Siebter

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6 - 10 von 49
Siebter vor 9 Jahren 15 3
Guter Duft, um alle Brücken hinter sich abzubrechen
Die Eröffnung von Cobra ist ungewöhnlich, Autositzleder und eine butterweiche, fast mandarinige Zitrone – man ahnt schnell, dass man es hier nicht ausschließlich mit natürlichen Essenzen zu tun haben wird, aber dieser Auftakt ist so eigen, überzeugend und mitreißend, dass ich Ansprüche auf Natürlichkeit nur zu gerne beiseite lege. Frisch und dennoch tief, wirklich fein.

Canary ist ein Duft voller Kontraste, er hat einen sequenzartigen Verlauf mit klar abgesetzten Szenen. Bereits der helle und positiv aufgeladene, aber auch raue und verwegene Auftakt stellt das Leder in den Mittelpunkt. Diese Ledernote zeigt sich im weiteren Verlauf sehr abwechslungsreich, aber niemals gemütlich und gediegen wie der Sessel in einem exklusivem Raucherclub oder dergleichen. Die fast opake Zitrone wird bald leiser, die zunächst helle und etwas vinylartige Ledernote erfährt nun mit Iris und Heu einen eindeutigeren Kontext. Durch den starken Kontrast zum Auftakt gewinnt Cobra fast ruckartig an Geschwindigkeit, die mikrofeine Iriswurzel wird zu Straßenstaub, das süßliche und grüne Heu zeichnet klare Bilder von vorbeiziehenden Landschaften, die von der Mittagssonne aufgeheizt werden.

Überhaupt ist Canary ein Duft, der nicht von dunklen Nächten erzählt, sondern von hellen, sonnendurchfluteten Tagen, er ist nicht hypnotisch oder geheimnisvoll, sondern voller Aufbruch. Dabei wirkt diese vorbehaltlose Entschlossenheit und Dynamik jedoch niemals aggressiv oder grob, sondern ist mit einer Art Sonic-Youthschen Sonnenbrillencoolness grundiert (falls Du Sonic Youth noch nicht kennst: https://tinyurl.com/odk9qrv). Heu und Leder schaffen zusammen eine sehr dichte, fast schwüle und dennoch dynamische Stimmung, dabei verstärkt sich der synthetische Vibe des Leders sogar noch (und erinnert mich zu diesem Zeitpunkt ein wenig an Skai von Comme des Garçons). Das klingt fordernd und ist es durchaus – Cobra lotet konzeptionelle Grenzen aus, zeichnet dadurch allerdings auch sehr eindeutige Bilder.

Über einige Stunden bleibt das Triumvirat aus Leder, feuchtgrünem Heu und Straßenstaub bestimmend, wobei das Leder sich ausgeprochen wandlungsfähig zeigt. Der synthetische Eindruck verschwindet nach etwa drei Stunden, im weiteren Verlauf wird das Leder facettenreicher, zeigt sich mal dunkler, wandelt sich von glatt zu rau, zieht sich ein wenig zurück, um dann wieder in den Vordergrund zu treten. Alle Protagonisten von Canary sind in Bewegung, nichts ist statisch oder isoliert. Dieser überaus lebendige Eindruck wird durch die zwar eher hellgüne, aber sehr feuchte und ein wenig an dampfende Leiber erinnernden Heunote massiv unterstützt. Wie schon angedeutet, Cobra ist nicht gerade ein Füllhorn an natürlich erscheinenden Rohstoffen, aber es ist sehr sehr organisch.

Mit der Zeit überzieht das feuchtgrüne Heu (welches mich übrigens sehr an das Grass-Duschgel von Lush erinnert) das immer staubiger werdende Leder, der Duft wirkt dadurch runder, geschlossener und damit auch gelassener. In der Basis zeigen sich sehr leise würzige Anklänge, vor allem aber eine mir bis dato unbekannte erdige und florale Note – ich weiß nicht, ob das die in der Notenaufstellung erwähnte Tabakblüte ist, aber diese Note ist ausgesprochen interessant, torfig und etwas seifig. Nach etwa acht Stunden wird der bis dahin sehr präsente Duft hautnah, rund zwei Stunden später ist er verschwunden.

