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Düfte in Filmen und Serien
vor 2 Jahren - 16.08.2022
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Düfte in Filmen und Serien N°5

Der fünfte Eintrag im Blog. Die spezielle Zahl hier im Forum.

Ich werde dieses Mal eine typische Szenerie des Kinoerlebnisses einbauen, um den allseits geliebten Aldehyd-Star gebührend zu erwähnen.

Es sei mir verziehen, den folgenden Erzählstrang gewählt zu haben, da mir leider kein passender Streifen eingefallen ist, um diesen Klassiker ins richtige Rampenlicht zu stellen. Filme und Serien, in welchen er vorkommt, treffen leider nicht meinen Geschmack und verfallen schnell in gängige Klischees einer Blondine mit luftigem Röckchen.

Ich darf Sie also bitten, noch vor der Kinowerbung schonmal Platz zu nehmen.

Ein netter Verkäufer wird anschließend mit Eiskonfekt aufwarten.

Lichter aus, Vorhang auf!

Zu den Klängen von Nina Simones „My baby just cares for me“ erblicken wir die imposante Skyline von Houston in Texas von einem eleganten Apartment aus. Ein älterer Herr sitzt bequem auf einem Louis XVI Sessel und betrachtet eine bezaubernde Carole Bouquet in rotem Kostüm eines Pariser Traditionsunternehmens. Das Markenlogo ist schlicht, einprägsam und hat einen doppelten Buchstaben.

Sie wird ihm noch einen Kuss auf die Stirn zum Abschied geben, um mit einem schwarzen Ferarri 328 GTS elegant davon zu brausen.

Mehr als 1000 km später macht sie Rast im Monument Valley in Colorado, um anschließend den Mann ihrer Träume mitten in der Wüste zu umarmen und küssen.

Na, welche Fantasie sollen wir mit ihr 1987 teilen?

So, ein paar eiskalte Dominosteine zur Abkühlen, gleich geht der Hauptfilm los.

Aber schnell noch zwei weitere Werbeminuten.

Dieses Mal erzählt uns eine leicht vampireske Catherine Deneuve, was sie 1979 schätzt und verabscheut. Sie trägt schwarz und streicht im Liegen über einen riesigen, gelben Flakon mit dem Finger.

Sie liebt das Rätselhafte und schwer fassbare Menschen. Vertrautheit ist in ihren Augen aber ein Fehler und abzulehnen. Paradoxerweise liebt sie aber Intimität über alles. Und solche kann man Dank eines Duftes von 1921 ganz einfach herstellen.

Next clip please!

Wieder Catherine Deneuve, wieder in vampir-schwarz und wieder das Jahr 1979. Schwarzer Hintergrund, elegant gelber Flakon.

E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug kündigen die typische düstere Stimmung des Jahres an, härtere Klänge übernehmen langsam.

Wir dürfen erfahren, dass das Beste am Erfolg die Freiheit ist, welche er unserer Diva gewährt.

Ein merkwürdiger Satz gleitet ihr mondän über die Lippen: sie fühlt, als würde ihr etwas berechnet werden, sobald sie sich für etwas entscheidet oder eine Chance ergreift. Sie liebt diese Freiheit.

Und ein Modehaus einer gewissen Gabrielle steht für den Genuss, eine Frau zu sein.

Welches wohl?

Ja, Catherine entzückt immer wieder, auch als Vamp.

Aber Ruhe bitte, der Hauptfilm fängt an!

1983 erschien ein Meisterwerk des Vampir-Genres, The Hunger (Begierde), mit Catherine Deneuve, David Bowie und Susan Sarandon in den Hauptrollen.

Dieser Film bricht mit etlichen Elementen klassischer Vampir-Erzählungen und schafft eine verstörend modernere Variante des Themas.

Die Anfangssequenz ist meisterhaft und verdient Hochachtung.

Wir befinden uns in einem kühlen Grufti-Schuppen in New York. Gespielt und gesungen wird von der Gruppe Bauhaus das Lied „Bela Lugosi’s dead“, schwarz gekleidete und sonnenbebrillte Szenegänger tanzen ekstatisch zu den düsteren Klängen.

Hier gibt man uns zu verstehen, unsere Vampir-Vorstellungen gehören endgültig der Vergangenheit an.

Für alle, die sich nicht so gut auskennen, Bela Lugosi war DER Vampir-Schauspieler in den Schwarz-Weiß-Filmen der 1930er Jahren. Nun ist er im Lied tot und mit ihm auch der altehrwürdige Graf Dracula.

Im Film scheuen Vampire nicht mehr das Tageslicht, sie können sich sogar im Spiegel sehen und schlafen nicht in engen Särgen verborgener Krypten. Kultiviert bleiben sie dennoch, weltgewandt und betörend schön, obgleich sie keine langen Eckzähne aufweisen.

