BelAmi

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1 - 5 von 25
BelAmi vor 2 Jahren 32 11
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Erste Liebe. Und dann kam Jil Sander III
Es war Anfang der 2000er. Die Hochzeit war in letzter Minute abgesagt worden. Das weiße Kleid blieb ungetragen. Wir waren seit unseren Teenagertagen ein Paar gewesen. Hatten uns gute 10 Jahre fast täglich gesehen. Für mich war klar, dass wir zusammenbleiben, für immer. Mitte 20 und rd. ein Jahrzehnt waren wir ein WIR. Gut, er blieb seit einiger Zeit abends länger weg – berufliche Termine. Es gehörte zu seinem Job. Das Geld fehlte ihm an allen Ecken – die Selbständigkeit lief nicht so wie sie sollte, doch es gab ja mich und meinen Job. Und mein Studium hatte ich wegen IHM nicht begonnen, er wollte nicht weg aus unserer Heimatstadt und Fernbeziehung kam nicht in Frage. Doch mein Ausbildungsberuf war doch gut genug, sagten alle. 14 Gehälter. Alles sehr sicher, wenn auch etwas langweilig. Es trug uns durch den Alltag und jährlich durch zwei gemeinsame Urlaube. Und dann? Lagen da beim Aufräumen diese Papiere auf dem Schreibtisch. Kontoauszüge, die von regelmäßigen Geldabhebungen zeugten. Beträge, die über sein Haben hinausgingen. Und ein Umschlag, in dem sich handgeschriebene Zettel fanden. Liebesbriefe an eine Frau. Seine Handschrift, doch die Briefe eindeutig nicht an mich. Zum ersten Mal in meinem Leben bebte der Boden unter meinen Füßen. Vollkommene Fassungslosigkeit. Die Aufklärung war banal. Das Geld verspielt. Die Empfängerin der Briefe hatte genug von ihm und alles in einen Umschlag gepackt und ihm mitgegeben. Und da lag der Umschlag nun, auf unserem heimatlichen Schreibtisch. Hingelegt, um gefunden zu werden. Nach diesem Fund und seiner Aufklärung sahen und sprachen wir uns nie wieder. Die Hochzeit abgesagt. Freunde hatten es, wie so oft – geahnt, und doch nichts gesagt. Ich verließ die gemeinsame Wohnung, die Heimatstadt und begann ein neues Leben. Mein Leben. Ein Befreiungsschlag (weiß man ja erst hinterher). Und mit dabei, ein kleiner Flakon "Woman III (1986) (Eau de Toilette) | Jil Sander" . Bis dahin hatte ich Parfums getragen, was man damals so als junge Frau trug, "Eternity (Eau de Parfum) | Calvin Klein" , "Poême (Eau de Parfum) | Lancôme" , "CK One (Eau de Toilette) | Calvin Klein" . Doch das passt alles nicht mehr. Zu eng. Zu lieblich. "Woman III (1986) (Eau de Toilette) | Jil Sander" stärkte mir den Rücken. So intensiv, würzig und ein bisschen mysteriös. Die deutliche Eichenmoos-Note, das Kantige, ließ keine Sekunde daran zweifeln, dass die Mädchentage vorbei waren. Die Honignote verleiht dem Duft dennoch etwas Feminines. Irgendwo steht hier, dass das Parfum an Rasierwasser erinnere. In der Reihe der Damenparfums mag er maskulin wirken, doch bei Rasierwasser möchte ich höflich widersprechen. Dieser Duft ist sehr viel mehr. Er ist nah und distanziert. Er ist wandelbar, je nach Wetterlage. Im Winter kommt die dunkelgrüne Eichenmoosnote stärker hervor, im Sommer die warm-würzige Honignote. Mit "Woman III (1986) (Eau de Toilette) | Jil Sander" , meiner schwarzen Kleidung, die ich ab dem Tag für eine lange Weile trug, und hin und wieder roten Lippen konnte ich aufrecht gehen. Das ist nun 20 Jahre her. Das Kleid hing noch 20 weitere Jahre als Mahnmal an meinem Kleiderschrank. Den Mann vermisse ich schon lange nicht mehr. Doch das "Woman III (1986) (Eau de Toilette) | Jil Sander" eingestellt wurde, bedaure ich zutiefst.
11 Antworten
BelAmi vor 4 Jahren 49 16
8
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Einmal Mitsouko, immer Mitsouko.
Mitsouko begleitet mich schon fast ein Jahrzehnt. In einer Parfümerie aufgesprüht, weil schon das Schnuppern am Flakon so wunderbar war. Mit dem Duft am Handgelenk einen Theaterabend verbracht – immer wieder feine Duftwolken – fruchtig-holzig-melancholisch-tiefgründig und doch voller Wärme. Für meine Nase kein bisschen altmodisch. Seit diesem Abend begleitete mich Mitsouko. Rund um die Uhr, wobei ein Sprüher für gute 10 Stunden ausreichen. Er brachte mir die allerschönste Duftkomplimente ein. Es war einer der wenigen Düfte, die ich auch in der Schwangerschaft tragen konnte. Einen Spritzer unter den Pulli ist genug. Mitsouko arbeitet sich durch die Kleidung hindurch. Im Sommer trug ich das Eau de Toilette, an kühleren und kalten Tagen das Eau de Parfum. Dann stieß ich auf Parfumo. Seit dem verliebte ich mich unzählige Male in alle möglichen Düfte. Sie kamen und gingen. Nur wenige blieben. Und noch weniger schafften es in meine private Kategorie „Herzensdüfte“. Im Laufe der letzten Jahre wechselten alle meine Flakons. Bis auf einen einzigen. Mitsouko blieb. Schon lange trug ich ihn nicht mehr. Doch ihn wegzugeben, nein, es war immer vollkommen klar, dass es falsch wäre. Andere Düfte gab ich weg und dachte, sollte mich doch noch mal danach verlangen, wird er neu angeschafft – das betrifft sicher eine handvoll Düft in meiner Sammlung. Bei Mitsouko stellte sich diese Frage nie. Wenn ich hier in meiner Stadt am Guerlain-Counter vorbeikam und auf Duftreise mit neuen Düften ging, kam immer mal wieder die Sprache auf Mitsouko. Dann sagte die Beraterin sehr gelassen und als ob es das normalste der Welt wäre (sie ist sicher schon über 20 Jahre für Guerlain tätig) „einmal Mitsouko, immer Mitsouko. Wer ihn einmal liebt, wird nie aufhören, ihn zu mögen." Und das erzählt sie mir, einer Parfuma!