Cobra fordert Aufmerksamkeit. Ich weiß nicht, ob ich ihn besonders oft tragen würde, wenn ich ihn besäße. Die fast filmische Qualität der Entwicklung ist andererseits aber absolut überzeugend und sogar faszinierend, wenn sie sich auch eher in einem emotionalen denn bildhaften Ablauf ausdrückt.
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Siebter vor 9 Jahren 11 7
Zwei Badende verfolgen sich in einem Badehaus in Baden-Baden
Die Überschrift klingt etwas konstruiert, aber Mosaic erzählt laut der Webseite von Imaginary Authors genau diese Geschichte, basierend auf einem fiktiven Roman des ebenfalls fiktiven Autors Warren Hahn. Das auf sämtliche Düfte von Imaginary Authors angewandte Konzept erfundener Romane und deren Schriftsteller ist clever, denn es benötigt nur wenige nicht ausgeführte Informationen, um ein farbiges Paralleluniversum entstehen zu lassen. Die losen Enden verknüpfen sich dank der Vorstellungskraft des Trägers im Idealfall ganz von selbst – zumindest dann, wenn der umschriebene Duft es schafft, der Bildhaftigkeit der Umschreibung zu entsprechen.

Mosaic spielt also in Baden-Baden, die zwei Hauptprotagonisten (oder Protagonistinnen, das Geschlecht der beiden wird nicht erwähnt) erzählen abwechselnd, wie sie sich in einem Thermalbad namens „Friedrichsbad“ (welches tatsächlich existiert) gegenseitig von Badehaus zu Badehaus verfolgen. Mit steigender Hitze verdichtet sich laut Buchbeschreibung die erotische Wucht der Handlung, viel mehr wird eigentlich nicht preisgegeben. Wie gesagt, ein paar lose Enden sind eingeplant, die angedeutete Handlung und der sich aus dem Schauplatz ableitende Name des Romans / Parfums schaffen jedenfalls schon mal einen bildhaften Kontext.

Es fällt mir von Anfang an leicht, den Duft mit diesem Kontext zu verbinden. Er beginnt zitrisch, leicht bitter und mit einer an frische Küchenkräuter erinnernden Note, ist dabei aber angenehm trocken. Mosaic wirkt zunächst wie ein lupenreines Cologne, erfrischend, hell und spritzig, aber keinesfalls altmodisch. Die Trockenheit entwickelt sich schnell zu einem mineralischen, fast kalkartigen Grundton, was den Duft weiträumig erscheinen lässt.

Mosaic ist ein demokratischer Duft, seine Teile wirken absolut ausgewogen und gleichberechtigt. Die Art der Notensetzung erinnert mich sehr stark an die typische Kolorierung der Comics von Hergé, flächig, ohne Schraffuren oder Farbverläufe (ein Beispiel: https://tinyurl.com/lfv2eob). Die Transparenz wird zudem noch durch etwas gefördert, was in der Notenpyramide mit „Grundwasser” umschrieben wird; das klingt vielleicht ein wenig ambitioniert, umschreibt aber tatsächlich sehr gut die kühle und wässrige, dabei keineswegs aquatische Grundlage der Herzphase. Die grünen Kräuter der Eröffnung wandeln sich zu einer rohen, koniferigen Waldigkeit, die sich im Kontext von Kalkstein und Grundwasser aber kultiviert und saunaartig ausnimmt. Es besteht eine gewisse Nähe zu Artek Standard von Comme des Garçons, allerdings ist Mosaic noch weitaus transparenter und weniger aseptisch. Die Stimmung ist geprägt von Zurückhaltung und Achtsamkeit. Das „Friedrichsbad“ ist nach dem Vorbild der Renaissance gestaltet worden, ich stelle mir aber eher ein Badehaus im Jugendstil vor, es sind nur wenige Gäste anwesend.

Über weite Stecken verhält sich dieser Duft ziemlich linear, lediglich etwas kratzige Zeder und ein leichtes Regenaroma nuancieren ihn. Der Eindruck der Zurückgenommenheit täuscht ein wenig; ich empfand Mosaic zunächst als ziemlich hautnah, erst unter freiem Himmel bei recht rauem und kaltem Wetter bemerkte ich, dass er überaus präsent ist. Ein Grund sowohl für die Langlebigkeit als auch für sein etwas eigenwilliges Verhalten ist ISO-E-Super, welches ich sehr deutlich wahrnehme – noch eine Eigenschaft, die Mosaic mit Artek Standard teilt. Trotz der offensichtlich hohen Dosis wirkt diese cleane und holzige Badehallennote nicht übersteuert, sondern passt sich nahtlos an die anderen Elemente an, dabei genau wie sie ganz für sich stehend.

