Harielle

Emma Watson wird dieser Tage dafür gefeiert, dass sie unlängst verkündete, mit sich selbst verpartnert zu sein, was eine durchaus elegante Beschreibung ihres Singlestatus darstellt. Ich mag Emma Watson und Genderfragen und -themen sind mir nicht grundsätzlich gleichgültig, habe ich doch meinen Filius einst sogar in einen gendersensiblen Kindergarten geschickt (sollte er später ein Macho werden, ist es also wirklich nicht meine Schuld). Ob das Mit-sich-selbst-verpartnert-sein wirklich so aufsehenerregend oder die Resonanz lediglich Emmas Bekanntheitsgrad und ihrer Cleverness (bzw. der ihres PR-Teams) zu verdanken ist, sei dahin gestellt.

Gerade Frauen ohne ein männliches (oder weibliches) Wesen an ihrer Seite – und hier kommt das Thema Gendersensibilität durchaus zum Tragen – werden oft abfällig als defizitär betitelt. Somit ist es aus meiner Sicht erfrischend, wenn gerade Frauen deutlich machen, dass auch ein Leben mit sich selbst erfüllend sein kann. Was ebenfalls eher im Zusammenhang mit alleinstehenden Menschen thematisiert wird, ist die Frage, wie selbstbewusst und ausgeglichen diese sind, dabei ist „(…) die Fähigkeit, allein zu sein, die Bedingung dafür, in der Lage zu sein, zu lieben.“(Erich Fromm)

Ich kann mich selbst gut riechen spielt hier nicht etwa auf mehr Mut zum Eigengeruch (Sissel Tolaas) eines jeden Menschen an, sondern auf die Frage, wie gut man mit sich selbst auskommt. Ein wenig Unterstützung olfaktorischer Art kann in dieser Hinsicht nicht schaden und so möchte ich hier einen Duft für mit-sich-selbst-verpartnerte Menschen von einer eigenwilligen Parfum-Manufaktur aus Deutschlands Hauptstadt präsentieren:Chatelaine von Harry Lehmann.

Chatelaine, die Schlossherrin füllt mit ihrem Duft mühelos das ganze Anwesen. Kompromisslos fällt einen nach dem Auftragen die Kopfnote aus faszinieren synthetischer Zuckerwatte gemischt mit einer leichten Klebstoffnote (oder ist sie krautig?) und leicht staubig anmutenden Blüten an. Die Dame ist wirklich kein Mauerblümchen, so viel steht fest. An dieser Stelle trennt sich die Testgemeinde in jene, die vor diesem olfaktorischen Kopfnoten-Hui-Buh reißaus nehmen (nach dem Motto, ist Chatelaine zu stark, bist du zu schwach) und die glücklich mit-sich-selbst Verpartnerten, die mutig und neugierig dem süssen Lockstoff aus Lehmanns Flakon folgen. Crème Caramel, süsse Beeren und weiterhin Zuckerwatte (Maltol?) übernehmen in der Herznote das Ruder und ja, dieses Ruder wird eifrig geschwungen! Eine nächtliche Bootsfahrt im Mondschein im hauseigenen Burggraben, am Ruder sitzt ein finsterer Geselle in Schwarzer Kutte einem Ringgeist aus Der Herr der Ringe gleich, kann dieser Chatelaine nichts anhaben. Samtig schillernd zieht sie eine köstliche Duftfahne hinter sich her. Manch ein Romeo, der ihr folgen wollte, ist im Burgraben ertrunken, weil er betört von Chatelaines Duft die Tiefe des Wasser unterschätzte und ihn die trockene-erdige Patchouli-Wolke der Herznote unbarmherzig in die Tiefe zog.

Es bedarf nicht unbedingt eines eigenen Schlosses, um Chatelaine angemessen auszuführen. Lediglich eine gewisse Kühnheit und Kühle (die Aussentemperaturen betreffend, besser nicht bei über + 20 Grad tragen) halte ich für obligatorisch, um sich von der Schlossherrin einlullen zu lassen. Damit aus Chatelaine keine Vogelfreie wird, sollte frau (wie auch der geneigte männliche Chatelaine-Träger) unbedingt auf eine sozial verträgliche Dosierung achten, sonst entwickelt sich das zufriedene Mit-sich-selbst-verpartnert-sein schnell zum kitschigen Me-myself-and-I-Selfie, das keine/r mehr sehen (und riechen) will. Ich hatte mir eigentlich aus (falscher?) Sparsamkeit Chatelaine im Flakon ohne Vaporisateur bestellt und verblüfft festgestellt, dass dieser Duft aufgetupft genau richtig dosierbar ist und so seinen mystischen Zauber ideal entwickelt – auch bei glücklichen Beziehungsmenschen.

