Aorta

Aorta

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6 - 10 von 19
Aorta vor 11 Jahren 9 1
9
Duft
Que reste-t-il de nos amours?
"Que reste-t-il de nos amours
Que reste-t-il de ces beaux jours
Une photo, vieille photo
De ma jeunesse
Que reste-t-il des billets doux
Des mois d' avril, des rendez-vous
Un souvenir qui me poursuit
Sans cesse

Bonheur fané, cheveux au vent
Baisers volés, rêves mouvants
Que reste-t-il de tout cela
Dites-le-moi"

(Charles Trenet)

Um auf das Uneigentliche zu kommen, beginne ich mit dem Eigentlichen: der Komposition an sich. Die anderen Kommentatoren haben den Duftverlauf bereits sehr gut beschrieben, so dass ich mich diesbezüglich recht kurz fassen will. "Baiser Volé" ist ein wunderbarer solifloraler Duft, die Lilie präsentiert sich im Duftverlauf in all ihren Facetten. Ich rieche das Blattgrün, den frisch angeschnittenen Blumenstiel und leicht bitteren Pflanzensaft, die schwere und durchaus würzige Süße der geöffneten Blüten - und zuweilen den Verfall, der doch dem Höhepunkt der Blüte (wie auch sonstigen Hochs) stets zugleich innewohnt. Nichts ist abstrahiert oder gar abstrakt, die Leistung der Parfümeurin liegt darin, die Lilie kristallklar in ihrem So-Sein eingefangen zu haben, ohne Langeweile aufkommen zu lassen.

Der Duft changiert, mal ist er kühl wie das Innere eines Blumenladens, dann wieder warm wie eine Umarmung. Also genauer gesagt die Art von Rhett-Butler-meets-Scarlett-O'Hara-Umarmung. Haltbarkeit und Sillage sind bei mir großartig, eine umsichtige Dosierung sei hier empfohlen, sonst wird sich das Umfeld der derart Bedufteten wünschen, sie möge rasch vom Winde verweht werden.

Nun möchte ich nochmal auf den ersten Absatz zu sprechen kommen und das Nebeneinander von Blütensüße und Verfall: Hier hat sich jemand Gedanken bei der Namensfindung gemacht und etwas wirklich Treffendes gefunden. Gutes Marketing bei Cartier also.

Klarheit und Schönheit verknüpft mit Vergänglichkeit ergibt... ja, was nun eigentlich? Aus dieser Ambivalenz erwachsende Melancholie? Es wäre sicherlich nicht ganz abwegig, in "Baiser Volé" auch ein wenig japanisches "Mono no aware" für sich zu entdecken.

Ob Truffaut ihn wohl gemocht hätte?
1 Antwort
Aorta vor 11 Jahren 10 4
8
Duft
Eins auf die Nuss/Kamehameha/Aloha oe
„Bronze Goddess“ ist ein heiterer Duft, unkompliziert, hat so etwas angenehm Selbstverständliches. Die Schlagworte wurden hier bereits erwähnt: Sommer, Sonnencreme, Sand.

Gleich zu Beginn ist die Kokosnuss präsent und sie ist hier, um zu bleiben. Sie riecht nicht so wie die frisch geriebene Variante, sondern süß und cremig wie ein Dessert, schrammt haarscharf an der Grenze von „zuviel des Guten“ vorbei. Ein wenig Zitrus-Geplänkel gesellt sich hinzu, ist aber nicht der Rede wert und auch gleich wieder weg. Bei den blümeranten Noten wird es schon schwieriger, das könnte Gardenie sein oder Frangipani oder Lilie – vielleicht aber auch alle drei. Jedenfalls verhält sich das blumige Etwas zu der Kokosnuss wie ein frisch verliebtes Paar im Frühling. Vanille könnte auch vorhanden sein, aber ich vermute, mein Gehirn gaukelt mir diese nur vor, weil die Blüten zusammen mit der Kokosnuss so cremissimo sind. Was für ein Schmelz! Das ist alles so zart, so sonnig, so... hach!

Ich möchte mein nicht vorhandenes Baströckchen anziehen. Jetzt sofort. Die bronzefarbene Göttin hat es mir in einer spontanen Eingebung befohlen. In meinem Tagtraum tanze ich Hula.

Da ist aber noch was, das mich ins Grübeln bringt, weil es nicht eindeutig zu identifizieren ist. Es gibt dem Duft im Drydown so eine leicht trocken-mineralische Note. Das könnte Vetiver sein. Jedenfalls passt es perfekt zum Rest.

