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Düfte in Filmen und Serien
vor 10 Monaten - 01.07.2023
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Düfte in Filmen und Serien N°11

Und da sagt einer, die Fernsehlandschaft in der alten Bundesrepublik wäre nur trist und einfarbig gewesen.
Gerade in der Helmut Schmidt Ära wurde so mancher Schatz an Land gezogen!


Was für eine Zeit, Deutscher Herbst 1977, zweite Ölpreiskrise, Münchner Disco-Wunder!
Ja, und genau dorthin möchte ich dieses Mal laden.


Also, bitte die Salzstangen feingegliedert ins passende Bleikristallglas füllen, die guten Untersetzer für die hohen Biergläser im richtigen Abstand platzieren und die braunen Bierflaschen meisterlich gekonnt kredenzen. Die Schaumkrone darf höchsten drei Zentimeter hoch sein.
Die eloquente Hörzu darf in Reichweite auf dem Wohnzimmertisch bleiben, um spannende Besonderheiten des so umfangreichen Abendprogramms nicht zu verpassen.


So, nun darf man hoffen, dass nicht zu später Stunde (20:00) ein Staubsauger-Vertreter von Electrolux klingelt und die atemraubende Spannung stört.


Meine Damen und Herren, sehen Sie nun aus der Reihe „Der Alte“ die Folge Nummer 39 mit dem Titel „Die tote Hand“.
In den Hauptrollen ermitteln Siegfried Lowitz als Kriminalhauptkommissar Erwin Köster, Michael Ande als Kriminalhauptmeister Gerd Heymann und Wolfgang Zerlett als Kriminalhauptmeister Meyer Zwo,
In der heutigen Folge wird ein Pensionär und Hobbyfotograf eine schaurige Entdeckung auf einem seiner Bilder machen. Aus dem Waldboden ragt eine tote menschliche Hand.


Liebe Zuschauer, wir weisen darauf hin, dass in den folgenden sechzig Minuten vermehrt verbale Entgleisungen, sittenwidrige Milieustudien und menschliche Leichen gezeigt werden.
Kinder und Jugendliche sollten daher spätesten jetzt sich die Zähne mit Blendi geputzt, den Gute-Nacht-Kuss bekommen und brav im Bettchen Petzi oder Geisterjäger John Sinclair
zu lesen bekommen haben.
Die Mädchen sollten ihre Ration My Melody am Halse und Handgelenk nicht vergessen.
Und nun wünschen wir gute Unterhaltung.


Schöne Einführung, oder?


Aber so weit von der gelebten Abendunterhaltung der damaligen Zeit bin ich nicht.
Gedreht wurde die kultige Folge im Jahre 1979 und die Erstausstrahlung erfolgte am 11.04.1980.
Und hier wird eine bunte Büffet-Platte dargeboten.


Von Bewohnern eines Altenheims, die sich wie Bolle freuen, weil im Fernsehen ein Zarah Leander Film angekündigt wird, über herrlich progressive Wohnzimmer mit Ado-Gardinen und Polstermöbeln in Eiche und lindgrün bezogen bis hin zu den Abgründen einer Billardkneipe der ganz besonderen Art.
Und letztere wird hier eine wichtige Rolle spielen.


Das Ermittler-Team wird in schönen 3er und 5er BMWs der Zeit mal zum gruseligen Fundort der oben erwähnten Leiche im Wald, mal zu den involvierten Personen fahren.
Schick natürlich die engen Schlaghosen der flotten Polizei, nur so am Rande erwähnt.


Entscheidend für uns duftverrückten Nasen sind zwei Orte.


Und hier mogle ich ein wenig, denn es werden keine Flakons gezeigt.
Ja, ich weiß, wie konnte ich nur solch einen Fehler zugeben!
Aber mein Anliegen ist dieses Mal ein anderes.
Mir geht es um die Stimmung, die Einrichtung, die Musik und ganz besonders die Kleidung der Beteiligten.


Da wäre einmal die Wohnung eines selbsternannten Callgirls.
Recht ungeniert werden wir Zeugen ihres Berufsstands, hier wird kein Blatt vor den Mund genommen.
Besagtes Callgirl ist für die damalige Zeit extrem schick eingerichtet.
Edle Möbel, ein hochpreisiger Plattenspieler, dunkelbraune automatisierte Gardinen, verspiegelte Paravents.
Diese dunkle und edle Atmosphäre hat mich sofort an einen Duft der Zeit erinnert.
Aber ich möchte hier noch weitere Details liefern.
Gespielt wird das Callgirl von der hübschen Gaby Herbst.
Und mit „spielen“ meine ich spielen!
Selten eine Rolle so ausdrucksstark, so kraftvoll, so klar hingelegt.
Man merkt ihre Ausbildung und Engagements am Theater an der Josefstadt und den Münchner Kammerspielen.
Sie spielt alle anderen an die Wand.
Und gekleidet ist sie!
Mal im seidenen Negligé, mal im atemberaubenden Disco-Kleid.
Meine Gedanken kursierten sofort um die ähnliche Wohnungseinrichtung von Yves Saint Laurent damals, warm und dunkelbraun gehalten. Natürlich um Lichtjahre teurer, aber dennoch vom Geschmack her ähnlich.


So, und welchen Duft sollten wir unserer Diva gönnen?
Na, Disco-Zeit, verruchtes, edles Apartment, schickes, weites Kleid?
Ich denke, dass Opium gerade wie gerufen kommt!


Das wäre der erste Streich, doch der zweite folgt zugleich…


Denn da wäre noch ein dubioser, verführerischer Unterwelt-Schönling.
Werner Pochath gibt sein Bestes als gefährlich betörender Fiesling.
Betreiben tut er das Sir Henry, eine als Billardkneipe getarnte Kontaktbörse. Jawohl, hier verkehren laut O-Ton Nutten, Stricher, Zuhälter, das Übliche.
Herr Pochath bevorzugt schwarzes Leder als Hose, edles Hemd samt Foulard und schwarzer Weste als Oberteile. Und einen teuren Diamantring am Finger.
Gerissen ist er und lauernd brunftig.
Da wir uns Ende 1979 in München befinden und ständig Disco-Musik läuft, möchte ich hier etwas Lokalkolorit in Szene setzen.


Darf ich vorschlagen?
Super Fragance for Men von Aigner als Vorläufer von Kouros dürfte gerade recht sein für unseren Draufgänger.


Über seinen Kompagnon darf so viel verraten werden: Herr Michael Maien dürfte in der damaligen Zeit vielen aus Oswalt Kolles „Das Wunder der Liebe II – Sexuelle Partnerschaft“ bekannt sein.


Einen Lock-Schmankerl hätte ich da noch.


Kriminalhauptkommissar Erwin Köster bekommt zweimal im erwähnten Sir Henry bezahlbare Liebesdienste angeboten, mal von einem Boy, mal von einem Girl.
Und beim Girl gibt Siegfried Lowitz seinen Mainzer Humor zum Besten.
Aber das sollte man sich lieber selbst anschauen.


Viel Spaß und gute Unterhaltung!

Aktualisiert am 03.07.2023 - 10:09 Uhr
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