Kürzlich, es ist ja eine sehr besondere Zeit, fiel mir mein Flakon Mitsouko wieder in die Hände. Ein Sprüher auf das Handgelenkt und seitdem mag ich mich trotz der Frühlingssonne nicht mehr von ihm lösen. Inzwischen hat er, wenn ich es richtig verfolgt habe, 1-2 Reformulierungen hinter sich. Und mein Parfumaherz war sehr neugierig auf die neue Version. Heute traf sie ein. Gespannt packte ich ihn aus. Ein weißer statt goldfarbener Karton. Der Flakon unverändert. Und der Duft. Eindeutig Mitsouko. Im Auftakt etwas herber, maskuliner als mein anderer Flakoninhalt. Etwas transparenter, weniger dicht, weniger fruchtig. Nach 2-3 Stunden erkenne ich kaum einen Unterschied und er hält genau so lange. Auch diese Version arbeitet sich durch die Kleidung hindurch und verströmt seine melancholische Wärme. Was bin ich froh, dass es diesen wunderbaren Duft gibt. Und hätte ich Geld, viel Geld, hätte ich wahnsinnig gerne einen dieser wunderschönen, wenn auch hoffnungslos unpraktischen Bienenflakons. Oder eine große Flasche des Extraits. Wie sagte die Beraterin von Guerlain so schön „wer Mitsouko einmal liebt, wird ihn immer lieben“.
16 Antworten
BelAmi vor 4 Jahren 19 5
10
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Ruhe u. Klarheit bewahren, auch in Krisen.
Humorlos! Krautige Staubwolkeniris! Extrem rausgeputzt..lese ich in den Beschreibungen hier. Stimmt alles und doch auch wieder nicht. Auf der Suche nach einer Iris, die nicht ganz so puderweich daher kommt wie "N°19 Poudré", der grün-transparent ist, der nicht raumfüllend ist und auch ein wenig krautiger ist (im positiven Sinne!), stolperte ich über diesen Duft. Das Pröbchen lag lange Zeit unbeachtet in der Schublade. Und es hätte vor einigen Monaten auch keine Beachtung gefunden. Den ganzen Winter über war ich in wärmend-süße Düfte eingehüllt. Süßere Düfte als ich sie je zuvor getragen habe. Doch jetzt habe ich genug davon. Die aktuelle Krise verlangt unserem Haushalt mit zwei Kita-Kindern einiges ab. Die innere Stimme sagt täglich, mehrfach, deutlich und laut „Ruhe bewahren..!“.

