Unruh

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1 - 5 von 97
Unruh vor 3 Jahren 11 5
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Haltbarkeit
9
Duft
Hello Darkness my old Friend
Die Marke Rundholz ist mir erst seit wenigen Jahren ein Begriff. Eigentlich eine Modemarke der Designer Lenka und Carsten Rundholz, werden seit einigen Jahren auch Parfüms lanciert. Die Nase hinter den Düften ist Art Landi. Vorab schonmal ein euphorisches Chapeau! Die Düfte, die Herr Landi für Rundholz kreiert, sind durchweg charakterstark, teils eigenwillig und besitzen Alleinstellungsmerkmale. Damit passen sie zu Lenkas und Carstens Modestil.

Einfach sind die Düfte nicht unbedingt. Sie sind zwar nicht widerspenstig, ich empfinde sie gar als recht zugänglich, doch manche Komplexität erschließt sich erst nach und nach. So auch 20Mars2022. Ein Blick auf die Duftnoten ließ mich die Stirn runzeln. Safran, Zimt, Erdbeere, viel Blumiges, dabei noch die von mir ungeliebte Rose. Erst die Basis liest sich besser, wäre da nicht die vermaledeite Tonkabohne und ihre Schwester Vanille dabei. Das kann ja was werden...

Und wie das was wird! Erster Eindruck: Pfeffer. Pfeffer. PFEFFER! Es gesellt sich schnell holziger, weicher Weihrauch hinzu. Wer hier aufhört, den Duft kennenzulernen, dem sei es verzieh'n. Doch die weitere Reise lohnt sich. Mit den weiteren Tests erschließt sich nach und nach die Komplexität von 20Mars2022. Die von mir mit Bedenken gelesenen Zutaten sind so kunstvoll in die Komposition eingeflochten, dass sie nicht störend hervorstechen, sondern harmonisch ergänzen. Animalisches Harz, eine leicht orientalische Würze, erdiges, herb-trockenes Holz - Alles untermalt den Gesamteindruck, ohne ihn zu verfälschen.

Was bleibt als Gesamteindruck?
20Mars2022 ist ein finsterer, ernster, distanzierender Duft. Gleichzeitig mit einer dezenten Weichheit und gewisser animalischer Verheißung. Ein tiefes, unendliches Schwarz, mit einer Ahnung, dass da irgendwo eine kleine, zarte Flamme in der Dunkelheit glimmt. Misanthropischer Black Metal, Weltschmerz-getränkter Dark Wave und ein Hauch New Romantic. Großartig!
Ich hoffe, dass bald die Bars und Clubs wieder öffnen, um dieses olfaktorisch kondensierte Schwarz angemessen ausführen zu können. Aber auch in kleinem Kreise, in der Freizeit, zu einem feinen Essen oder im Freundeskreis lässt sich 20Mars2022 wunderbar tragen. Vorzugsweise im Winter, der kalten, toten Jahreszeit. ;-)
5 Antworten
Unruh vor 3 Jahren 32 11
6
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
"Damals...
...war Vieles besser - und aus Holz!" hörte ich meine Altvorderen oft sagen, mit einem ironischen Augenzwinkern beim zweiten Satzteil.
Denn ja, früher war nicht alles besser. Manches war besser, Vieles war einfacher, manches war auch sehr schlimm.
Doch hinsichtlich der Düfte ist für meine Nase fast alles damalige besser als heutiges.

Ich bekenne mich frank und frei zu einer gewissen Nostalgie hinsichtlich meines Kindheitsjahrzehnts. Schulterpolster, übergroße Blazer, Jogginganzüge in sehr schlimmen Farben, Bands wie The Cure, Duran Duran, Erasure, New Order, Depeche Mode legten Grundsteine für die Schwarze Szene, wir schickten Pakete an die Verwandtschaft "drüben", im Fernsehen Rick Simon, Michael Knight, Thomas Magnum - Männer mit genug Brusthaar, um den Bochumer Hauptbahnhof damit auszulegen und soviel Testosteron, ein mittleres Hirschrudel in die Brünftigkeit zu treiben, es gab den guten Ami und den bösen Russen, in den Sommerurlaub fuhr man nach Italien, Spanien oder Griechenland (mit dem Auto!), für die Hausaufgabenrecherche ging es in die Stadtbibliothek, statt Netflix fuhren wir Freitagabend in die Videothek, Filme rein nach dem Cover und der Beschreibung aussuchend, die Gendermerkwürdigkeiten waren in weiter Ferne und der Klimawandel noch eine theoretische Randnotiz weniger Forscher.
Rückblickend herrschte, trotz erster Aufbruchsversuche, ein fürchterlich starrer Wertekonservatismus, der viele gesellschaftliche und politische Entwicklungen bremste, und doch damals ein vermeintliches Gefühl der Stabilität und Sicherheit vermittelte.