Trotz seines erzählerischen Ansatzes ist Mosaic im Grunde sehr einfach zu tragen, ohne dass man ihm dafür seine Eigenwilligkeit absprechen müsste. Ich bin mir sicher, dass seine ausdauernde Kühle im Sommer perfekt funktioniert. Die Gegenüberstellung von organischen und mineralischen Noten ergibt eine Art behutsam agierende Dynamik, die ich als sehr angenehm empfinde. Erst nach vielen Stunden, als ich schon längst nicht mehr mit einer Wende im Duftverlauf rechne, erscheint in Form einer süßwürzigen Eichenmoosnote doch noch eine Fliege in meiner Suppe. Kompositorisch ist das absolut nachvollziehbar, zum einen verleiht Eichenmoos dem Duft eine gewisse Retroatmosphäre, die stilistisch einen interessanten Bruch innerhalb eines ansonsten modernen Parfums darstellt, ein Bruch, der sich auch in der Aufmachung von Mosaic (bzw. den Düften von Imaginary Authors allgemein) widerspiegelt, zum anderen steht Eichenmoos, soweit ich weiß, doch traditionell für eine gewisse erotische Schwüle, wie sie sich auch in der Buchbeschreibung findet. Für mich persönlich steht das Eichenmoos in der Basis zu sehr im Vordergrund, zu sehr Reminiszenz an Düfte, die mir unzeitgemäß erscheinen.

Mosaic: keine Avantgarde, aber mit einem eigenwilligen und originellen Charme ausgestattet.
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Siebter vor 9 Jahren 17 5
Affenbrotsandwich mit Birkenteersoße
Rhinoceros war der zweite Duft aus der Zoologist-Reihe aus Franfan20s Wanderpaket X, den ich testete. Vielen Dank, Franfan20!

Rhino beginnt mit ziemlich knalligem Rum, der aber bereits nach wenigen Sekunden von einer auf Birkenteer basierenden Ledernote verschluckt wird. Dieses Leder ist dunkel, bitter, zunächst sogar ein klein wenig kuhstallartig – ich bin mir nicht sicher, ob das in der Pyramide gelistete Oud dafür zuständig ist. Birkenteer ist meist sehr rauchig, hat aber auch minzige Anteile, die hier völlig fehlen. Stattdessen bilden Lavendel und Bergamotte einen vom Leder stark abgesetzten hellen und frischen Gegensatz.

Die Eröffnung ist also schon sehr heftig. Der zarte fäkale Vibe verschwindet zwar nach zehn Minuten, dafür stellt sich kurz darauf ein zwischen Heftpflaster und Möbelpolitur liegender Akkord ein. Die Herzphase ist einfach strukturiert, Leder, Rauch, Möbelpolitur – Rhino bietet nichts Süßes und keine eleganten floralen Noten, überhaupt wirkt es sehr unparfümig auf mich, genauer: unverstellt und aufrichtig. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele diesen Duft nicht als Parfum wahrnehmen, sondern als einen Duft, der jemandem eben eigen ist. Tatsächlich ist Rhino wesentlich weniger herausfordernd, als es meine bisherige Beschreibung nahelegen mag. Zu weiten Teilen ist dies seiner Performance geschuldet. Abgesehen vom explosionsartigen Auftakt ist dieser Duft recht hautnah und fühlt sich eher leicht an. Zudem werden die rauchigen und bitteren Anteile des Leders absolut perfekt durch eine funkelnde Frische ausbalanciert.

Zerlegt man Rhino in seine Bestandteile, so finden sich vielerlei Ecken und Kanten. Da ist dieses bisweilen muffige und sehr dunkle Leder, der Rauch, die durchaus wuchtige und beschwipste Kopfnote, dieser zwischen Heftpflaster und Möbelpflegemitteln liegende medizinische Touch – dennoch ergibt sich in seiner Summe daraus ein Duft, der nicht nur absolut tragbar ist, sondern sondern sogar eine verspielten Art von Noblesse und Eleganz ausstrahlt. Die Ecken und Kanten werden nicht weichgeschliffen, aber geradezu maßgeschneidert maskiert. Rhino ist fast schwarz, er hat Masse, er raucht, und trotzdem ist er federleicht und frisch.

