Düfte in Filmen und Serien N°9
Hier im Forum begegne ich häufiger einer gewissen Abwehrhaltung gegenüber einem schönen Weißblüher.
Dessen Duft betört, schmeichelt und vereinnahmt, er kann jedoch auch fordernd, überwältigend, sogar gefährlich narkotisierend werden.
Beheimatet ist diese schillernde Pflanze in Mexiko.
Weitaus ältere Zivilisationen als die Azteken kannten die heilenden und antibakteriellen Eigenschaften dieser Pflanze. Sie diente ihnen auch als Seifenersatz. Eines aber haben diese Kulturen gemein, sie schätzten die Polianthes tuberosa so sehr, dass ihr in der rituellen Ornamentik eine besondere Rolle zustand.
Ein poetischer Name der Pflanze in Nahuatl, der Sprache der Azteken, war „Omixochitl“, was soviel wie Knochenblume bedeutet. Wahrscheinlich wegen der Form und Farbe der Blüten.
Oder ist da doch eine andere Deutung der Bezeichnung für diese schöne Tuberose?
Der folgende Streifen erzählt eine wahrhaft schaurige Geschichte und könnte einen Hinweis liefern.
Der mexikanische Film aus dem Jahr 1975 „Más negro que la noche“ (Schwärzer als die Nacht) offeriert eine wahre Perle des subtilen Gruselns.
Schauplatz des Geschehens ist eine Villa aus den anfänglichen 1900ern in Mexiko-Stadt.
Eine ältere Dame namens Susana kümmert sich versessen um ihren schwarzen Kater Bécquer. (Für die Belesenen ein Hinweis auf Gustavo Adolfo Bécquer, einer der romantischen Schriftsteller Spaniens des 19. Jahrhunderts und Autor zahlreicher Spukgeschichten.)
Doch die Tage der alten Dame sind gezählt und so verstirbt sie in Anwesenheit ihres verschreckten Schmusekaters.
Als Erbin ihres Anwesens wählte sie ihre Nichte Ofelia aus. Das Testament enthält zwar keine Forderung, sehr wohl aber die Bitte, sich um den schwarzen Kater Bécquer zu kümmern.
Nichts einfacher als das, denken sich Ofelia und ihre drei Freundinnen, Aurora, Pilar und Marta, als sie in das riesige und unheimliche Haus einziehen.
Gleich zu Beginn steht ihnen eine reserviert feindselige Kammerfrau gegenüber und läßt die jungen Frauen die rigide Atmosphäre des Hauses spüren. Mit eisiger Strenge führt sie sie durch etliche Räume der Villa, welche in der Zeit stehen geblieben scheint. Etwas morbid Feuchtes liegt in der Luft.
Das Schlafzimmer der alten Dame ist prächtig ausgestattet und auf dem Schminktisch sehen wir zwei Flakons, welche für die spätere Handlung eine wichtige Rolle spielen werden.
Um es vorweg zu nehmen, die Tante Susana benutzte Zeit ihres Lebens einen Tuberosenduft sondergleichen, schwer und vereinnahmend.
Zwar wird der Name nicht genannt, doch verrät der geschliffene Flakon hier die Herkunft des Duftes. Wenn ich das Geburtsjahr der alten Dame, die Zeit ihrer Werbungsphase als junge Frau und ihre modische Vorliebe als Referenz nehme, so komme ich unweigerlich auf Phũl-Nãnã Eau de Parfum aus dem Jahr 1891.
Es wird dieser Duft sein, der unheimlich subtil die Räume mit Grauen füllen wird.
Denn sehr bald werden zwei Welten aufeinander stoßen und zur Katastrophe führen.
Die sich selbst als modern bezeichnenden jungen Frauen werden nicht so schnell mit den Gepflogenheiten des alten Hauses zurecht kommen. Laut, spöttisch und launisch bringen sie einen frischen Wind in das alte Gemäuer, ohne dabei Rücksicht auf die Tradition zu nehmen.
Dass der schwarze Kater nur von der Nichte Ofelia Zuwendung erhält, wird sich als schicksalshaft erweisen.
Bécquer verhält sich äußerst seltsam seit dem Ableben seines Frauchens und erduldet nur widerwillig den Neuzugang in deren Schlafzimmer, wo der Duft nach Tuberose plötzlich stärker wird.
Immer weiter dringen die neuen Bewohnerinnen in die Welt der Tante Susana ein, ohne auf die Warnungen der Kammerfrau zu achten.
Sie durchstöbern im Keller die Koffer voller Kleider der Verstorbenen und finden schließlich ein ungetragenes Hochzeitskleid. Denn die arme Tante wurde vom Schicksal hart getroffen, ihre Hochzeit blieb nur eine Wunschvorstellung.
Da Ofelia demnächst unter die Haube soll, raten ihr die anderen, genau dieses Kleid ändern zu lassen und bei ihrer Hochzeit zu tragen.
Und dann folgt der erste duftende Besuch der alten Dame in der Nacht.
Am nächsten Morgen wird das halb eingeäscherte Hochzeitskleid im Kamin gefunden!
Fälschlicherweise beschuldigt, übernimmt die ahnende Kammerfrau alle Verantwortung, zu stark ist ihre Ergebenheit ihrer ehemaligen Herrin gegenüber, deren Macht unsichtbar zu spüren ist.
Der Tod eines Kanarienvogels wird eine Kette von schauderhaften Ereignissen auslösen.
Denn plötzlich wird der schwarze Kater erschlagen aufgefunden!
Von da an vernehmen alle im Haus das klagende Ächzen der Tante Susana und ihr Tuberosen-Parfüm wird sie ständig verfolgen.
Unterstützung oder gar Schutz können die jungen Frauen nicht erwarten, denn die um die unausweichlichen Folgen wissende Kammerfrau wird das Haus verlassen.
Und so wird jede Einzelne in den exklusiven Genuss kommen, das Dufterlebnis ihres Lebens zu erfahren.