Und genau hier befinde ich mich jetzt mit Giorgio. Klingt italienisch, riecht aber für mich amerikanisch, wie der Zusatz "Beverly Hills" unterstreichen mag. Mit Italien verbinde ich eine Leichtigkeit des Seins, zarte Zitrusnoten auf einem Bett aus moosiger Würze. Giorgio dagegen drückt dir den vollen Garten in den Riechkolben, alles was da wächst, Rosen, Nelken, Orangen, mit Strunk und Stiel, mit Blatt, Blüte und Wurzel, dazu diverse Hölzer, ein Bienenstock wurde ebenso geplündert.
Stilbildend ist für mich hier vor allem der Dreiklang aus Aldehyden im Kopf, Patchouli im Herzen und Eichenmoos in der Basis. Der findet sich in vielen Düften dieses Genres.

Ein maskuliner Duft durch und durch, herb, kantig, komplex. Vielseitig, manchmal etwas zu laut. Nix mit Unisex, hier ist ein Mann ein Mann, kein Macho, aber selbstbewusst und bodenständig.
Diese Dreifaltigkeit mit dem vielfältigen, aromatischen, herb-grün-würzigem Potpourri kriecht mir in die Nase, legt sich um mein Hirn und dreht die Zeit zurück. Ich sitze neben B.A. Baracus im GMC-Van, jage mit ALF die Katze oder entdecke mit Peter Lustig die Welt. Damals, als Vieles noch einfacher war, die Guten immer gewonnen haben und meine größte Sorge war, dass Mama nicht zu doll wegen des Lochs in der Hose schimpft.

11 Antworten
Unruh vor 3 Jahren 10 5
7
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
8.5
Duft
Liebe auf den zweiten Blick
Damals, als der Duft noch "Mistral Patchouli" hieß, habe ich ihn das erste Mal getestet. Aber irgendwie hat es nicht gefunkt - wahrscheinlich aufgrund falscher oder noch nicht ausgereifter Patchouli-Vorstellungen und wenig olfaktorischer Erfahrungen. Acht Jahre später begeistert mich der Duft, nun mit abgewandeltem Namen, umso mehr.

Ich liebe ja Patchouli, primär in seiner trockenen, herben Ausprägung. Leider wird der feine Stoff zu oft mit süßlichen Begleitern wie Vanille, Tonkabohne oder gourmandigen Noten zugekleistert. Dementsprechend schwierig gestaltet es sich, ein sommerliches Patchouli-Duftwässerchen zu finden. "Bottega Veneta pour Homme Essence Aromatique | Bottega Veneta" hat das auch schon gut hinbekommen. Beiden gemein ist die dezente Verwendung meiner liebsten Duftnote sowie ihre vornehmlich grün-krautige statt trocken-erdige Färbung.

"Patchouli Riviera" startet sehr fruchtig-zitrisch, Pfeffer und Anis steuern eine angenehme, spannende Würze bei. Die in anderen Kommentaren beschriebene Ähnlichkeit zu Ouzo oder Pastis kann ich nachvollziehen. Mit der Zeit wird der Duft minimal pudrig, etwas herber und wandelt sich in Richtung grau-grün, krautig, mit einer angenehm abgetönten Frische. Viel passiert jetzt nicht mehr, der Duft wird mit der Zeit minimal holziger und immer leiser, bis er nach etwa 5-6 Stunden verklingt.

Was ist nun mit dem Patchouli? Ich wurde mit "Mistral Patchouli" nicht warm, da ich die Duftnote vermisst habe. Damals. Heute weiß ich, es gibt nicht nur erdig-torfiges Patchouli. Das gibt es auch wie hier in frisch-grün-krautiger Prägung. Ich liebe beides. Jetzt. Bloß die stark florale Richtung gefällt mir nicht. Noch.

Allgemein begeistert mich "Patchouli Riviera" durch die Abwesenheit zu plakativer Zitrik oder übermäßiger Frische (wie sie viel zu viele Sommerparfüms bieten) sowie durch seine sehr spannende Anis-Würze. Dies zusammen mit der überschaubaren Entwicklung sichern ihm einen Platz in der Parfüm-Auswahl für den Sommer und warme Frühlingstage.

...jetzt erstmal zum Griechen, lecker Gyrosteller und ein Glas Ouzo. :D

5 Antworten
Unruh vor 3 Jahren 3 2
7
Flakon
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Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Das Patchouli-Pokemon
An diesen wunderbaren Duft bin ich völlig unerwartet über einen großzügigen Tausch gekommen. Vielen Dank, lieber Kepla!
Der erste Eindruck: Irritation. Bensimon? Noch nie gehört. Ist das ein Pokemon? (Randnotiz: Als die Taschenmonster in Deutschland erschienen, war ich der Thematik bereits entwachsen, sonst könnte hier ein Kommentar stehen, der Dufteindruck und besagtes Phänomen auf launige Art verknüpft...)