Zoologist hat sich, kurz zusammengefasst, das Verhältnis von Mensch und Tier zum Thema gemacht. Da Rhino ein Lederduft ist und Leder als Produkt eine im Grunde ja ziemlich menschliche Angelegenheit, empfinde ich diesen Duft zunächst als eher kultiviert, zumindest nicht als ausgesprochen animalisch. Es dauert so etwa bis zur vierten oder fünften Stunde, bis sich eine subtile Savannenatmosphäre einstellt, welche allerdings durchaus für eine Wende sorgt. Stroh, etwas Staub und trockenes Holz verlagern die Szenerie nachhaltig vom Raucherclub in eine sonnenüberflutete und ausgedörrte Landschaft mit ein paar verstreuten Affenbrotbäumen. Nach wie vor ist das Leder dominant, aber nun wirkt es nicht mehr wie eine getötete, abgezogene, gebeizte und haltbar gemachte Haut, sondern wie ein Teil von etwas Lebendigem. Und von etwas Animalischem.

Trotz dieser Wende bleibt Rhino angenehm und friedfertig. Die erst ab der neunten Stunde einsetzende Basis besteht vor allem aus Sandelholz mit etwas Moschus, die birkenteerige Ledernote ist fast völlig verschwunden. Insbesondere das Sandelholz ist sehr vordergründig und vermutlich hoch dosiert, dennoch konnte ich auch bei einem zweiten Test vor der Basis nichts davon ausmachen – ich vermute, dass es diese Kombination aus Sandelholz und Moschus ist, welche Rhino trotz seiner z.T. wenig gefälligen Elemente so frisch, leicht und weich erscheinen lässt.

Ich weiß nicht, ob Rhino ein besonders außergewöhnlicher Lederduft ist, denn ich der Lederabteilung schaue ich mich eher selten um. Mir ist so was meist zu monothematisch, Rhino trug ich dagegen ausgesprochen gern. Ich war überrascht, wie leicht und feingezeichnet man eine solch dunkle und schwergewichtige Ledernote ausarbeiten kann, zudem empfinde ich seinen gemächlichen, sich über etwa fünfzehn Stunden hinziehenden Verlauf als sehr abwechslungsreich.
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Siebter vor 9 Jahren 15 3
Für jeden Leser dieses Textes schützen wir ein Stück Regenwald für die Dauer Ihres weiteren Lebens. Indem wir den Regenwald als Idee in Ihrem Kopf unterstützen.
Zoologist lernte ich vor wenigen Monaten über verschiedene YouTube-Beiträge kennen, wo die aus Kanada stammende Indiehouse-Marke derzeit häufig besprochen wird. „Indiehouse“ bedeutet, dass die Gründer zumindest nicht unbedingt ausgebildete Parfümeure sind und vor allem, dass sie aus der sich durch das Internet gebildeten globalen Parfum-Community kommen bzw. in engem Kontakt mit ihr stehen – andere Beispiele sind Slumberhouse, Kerosene, Kormanns aromatisches-blog oder Piotr Czarnecki; als Vater dieses Konzepts kann Andy Tauer gelten.

Naturgemäß wird solchen Projekten viel Sympathie entgegengebracht, mich interessierte aber vor allem das „Zoo“ in „Zoologist“. Seit frühester Kindheit liebe ich Zoos, insbesondere den Zoologischen Garten meiner Heimatstadt Berlin, der mir immer ein faszinierendes Paralleluniversum war. Gerüche und Düfte spielen beim Zooerlebnis eine gewichtige Rolle, zwischen Gorillagehege, Streichelzoo, Flusspferdhaus und Aquarium präsentieren sich zahlreiche Aromen von strohig und fäkal über algig und grün bis holzig und süßlich, die man schon ein paar Meter weiter hinter der Mauer nirgends findet, kurz: ich hoffte, etwas Derartiges in den Düften von Zoologist zu finden.

Die Berliner Pandabären konnte ich übrigens nie mit irgendeinem interessanten Geruchserlebnis verbinden, denn sie befanden sich hinter dicken Glasscheiben. Mit Panda befindet man sich dagegen sofort mittendrin, wobei ich mich eher in ein Freigehege mit viel Sonne und gelbgrünem, knochentrockenem Stroh versetzt fühle. Panda ist sehr clean und frisch, trotzdem wirkt er animalisch, aber nicht mittels solcher Noten, die im Allgemeinen so kategorisiert werden – da ist nichts Urinöses oder Fäkales, aber dieser Duft scheint eindeutig zu einer anderen Spezies zu gehören. Durchaus fremd, aber keinesfalls unangenehm. Von Beginn an offenbart sich der für mich äußerst interessante Dualismus, welcher dem Prinzip Zoo und damit auch den Düften von Zoologist zugrunde liegt: Zoos sind randvoll mit wildem Dschungelgetier, gefährlichen Reißzähnen, bizarren Federkleidern und lautem Gebrüll, aber all das ist sorgsam eingegrenzt hinter hohen Zäunen, Glas und tiefen Gräben. Bei den Düften von Zoologist zeigt sich dieser Dualismus im Spiel zwischen Authentizität (die sich zudem thematisch in recht engen Grenzen bewegen muss) und Tragbarkeit, was sich auch sehr schön in der Gestaltung der Flakons dieser Marke zeigt. Panda wird, wie ich finde, beiden Prinzipien gerecht.