Weiter im Film. Von einer Empore aus beobachtet ein hübsch elegantes Paar das Tanzgeschehen und kürt ein tanzendes Pärchen zu ihrer Beute aus, welches bereitwillig zum schicken Loft der zwei Geheimnisvollen mitfährt.

In einer ausgeklügelten Bildschnitt-Technik werden die wahren Absichten von Deneuve und Bowie gezeigt, sie wollen ihren Hunger stillen.

Parallel dazu werden verstörende Bilder eines Affenpärchens gezeigt, die uns zur Haupthandlung führen.

Sarandon spielt eine Wissenschaftlerin, die sich mit dem Alterungsprozess befasst. Sie und ihr Team versuchen, wenn nicht eine Umkehrung, so doch eine Verlangsamung der Alterung zu erkunden.

Die Wege des Vampir-Duos und der Wissenschaftlerin werden sich bald kreuzen, da Bowie einem raschen Verfall seiner jugendlichen Ausstrahlung durchläuft. Und diese Begegnung wird schicksalshaft sein.

Was an diesem Film erfrischend anders ist, sind die tragischen, sich mit ontologischen Fragen beschäftigenden Szenen. Ewige Jugend, die Angst vor dem Altwerden, Treue, Verbundenheit, Verlustängste, Sinnhaftigkeit. Ja, sogar das Beten wird hier nicht ausgelassen.

Und alles exquisit mit klassischer Musik untermalt. Als Leitmotiv wird hier das Klaviertrio in ES-Dur von Franz Schubert gespielt, welches er kurz vor seinem Tod komponierte. Ganz zu Schweigen von einer eleganten Liebesszene zu den Klängen von Léo Delibes’ Blumenduett aus der Oper Lakmé.

Ich konnte tatsächlich einen Duft ausmachen, wenn auch in einer sehr knappen Sequenz. Sprich, ich mußte das Bild einfrieren, um den Flakon zu erkennen.

Die unterschwellige Verbundenheit und Kontaktaufnahme zwischen Deneuve und Sarandon wird durch das Öffnen eines Spiegelschranks im Badezimmer angedeutet. Im kalten bläulichen Licht steht fast unauffällig Vetiver (Eau de Toilette)Vetiver Eau de Toilette im unteren Regal. Ein grün würziger Duft schafft die Magie also, zwei konträre Welten zu verbinden.

Aber es gibt weitere Hinweise für Duftliebhaber im Film. Ständig werden Narzissen und Lilien gezeigt, je nach ihren Attributen: Leben und Tot.

Ein Strauß Nelken erfüllt tragischerweise nicht die erhoffte Verlobung, er bleibt fast vertrocknet steril während einer unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheit.

Die sonst sehr elegante Catherine Deneuve wird im Film leider nicht vor ihrem Boudoir beim Einparfümieren gezeigt. Und dennoch, im Jahr 1983 kam Dali (1983) (Parfum de Toilette)Dali (1983) Parfum de Toilette raus, ein surrealer Duft, der sowohl Narzissen und Lilien enthält. Vielleicht ein kleiner Hinweis für Eingeweihte, mehr jedoch nicht.

Zu meinem Erstaunen wurde der Film hier in Deutschland erst ab 18 Jahren freigegeben, die zweitschlimmste Einstufung der FSK.

Aber sehen Sie selbst, ob es damals wie heute nicht altbacken lächerlich erscheint.

Hat Ihnen die Anregung zum Film gefallen?

Aber gehen Sie noch nicht, ich möchte noch eine kleine Überraschung als Abspann zeigen.

1993.

Gewitterstimmung, gediegenes Schlafzimmer im Louis XV Stil, offene Balkontür, Kristalle eines Leuchters klirren im Windstoß.

Ein eleganter Herr in schwarzem Frack eilt zu einer geheimnisvollen Carole Bouquet in weißem Abendkleid.

Sie konfrontiert ihn wie folgt, dabei verbirgt sie einen gelben Flakon fest gedrückt hinter ihrem Rücken.

„Du verabscheust mich, nicht wahr?

Sag es, dass Du mich verabscheust!

Es ist ein verstörendes Gefühl.

Sehr verstörend.

Denn ich hasse Dich!“

Sie lächelt verschmitzt.

„Ich hasse Dich so sehr, ich glaube, ich werde daran sterben!

Amour!“

Und sie küssen sich.

So ungewöhnlich kann nur eine Zahl aus der Rue Cambon sein.

Welche es wohl sein dürfte?

Aktualisiert am 17.08.2022 - 06:59 Uhr
19 Antworten

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