Also kurzerhand das Internet angeworfen. Bensimon ist demnach eine französische Lifestyle-Marke, gegründet von Serge Bensimon. Sein Großvater hatte us-amerikanische Second Hand-Kleidung für den französischen Markt importiert, der Enkel macht seit den 1980ern in Kleidung, Schuhen, Kosmetik und Accessoires. Und halt Parfüms, drei an der Zahl. Die Düfte werden online anscheinend nirgends zum Kauf angeboten. (Weitere Randnotiz: Der Vorbesitzer hat sich "Cologne 1993" während eines Paris-Aufenthaltes gekauft. Also physisch. Mit persönlichem Kontakt und so. Aktuell ja unvorstellbar...) Die Besitzer sind hier auf Parfumo entsprechend selten vertreten.

Lange Rede, gar kein Sinn, auf zum Duft.
Die Einzelkomponenten lesen sich vielversprechend (was erstmal nichts heißen muss, wie oft haben mich die einzelnen Ingredienzen zu einem Test bewogen, nur um dann von der Gesamtkomposition enttäuscht zu werden...).
Ganz zu Anfang wird es zitrisch-fruchtig, schon bald gesellt sich krautiger Lavendel und ein zarter Hauch Patchouli hinzu. Ich rieche in der Phase Parallelen zu Guerlains "Héritage". In der nächsten halben Stunde wird das Patchouli stärker, herrlich trocken und unsüß, im Eindruck ähnlich wie in Ulrich Langs "Nightscape". Patchouli dominiert nun den Duft, wird dabei zart umspielt von pudriger Myrrhe und leicht animalischen Sandelholz. Amber und Moschus ergänzen diese Eindrücke, Moschus ergänzt auch die nach einigen Stunden erreichte unsüße vanillige Basis.
Als Gesamteindruck ergibt sich ein leicht pudrig-animalischer, trocken-erdiger Patchouli-Duft mit moderater Abstrahlung und Haltbarkeit.

Sehr schön, auch wenn hier das Rad nicht neu erfunden wird. "Cologne 1993" darf (vorerst; mal schauen, wie lange) einziehen und mein Patchouli-Portfolio ergänzen.
2 Antworten
Unruh vor 3 Jahren 9 4
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Wer bist du?
Es gibt Düfte, die begeisterten mich stante pede. Es gibt Düfte, die langweilten mich oder stießen mich ab, von Beginn an. Und es gibt einige Düfte, die musste ich erarbeiten. Kein einfaches Kennenlernen, kein erster positiver oder negativer Eindruck, der sich festigt. Einfach nur Irritation, immer wieder testen, bis meine Meinung zum Duft feststand.

So ein Duft ist "Akowa". Bei keinem Duft bisher hat die Reise so lange gedauert. Mehrere Abfüllungen hat es gebraucht. Immer wieder probieren, auf dem Handgelenk, im Alltag, mit Hilfe fremder und bekannter Nasen. Ich denke, jetzt ist meine Meinung gefestigt, trotz verbliebener winzig kleiner Fragezeichen. 100% greifbar ist "Akowa" noch nicht, aber ich weiß jetzt, ich mag ihn sehr, er darf einziehen. Bald.

Vor allem das Patchouli hat mich auf "Akowa" gespannt gemacht. Anhand der Duftkomponenten eher trocken, unsüß, so meine Hoffnung. Doch es kommt ja immer anders. Patchouli tritt erst spät auf die Bühne. Vorher entfaltet sich ein Panoptikum an Eindrücken. Zu Beginn, ganz kurz, zitrisch-spritzige Noten. Kurz darauf wird es grün, allerdings mit herber trockener Ausrichtung. Gleichzeitig erdig, rauchig. Florale Elemente schwingen mit. Das herbe, trockene, rauchige Grün bekommt nach und nach eine sehr interessante Frische. Der Eindruck ist allerdings nicht die einer typischen hell-fröhlichen Frische, wie sie sich so oft findet. "Akowa" wirkt mit der abgetönten, rauen, "dunklen" Frische ernst, distanziert, unnahbar. Wenn ich mich an den Duftkomponenten orientiere, rieche ich Feigenblatt, Vetiver, Moschus, durchaus. Und endlich gesellt sich auch mein Liebling Patchouli dazu, dezent, im Hintergrund, nicht laut und ungestüm. Es umrahmt die Komposition. Das Zerlegen in einzelne Teile wird "Akowa" aber nicht gerecht. Da ist mehr, nicht greifbar, nicht definierbar, bloß mitschwingend mit den präsenten Noten. All das bildet den Gesamteindruck dieses faszinierenden, irritierenden Dufts. Irritierend im besten Sinne, fordernd und neugierig machend.

Es fällt mir selten schwer, meine Eindrücke in sprachliche Formen zu gießen. Dieser Duft ist ein olfaktorisches Erlebnis, wie ich es selten hatte.
Akowa, wer bist du?
4 Antworten
1 - 5 von 97