viel. Denn der Auftakt geht – Wummms! – mit einem lauten Alkohol-Knall los, der direkt ins Hirn steigt. Ob das (wenn wir schon bei den Möglichkeiten sind, sich ins Rausch-Nirvana zu katapultieren) der Effekt ist, den sich die Londoner City-Boys erhoffen, wenn sie sich in der Mittagspause Wodka vom Kaffeelöffel durch die Nase ziehen? Mich erinnert das eher an das Haarspray meiner Mutter, das ich mir mal aus Versehen in die Augen gesprüht habe. Viel Sprit, aber auch viel klebrige Süße. Nichts, was man freiwillig nehmen würde. Doch hat man sich von diesem fulminanten Auftakt erholt, entfaltet sich die dezente, sinnliche Aura von gemahlenem Kaffee-Pulver, und, jaja!, endlich das Hanf-Thema: Es hat aber weniger mit den lieblichen Schwaden aus dem Jugendzentrum zu tun, sondern eher mit dem Geruch, der sich entwickelt, wenn man bei der Hanfverarbeitung auf ein paar Samen stößt und die der besseren Bekömmlichkeit wegen zerreibt. Gemörste Hanfkörner, rauchig, erdig, krautig, harzig, dunkelgrün, münden dann in eine ebenfalls harzige, aber eher dunkle Oudnote, die einen wohlig und sehr anhaltend ummantelt. Einfach wunderbar und wirklich einnehmend. Auch Oud soll ja, nun, sagen wir mal: das Gemüt und die Seele streicheln. Und mit diesem angenehmen Ende ist man ja zum Glück endlich raus aus der illegalen Zone und geht ohne Scham seines Weges. Der Name Black Afghano? Nur Schall und Rauch!

Was mich allerdings stutzig macht, ist eine Begegnung auf dem Wochenmarkt am Biogemüse-Stand, wo mich die Händlerin auf meine Duftaura ansprach, und mir mit wissender Miene zuzwinkerte. Ich möchte ungern Vorurteile bemühen, aber ihr Look – Hennahaare, selbstgestrickter Schafswollpullover, Birkenstock am Fuß – lässt einiges vermuten, und ich hätte sie, wäre ich Polizistin an der deutsch-holländischen Grenze, sofort angehalten. Ich habe mich stotternd rausgeredet, und sie an die „Parfümerie Meister“ weiterverwiesen, einen der unverfänglichsten Orte in meinem Stadtteil. Aber sie lachte weiterhin konspirativ, und als ich mich verabschiedete, flüsterte sie nicht nur ihren Kollegen etwas zu, sondern stimmte Nina Hagens Song „African Reggae“ an: „Es riecht so gut, pass auf, dass du nicht geschnappt wirst ...“

Also doch back to Black (Afghano)?
21 Antworten
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