Mein Großvater mütterlicherseits war ein großer schweigsamer Mann, der seinen Garten über alles liebte. Neben zahlreichen (Obst-) Bäumen und Blumenbeeten wuchsen auf den über 1000 qm2 Kartoffeln, Himbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren und andere Köstlichkeiten. Sogar eine kleine Feuerstelle hatte er in einer Ecke des Gartens geschaffen. Hier rauchte er hin und wieder eine Zigarre, was in unserer deklarierten Nichtraucherfamilie offiziell keiner wusste, aber ihm auch niemand „madig“ machte. Apropos Maden, diese hatten ein hervorragendes Betätigungsfeld auf dem großen Komposthaufen, dem wir Kinder nur nahe kamen, wenn unsere resolute Großmutter uns bat, kompostierbare Küchenabfälle dorthin zu bringen. Besonders im Frühling war die Luft dieses paradiesischen Ortes von blumigen Düften erfüllt. Das Parfum Jacinthe der russischen Nischenmarke Myropol gleicht einer Zeitmaschine, die mich Jahre zurück in den Garten meiner mittlerweile verstorbenen Großeltern transportiert.

Jacinthe steht bereits im Auftakt in voller Blüte, ich assoziiere unwillkürlich die Farbe Lila/Violett wenn ich direkt nach dem Aufsprühen daran schnuppere. Neben der Hyazinthe rieche ich weitere helle Blüten und einen leicht scharfen Akzent im Auftakt. Scharf?! Ja, scharf und sehr, sehr leicht in Richtung Klebstoff gehend, was wahrscheinlich dem Einsatz ozonischer und indolischer Noten geschuldet ist. Dieser leicht scharfe Duft existiert übrigens auch bei „echten“ Hyazinthen in voller Blüte, wie ich in Großpapas Garten während meiner Streifzüge erfahren durfte.

Nach einigen Minuten wird Jacinthe sanfter und entwickelt sich zu einem runden Bouquet - allerdings stets mit frischer und frühlingshafter Anmut. Vanille und Zimt kann ich nur erahnen, sie tragen die üppigen Blüten und deutlich wahrnehmbaren grünen Noten mehr als dass sie hervor treten.

Getragen wird Jacinthes üppiger Strauß von einer Basis aus Moschus und harzigem Styrax. Diese Akkorde wirken ebenfalls sehr "natürlich", womit ich versuche auszudrücken: der Duft verkörpert durchgehend einen sehr ungekünstelten, elementaren Charakter. Dies ist es auch, was mich auf diese schöne Zeitreise in den Garten meiner Großeltern katapultiert, eine Reise, die dank der guten Haltbarkeit von Jacinthe auch nicht zu schnell endet.

Von einigen als ein "Tolles Coco M. Dupe" gefeiert, von den anderen als „Kaffeekränzchen im Altenheim“ abgestraft, habe ich mir Suddenly Madame Glamour endlich mal vor die Nase genommen.

Suddenly Madame Glamour startet ein wenig schrill mit einer blumigen, leicht synthetisch-fruchtigen Note, die nach rund 10 Minuten runder und angenehmer (für meine Nase) wird. Fruchtig pudrige Noten treten nun stärker hervor, dies ist wahrscheinlich einer Moschusnote geschuldet. Vom Duft-Charakter her stelle auch ich bisher eine Ähnlichkeit zu Coco Mademoiselle fest, wobei ich letzteren als weniger blumig in Erinnerung habe.

Nach weiteren 10 Minuten rieche ich eine stärkere Jasminnote heraus, die allerdings recht synthetisch daher kommt. Die fruchtigen Noten werden schwächer, dafür tritt eine Vanille-Nuance nun kräftiger hervor.