Neben dem gelbgrünen und wunderbar frischen Stroh erahnt man bald eine wirklich schöne Bambusnote, die weite Teile der Duftentwicklung bestimmt. Deutlich grüner und holziger als die Strohballen, dabei jedoch genauso trocken und luftig wird sie mittels Mimose (floral, holzig, trocken) und Pfeffer (you know) immer wieder locker aufgewirbelt. Das duftet wirklich extrem gut – und dabei absolut originell. Die Atmosphäre verschiebt sich nun vom Freigehege in Richtung Tropenhaus, denn es wird wärmer und grüner. Mit dickflüssigen Pflanzensäften gefüllte florale Noten kommen in den Vordergrund, Panda wird etwas schwerer, aber nie dumpf oder anstrengend. Im Gegenteil: dieser Duft ist sehr entspannt, betont friedfertig sogar. Seine Originalität dürfte er zu weiten Teilen diversen synthetischen Stoffen verdanken, dies fällt jedoch nie unangenehm auf. Gemächlich und still wandelt man über weichen Waldboden an dichten Sträuchern vorbei und lauscht unbekannten Vögeln. Alles ist tropisch und doch irgendwie frühlingshaft.

Was diesen Duft neben der ziemlich gut getroffenen Zoo-Atmosphäre für mich interessant macht, ist der wirklich gelungene Spagat zwischen Experimentierlust und Tragbarkeit. Panda erfüllt sehr viele Ansprüche, die man an ein Parfum so haben kann: er ist frisch, gutgelaunt, vielseitig einsetzbar und zudem mit guter Haltbarkeit und Präsenz gesegnet, dies alles wird aber mittels kreativer Herangehensweisen erreicht, die einerseits angenehm verspielt wirken und andererseits genau ihren Zweck erfüllen und somit eine Bildhaftigkeit erreichen, die ich bisher selten gefunden habe.

Panda bleibt während seiner Entwicklung weiterhin raschelig und sattgrün, dabei sehr entspannt. Um seinen recht stabilen Bambuskern wabert zur Basis hin immer mehr Wasserdampfmoschus, was seine cleane Anmutung weiter verstärkt, aber auch seinen Charakter etwas mehr von der Natur zur Kultur verschiebt. Insgesamt bleibt die eigentümliche Mischung aus trockenem Bambus, Stroh und bisweilen süßlich-grünen floralen Noten aber bestimmend, über die gesamte Entwicklung zeigen sich überzeugende Szenarien zwischen Zoo und Dschungel, abwechslungsreich zwischen schön herausgearbeiteten Gegensatzpaaren pendelnd.

Ich habe diesen Duft nur einmal getragen, Gelegenheit dazu gab mir das von Franfan20 organisierte Wanderpaket X (vielen Dank dafür!), ich kann daher nichts zu Komplimenten oder der Wettertauglichkeit von Panda schreiben, aber ich kann bestimmt sagen, dass sowohl Zoologist als auch Panda überaus interessant sind.
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Siebter vor 9 Jahren 42 16
Blutstropfen im Schnee
Laine lernte ich im Frühling des vergangenen Jahres kennen und es fällt mir sehr leicht, mir mittels dieses Dufts die ungemein positive und eindrückliche Erfahrung, die ich zeitgleich machte (und die ich hier nicht näher ausführen will) wieder ins Gedächtnis zu rufen. In erster Linie zeigt dies eins: früher oder später lädt sich jeder Duft mit Bildern, Erinnerungen und / oder Gefühlen auf, entscheidend ist dafür lediglich eine gewisse Frequenz oder (wie in diesem Fall) die Wucht der gleichzeitig gemachten Erfahrung. Da diese positive Aufladung ganz am Anfang stand, konnte ich bei meiner weiteren Auseinandersetzung mit Laine immer wieder darauf zugreifen, und ich glaube, das hat es mir etwas einfacher gemacht, mit ihm umzugehen.