Mir fehlt das unkomplizierte Rausgehen ins Grüne hier in der Stadt. Alles derzeit aufwändiger, komplizierter. Über allem schwebt ein erhobener Zeigefinger. Nirgends Niederlassen, die Kinder zum Abstand halten ermahnen etc. Mich verlangte es nach einen grün-grasigen Duft mit einem Hauch Krautigem, der meinem Geist Klarheit ermöglich wie das tiefe Einatmen meeresfrischer Luft. Der hell und freundlich wie der Frühling ist, dabei nicht kuschelweich wie meine watteweichen Moschusausflüge in den vergangenen Wintermonaten. Nein, hell und strahlend und frühlingsfrisch wünschte ich mir einen Duft. Und DA IST ER!

Einige hier bemängeln Haltbarkeit und Sillage. Die Haltbarkeit beträgt bei mir viele Stunden. Meine Nächsten können den Duft durchaus wahrnehmen, allerdings nicht wie eine Coco Mademoiselle, die mir immer etwas vorauseilt, sondern eher wie eine frische, gepflegte Aura. Einigen mag es tatsächlich zu vornehm und elegant erscheinen. Nach dem grün-frischen Auftakt kommt diese pudgrige Note, die einige als Lippenstift beschreiben. Doch es bleibt frisch und hellgrün in der Ausstrahlung. Genau wie es mag an Tagen, wo die Welt sich im Innern besonders schnell dreht und man trotzdem einen klaren Kopf behalten soll.

Fazit: kein Duft für jeden. Doch wer die neuere Variante von „N°19“
mag, könnte auch diesen mögen
5 Antworten
BelAmi vor 5 Jahren 17 6
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Helle Tage am Meer!
Düfte sollen einen Moment des Glücks konservieren, wie einmal ein bekannter Parfumeur über seine Intention verriet. Wenn N° 18 einen Moment des Glücks für mich konservieren kann, dann die Erinnerungen an helle Sommertage am Strand und abends mit einem Gin Tonic auf den Sonnenuntergang wartend.

Der rein farblich an Gin Tonic erinnernde Duft hat einen wunderschönen Auftakt. Die Ambrettsamen und etwas leicht Fruchtiges lassen ein Bild in meinem Kopf entstehen, dass das Blau des Meeres zeigt und die luftige Stimmung am Meer heraufbeschwört. Etwas leichtes, unbeschwertes, durchaus Erwachsenes. Dann gesellt sich eine deutlichen Branntweinnote hinzu. Ich schaute beim Test in der Chanel-Boutique wohl irritiert. Die Beraterin mit einem Augenzwinkern: der bitzelt in der Nase, nicht wahr? ..und brachte mich auf Nachfrage darauf: Grappa! Das mitgegebene Pröbchen war mir einige Wochen später im Hotel zu Boden gefallen. Aufgewischt mit einem Tuch und dieses zur Seite gelegt, verströmten die Tropfen den kompletten Aufenthalt lang eine deutliche N° 18-Note im Hotelzimmer. Es war ein helles, sehr schönes Wochenende am Meer.