Summa summarum fühle ich mich mit der Lauder'schen Kreation zwar nicht göttlich, aber in guten Momenten immerhin königlich.

Ein kurzes Wort zur Haltbarkeit sei mir noch gegönnt: Ich zögerte vor dem Kauf, da ich normalerweise nicht sehr viel von Eaux Fraîches halte – zu oft verschwinden sie im Nullkommanichts von meiner Haut. In Anbetracht der Konzentration ist die Lebensdauer von Bronze Goddess sehr ordentlich, bei mir rund fünf Stunden. Der Duft ist – mal ausgenommen von der ersten Viertelstunde – hautnah. Ich mutmaße, dass er in höherer Konzentration und mit stärkerer Sillage auch eher nerven würde.
4 Antworten
Aorta vor 11 Jahren 18 12
10
Duft
Über Gallier, Mittagspausen und Zaubertränke
"Elixir des Merveilles" sehe ich gedanklich in einer Linie mit "Bosque". Wer meine innige Vorliebe für letztere Komposition kennt, weiß, dass ich die Messlatte damit ziemlich hoch lege. Die Gemeinsamkeit der beiden besteht darin, dass sie eine Stimmung vermitteln, weniger eine Geschichte erzählen. Der Schlüssel zum Verständnis des magisches Elixirs liegt genau darin.

Heute habe ich meine Mittagspause dazu genutzt, ein wenig raus an die Sonne zu gehen. Nicht weit von meinem Arbeitsplatz entfernt liegt eine Parkanlage und dort habe ich mich auf eine Bank gesetzt, das Gesicht wie eine Blume nach der Sonne gerichtet und mein mitgebrachtes Mittagsmahl gegessen. Nicht selten sind es eher die kleinen Dinge, die mir große Freude bereiten und während ich mich also auf der Parkbank sonnte, hin und wieder den Passanten hinterherschaute und die Zeit verstreichen ließ, breitete sich in mir so ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit, vielmehr des inneren Friedens und des Mit-sich-selbst-im-Reinen-Seins aus. Es war schlichtweg ein Moment der Dankbarkeit, genau zu diesem Zeitpunkt an genau diesem Ort zu sein, kein Gedanke an das Könnte-Hätte-Täte, ganz im Hier und Jetzt.

Das ist die Stimmung, die Elixir des Merveilles perfekt einfängt. Es ist lieblich, orangig-warm und ja, Amber sollte man auf jeden Fall mögen. Der Duft ist das Äquivalent zu einem guten Cognac auf der Zunge. Dabei ist die Komposition aber nie anbiedernd oder dumpf, sondern durchweg fein: Man muss sie sich so ein bisschen wie den Blick in ein Kaleidoskop oder auf eine Seifenblase vorstellen. In einem Moment schillert diese Facette im Sonnenlicht, dann wieder die nächste. Gleichzeitig weiß man jedoch, dass alles jederzeit da ist (wo es hingehört). Manchmal meine ich warmen Sand zu riechen, dann wieder sonnengetrocknetes Holz. Im nächsten Moment steigt mir ein hauchzarter Vanillerauch in die Nase, ein Schokosplitter versteckt sich auch irgendwo.

Wie Jean-Claude Elléna das macht?

Keine Ahnung.

Bisher ist mir jedoch noch kein Foto von ihm untergekommen, auf dem er mit Zauberstab zu sehen war.

Meine Eine ist nichtsdestotrotz abschließend dafür, den Duft in "Elixir de Miraculix" umzutaufen, denn wir haben es hier schlichtweg mit einem Kleinod der Parfumeurskunst zu tun, einem wahrhaftigen Zaubertrank.
12 Antworten
Aorta vor 11 Jahren 20 4
10
Duft
You may be my poem
„Le Parfum“ ist ein Gourmand-Duft für Menschen, die eigentlich keine Gourmands mögen. Er ist ein Orientale, der durchaus das Herz wärmt, mich aber nicht mit würziger Schwere niederdrückt. Ja, wenn ich nun das Haar in der Suppe suchen müsste, dann würde ich sagen, dass dieser Duft weder Fisch noch Fleisch ist. Sei's drum, ich mochte Le Parfum auf Anhieb so sehr, dass ich nach einem kurzen Spaziergang inklusive Testschnuppern in der hiesigen Altstadt in die Parfümerie zurückkehrte und ihn mit nach Hause nahm.

Warum?

Das hier ist ein Duft mit dem gewissen Etwas. Nicht Dur, sondern Moll. Er ist süß, aber da ist auch immer diese gewisse Prise Bitterkeit, die einem einen kleinen Stich versetzt.