Nach rund einer halben Stunde stelle ich keine weitere Entwicklung im Duftverlauf fest. Es verbleibt ein blumig-pudriger Hauch, getragen von Vanille und Moschus auf der Haut. Ein wenig steril, quasi porentief rein empfinde ich Suddenly Madame Glamour - nicht unangenehm und doch kein Duft, den ich gerne tragen würde. Eine Ähnlichkeit zu Coco Mademoiselle ist aus meiner Sicht vorhanden, doch ist Suddenly Madame Glamour eher die ordentlich gewaschene bürgerliche Madame Sans-Gêne, denn eine vielschichtige Mademoiselle aristokratischer Herkunft.

Fazit:

Von den Drogerie- und Discounterdüften, die ich bisher kenne, ist Suddenly Madame Glamour einer der angenehmeren Vertreter, da die mir oft unangenehme vanillig-süße Plastiknote bei diesem Duft ausbleibt. Die Haltbarkeit von Suddenly Madame Glamour auf der Haut ist allerdings eher schwach, doch bei dem Preis sprüht die geneigte Trägerin sicher gerne nach.

In "Harry Potter und der Stein der Weisen" erhält Harrys schusseliger Klassenkamerad Neville Longbottom eines Tages ein Erinnermich (genannt Remembrall in der originalen Fassung), eine magische Warnanzeige für Vergessliche. Das Erinnermich sieht aus wie eine große Murmel, die weißen Nebel enthält. Hat man etwas vergessen, so färbt sie sich glühend rot. Das rosarote Mon Guerlain ist - aus meiner Sicht – hingegen ein Umarmemich, eine magische Aufforderung, von Menschen, die man liebt, umarmt zu werden.

Dieses Umarmemich ist der jüngste mit Spannung erwartete Damenduft aus dem Haus Guerlain (erschienen 2017). Unübersehbar beworben mit Angelina Jolie, bezeichnete diese Mon Guerlain werbewirksam als „Mein unsichtbares Tattoo“ (naja...).

Was macht Mon Guerlain zum Umarmemich? Nun, der Auftakt wird von zartem, pudrigen Lavendel bestimmt, der leicht von zitrischen Noten untermalt wird. Weiche, schmeichelnde Gourmandnoten, die mich entfernt an Marzipan erinnern, treten in der Herznote hervor. Offiziell gelistet sind Jasmin-Sambac, Paradisone und Cumarin. Der oft lautmalerische Jasmin wurde hier zurückhaltend eingesetzt und da ich von Paradisone keine olfaktorische Vorstellung habe, vermute ich dass dieses, gepaart mit Coumarin (das ja auch aus Tonkabohne gewonnen werden kann) den einladenden, pudrig-sinnlichen Duftcharakter mitbestimmt. Generell nehme ich fast im gesamten Duftverlauf deutlich Vanille wahr, auch wenn diese erst in der Basis gelistet ist. Mich erinnert die Herznote Mon Guerlains an die herrlichen Macarons, die mein Söhnchen neulich mit großer Begeisterung im exklusiven Londoner Caffe Concerto naschte.

Vanille ist es, die den Duft in der Basis gepaart mit Iris und Sandelholz trägt. Mon Guerlain schwimmt zwar deutlich auf der aktuell sehr hippen Welle der Gourmandüfte mit, ich stufe ihn jedoch als erwachsenen Gourmandduft ein, dem es an Eleganz für offiziellere Auftritte nicht mangelt. Ich winke an dieser Stelle mal verschmitzt in den von Turandot hier einst genannten Elfenbeinturm rüber zu den Nischenduft-Fans, nix für ungut Leute, aber es gibt in beiden Segmenten Licht und Schatten.

Mon Guerlain ist vielleicht nicht die Neuerfindung des Rades, jedoch qualitativ ein hochwertiger guter, schöner und haltbarer Duft (ich nehme ihn deutlich 6 Stunden wahr) und ich freue mich, dass ihn mir der Osterhase 2018 ins Nest gelegt hat. Meinen Favoriten Shalimar Parfum Initial, der leider nicht mehr produziert wird, stößt er nicht vom Sockel, doch er wird mir sicher noch viele Umarmungen meiner Familie und Freunde einbringen.

Der Flakon von Mon Guerlain entspricht der zeitlosen Eleganz des 1908 von Gabriel Guerlain entworfenen emblematischen Quadrilobé-Flakon. Den Namen verdankt er übrigens dem massiv gearbeiteten Verschluss, dessen „vierblättrige“ Form vier Kleeblattbögen darstellt.