Denn Laine selbst bietet eigentlich nur wenige Andockmöglichkeiten für das Schöne und Gute. Ein Parfum zu sein, ist so ziemlich das einzige Zugeständnis, zu dem es bereit scheint, alle weiteren Ansprüche werden mit strengen Blicken abgestraft. Weder sinnlich noch gefällig und noch nicht mal per se hochwertig anmutend ist dieser Duft, auf Fragrantica und Parfumo werden sogar Vergleiche mit Waschmitteln und Geschirrspülern bemüht, von mir nach Eindrücken befragte Mitmenschen assoziierten zuverlässig als erstes „Seife“ (und wirkten ansonsten eher unschlüssig). Die Notenpyramide weist im Grunde allenfalls eine Naturreferenz auf und listet ansonsten ausschließlich synthetische Noten.

Laine ist kalt, bitter, spröde und scharfkantig und es gibt tatsächlich nichts, was diese Eindrücke mildert oder abfedert, kein ausgleichender Gegensatz und keine versöhnliche Wendung. Laine ist hart und sehr ernst. Zu Beginn überwiegt der schon erwähnte seifige und vor allem stark metallische Eindruck, der in mir das Bild eines Sektionssaals heraufbeschwört, trotz einiger kleiner Tropfen Blut blitzblank und aseptisch wirkend. Laine ist ein heller und strahlender Duft, dabei aber nicht klar, sondern opak wie Eisschollen, die auf einem See schwimmen. Obwohl ich diesen Duft schon einige Male trug, schockiert mich dieser grimmige Auftakt jedes Mal – da ist wirklich nichts, was ich lobend jemand anderen vermitteln könnte.

Die gleißenden Metallaldehyde ziehen sich nach etwa einer Stunde zurück, davon abgesehen ist Laine linear; weder verschwindet eine Note, noch erscheint eine neue. Moschus nehme ich kaum wahr, Cashmeran dagegen sehr stark (etwas holzig, kreideartig, aber auch an Himbeeren erinnernd). Grundsätzlich erscheint eine Auseinandersetzung mittels der Notenpyramide aber fast sentimental, denn Laine wirkt letztlich referenzlos.

Nun soll ein Parfum ja nicht nur interessante Betrachtungen wert sein, sondern auch getragen werden. Zu welchen Gelegenheiten Laine passt, ist nicht so leicht zu beantworten, sofern man nicht Vorschläge wie „Um einsam und aus Überzeugung im Schnee zu verhungern“ gelten lässt. Immerhin ist dieser Duft wirklich überaus sauber. Vergleiche ich Laine mit ähnlich hypercleanen Düften wie Andrea Maacks Craft oder Pradas Infusion d'Homme, so kann ich vieles aufzählen, was IdH und Craft zusätzlich zu dieser magischen Reinheit auszeichnet, aber nichts, was Laine darüber hinaus ausmacht. Was ihn absetzt, ist lediglich das extrem ausgereizte Prinzip seiner Reduziertheit, die sich in seiner skelettalen Struktur zeigt; diese ergibt keinen farblosen und zurückhaltenden Duft, sondern mündet in einen Eindruck von absoluter Konsequenz.

Ich trage Laine extrem gerne. Der erste Eindruck ruft vielleicht Bilder irgendwo zwischen gestärkten Bettlaken und bitterem Zitronensprudel hervor, insofern dieser Duft sicherlich sogar als safe zu bezeichnen ist, aber schon bald offenbart sich, wie abweisend er tatsächlich ist, weil er keine der üblichen Ansprüche an ein Parfum erfüllen mag. Vor allem ist er keine Einladung zum Näherkommen, seine Strenge keine spielerische. Sein starker Wille bewirkt in mir eine innere Festigkeit, stärkt meine Fähigkeit, mich von meiner Umgebung abzusetzen. Eine gewisse Härte, die manchmal gar nicht schlecht ist.

Laine ist kein Duft, mit dem ich mich ausleben möchte, sondern eher ein funktionales Werkzeug aus kaltem Stahl. Er bewirkt in mir eine sterile Ruhe, die konsequent alles abprallen lässt, was ich nicht bewusst aufnehmen will. Man kann damit in einer verspäteten und völlig überfüllten Straßenbahn ohne erreichbaren Haltegriff stehen, Joanna Newsom auf dem Ohr, und alles ist gut, nichts scheint aus dem Gleichgewicht.
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