Wie die Liebe.

Für mich dreht sich Le Parfum in erster Linie um einen zart rauchigen Vanille-Tonkabohne-Akkord, der von Anfang an präsent ist und mich in seinen Bann zieht. Dieser hält gekonnt die Balance, was die Süße betrifft. Man muss ihn sich ungefähr so vorstellen, wie eine frisch ausgeschabte Vanilleschote riecht, also durchaus auch... dunkel, holzig, und eben ein klein wenig bitter. Diese Komponente ist es, die diesen Duft für mich zu etwas Besonderem macht. Zuweilen schimmert dabei auch etwas hindurch, das mich an einen vollmundig-milden Rum denken lässt (falls ihn jemand kennen sollte: Plantation Barbados Extra Old). Dunkles Karamell ist da auch, Vorsicht, sonst brennt es gleich an!

Es gibt ja auch andere Bereiche im Leben, in denen man nichts anbrennen lassen soll.

Der Vollständigkeit halber noch zu den weiteren Noten: Bergamotte und Lorbeer haben nur ein Gastspiel zu Beginn. Jasmin tänzelt eher im Hintergrund herum. Heliotrop, diese von mir so gefürchtete Blume, bleibt ebenfalls handzahm. Hier ist also alles im Lot, was nichts Anderes heißen soll, als dass es nicht viel gibt, was mich von der genialen Vanille-Tonkabohne ablenkt. Diese wird zum Ende hin noch einen Tick holziger, cremiger – das Sandelholz hier drin ist wirklich vom Allerfeinsten. Überhaupt, die Stärke von Le Parfum ist, dass es durchkomponiert ist, es wurde zu Ende gedacht, sehr stimmig. Deshalb kann man diese Komposition genauso gut im Büro wie auch zum kleinen oder großen Auftritt tragen.

Le Parfum hat für mich das Potential zum Langzeitbegleiter.
4 Antworten
Aorta vor 11 Jahren 17 8
7
Duft
Spätzünder für Frühaufsteher
Manchmal verspüre ich so eine Art inneren Juckreiz und dann muss ich entgegen meiner sonstigen Tendenz, ein ziemliches Gewohnheitstier zu sein, die Dinge des Alltags anders als üblich angehen. Morgens an einer anderen Haltestelle aussteigen und sich dann prompt verlaufen? That's me.

„Saharienne“ hatte ich als Gratisdreingabe bekommen und es lag eine ganze Weile jungfräulich unberührt herum, bis ich eines Morgens auf die Idee kam, es unbedingt sofort (!) und ohne vorherigen Papierstreifentest (Pah, nur für Warmduscher und Schattenparker!) aufsprühen zu müssen. An einem Werktag ohne Möglichkeit – sofern's denn scheußlich röche – nochmal korrektiv tätig zu werden, denn ich war wie meist spät dran.

Schuhe an, ein letzter kritischer Blick in den Spiegel, ein paar Fusseln vom Kostüm gezupft und los geht’s, avanti galoppi, Kurzsprint zum Bus. Sitzplatz ergattert und nun etwa 15 Minuten Zeit, erste Eindrücke zu sammeln.

Als da wären: Neroli. Und Neroli. Außerdem noch Neroli. Sonst nichts, egal, wie sehr ich mich konzentriere. Blümchen können so brutal sein! Ich seufze und schaue aus dem Fenster. Die Frau neben mir mustert mich skeptisch. Ich lächle entschuldigend und bin froh, an der nächsten Haltestelle auszusteigen.

Neroli bleibt, wird leiser und langsam wird’s interessanter, denn es kommen neue Dinge hinzu. Ich schnuppere an mir herum und brauche eine ganze Weile, bis ich Näheres benennen kann. Wärmer wird der Duft, trockener, dabei aber nicht eindimensional, sondern eigentümlich changierend. Gewürze? Nein. Ich grüble weiter, woran erinnert mich diese Note? Der Versuch einer Annäherung: Kokosnuss, komplett unsüß. Brot frisch aus dem Toaster. Trotzdem ist das kein Gourmand-Duft. Sonnengebräunte Haut. Sand, Sand, Sand. Puder! Nein, Creme! Oder doch Puder?! Es wird jedenfalls immer besser, je weiter sich Neroli entfernt. Und es hält ordentlich lange durch, dieses kuschlig trocken-warme Etwas. Ich bin entzückt!

Saharienne ist ein sehr gutes Argument, mal wieder etwas früher aufzustehen. Dann kann ich Neroli Zuhause aussitzen und komme wohlriechend im Büro an.
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