Mon Guerlain ist ein schönes Kind seiner Zeit, ob meine Freude an diesem Duft anhält wird sich in Zukunft zeigen.

Mit 18 oder 19 Jahren verlebte ich einen sehr schönen Urlaub in der französischen Provence. Sonnenuntergänge in Cassis, baden an den wunderschönen Calanques, Pastis trinken in Aix en Provence (brrrr, den Geschmack mochte ich gar nicht), Übernachtungen in sehr typisch französischen Pensionen mit bordeauxfarbenen wild gemusterten Textiltapeten an den Wänden. Die Fenster nachts offen – puh, es ist so heiß – auf der Straße lachende Passanten, Musik in der Ferne. Die Fahrt zum Pont du Gard – lachen – wir waren heute noch gar nicht schwimmen! Nach Erkundung und mehrfacher Überquerung des Points – uh, ist das hoch - schnell ein paar Dinge aus dem Auto geholt und entlang des Gard ein einsames Plätzchen gesucht. Gefunden! Eine Art Insel inmitten des ohnehin flachen Flusses. Schwimmen - unmöglich, Erfrischung im Wasser tut dennoch soooo gut. Steine unter meinen nackten Füßen im Wasser, Sonne auf meiner und seiner Haut - unser Paradies. Umgeben von Planzen und wilden Blumen. „Psst, duck dich, ich glaube, da kommen Leute.“ All das kam mir unwillkürlich in Erinnerung, als ich das erste Mal Grain de Soleil von Fragonard testete. Mitten im Winter in Paris, nach dem Besuch des Fragonard-Shops auf dem Boulavard Saint Germain, fühlte ich die provenzalische Sonne auf meiner blassen Nase und meinte, das Rascheln der duftigen Gräser im Sommerwind um mich herum zu hören.

Grain de Soleil ist ein kleines sonniges Wunderwerk im Flakon. Blumig-samtig der Auftakt aus Orangenblüten und - vor allem - Heliotrop. Der Jasmin schwingt eher leise mit. Die Herznote tritt pudrig und ein wenig würzig hervor. Letzteres dürfte auch dem gelisteten Zimt zu verdanken sein, den ich jedoch nur verhalten wahrnehme, andernfalls hätte ich Grain de Soleil nicht automatisch mit Sommer und Wärme assoziiert. Die Pudrigkeit ist der schönen Iris zu verdanken und lässt mich kurz an Shalimar Parfum Initial denken. Hier hat sich die Iris jedoch mit Rose verbündet und winkt schonmal strahlend lächelnd der Vanille, die mit Weihrauch und Patchouli in der Basis auf ihren Auftritt warten. Nach rund zwei Stunden ist es so weit. Wie ein wunderschöner Sonnenuntergang nach einem glutheißen Sommertag, kündigt sich die Basis des „Samenkorns in der Sonne“ (so lautet der Name des Duftes direkt und simpel übersetzt) an. Vanille und Weihrauch feiern ein vibrierendes Stelldichein, Patchouli summt eine bezirzende Melodie dazu.

Nach unserer Rückkehr aus Paris kramte ich in meinem Schmuckkästchen und fand jene Ohrringe wieder, die ich mir bei der geschilderten Reise in Avignon gekauft habe, ich mag sie noch immer! Grain de Soleil ist ein Duft, den ich auch Leuten, die keine blumigen Düfte mögen empfehlen würde, da sein Charakter eher pudrig würzig ist. Ideal für den Sommer(-abend) auf dem Balkon oder auch für triste Jahreszeiten, in denen man einen sonnigen, warmen „Booster“ gebrauchen kann. Die Haltbarkeit von Grain de Soleil ist ausgezeichnet, auch nach 5 Stunden rieche ich die mit Blüten und Gewürzen gespickte Vanille. Frauen (aber klar, auch Männern!) mit längeren Haaren würde ich raten, im Hochsommer einen Sprüher in die Haare zu geben – das ist die dezenteste Möglichkeit Grain de Soleil den ganzen Tag um sich zu haben.

Ich habe Grain de Soleil eine 10ml-Abfüllung lang sehr genossen. Ob ich ihn mir einmal in der originalen Version zulegen werde, weiß ich noch nicht.