Das alles ist sicher schon ein gutes Jahr her. Nun neigt sich derzeit der Winter dem Ende zu, was sich in meiner Heimatstadt mit viel Regen und Wind, viel Wind ausgestaltet. Die Winterdüfte bin ich allmählich etwas müde. Da kam mir die Dufterinnerung von Chanel N° 18 wieder in den Sinn. Ich zog das zweite Pröbchen, das mir irgendwann in den letzten Monaten mitgegeben wurde, heraus. Und da war er – der Duft, hell und klar. Die Gedanken wurden mit jedem Schritt im winterlichen Regen leichter und freier. Leicht fruchtig und holzig, mit dieser wohltuenden Klarheit, die ich schwer beschreiben kann, umhüllt mich die Duftaura für Stunden. Und das wiederum finde ich recht bemerkenswert. Trotz seines transparenten Auftritts bin ich sehr angetan von dieser Haltbarkeit über viele Stunden und der Sillage, dir leicht über körpernah geht, den nächsten sicher streifen wird, doch weit entfernt von rausfühlend.

Die Grappa-Note mag ich noch immer nicht besonders, doch sie kommt nur zu Beginn und verflüchtigt sich auf meiner Haut recht bald wieder.

Ich danke Herrn Polge. Wann immer ich die helle Tage am Meer, Luft und Licht gedanklich heraufbeschwören möchte, reicht ein Hauch N° 18!
6 Antworten
BelAmi vor 5 Jahren 33 7
6
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Puppenhausduft!
Da sitze ich mit meiner 5-jährigen Tochter vor dem Puppenhaus bei ihrer Oma. Ein bildschönes Puppenhaus. Alles Handarbeit. Sechs Zimmer, jedes für sich ein Schmuckstück. Ein Traum für alle, die Puppenhäuser mögen. Eines von der Sorte, die nicht so wirklich kindgerecht sind, weil die Bestandteile alle antik und kostbar sind. Der Tisch mit einer winzigen Butterdose und einer traumhaften kleinen, romantischen Torte bestückt. Ein Kronleuchter (der natürlich auch leuchtet). Ein nostaglisch-schönes Schlafzimmer.. Oma ist eine wunderbare Oma. Und gelassen genug, um ihr Puppenhaus ihrem Enkelkind zu öffnen. Und meine Tochter durchaus vorsichtig. Sie freut sich über jeden Besuch bei Oma. Dann wird die durchsichtige Schutzwand vor dem Haus abgenommen, sie holt sich einen Hocker, klettert rauf, um auch alle Zimmer bespielen zu können und bittet stets um Unterstützung beim Bespielen des Puppenhauses. Diese Mal hatte ich das Vergnügen. Da weht mir aus dem Puppenhaus-Badezimmer – das nostalgisch schön mit Minizahnbürsten und -bechern, Waschschüssel und einem geleerten Chanel N° 5-Extrait-Flakon (noch die 7 ml) bestückt ist, ein sehr angenehmer Duft entgegen. Der leere Chanel-Flakon konnte es nicht sein, das war klar. Was ist das für ein Duft? Für Mon Guerlain ist es zu leise und weich. Die Lavendelnote fehlt. Ich meine neben der leicht süßlichen (nicht klebrigen!) Marshmellow-Note einen Hauch Mandel wahrzunehmen. In Farben gesprochen stieg mir ein rosa farbiger Duft in die Nase. Leuchtendes rosa. Sehr rund, ohne Ecken und Kanten. Und doch irgendwie besonders. Da sticht nichts in der Nase. Ich schaute meine Tochter fragend an. Sie verstand und hielt mir ein Schwämmchen unter die Nase. „Hat Oma besprüht!“ Gut. Wir spielten eine ganze Weile sehr vergnügt. Einer dieser Sonntagnachmittage, wo es draußen regnet und es drinnen so gemütlich sein kann. Beim Abschied wurde mir dann eine Probe Princess von Kilian überreicht. Sie hatte es bei ihrem letzten Einkauf bei Douglas erhalten. Kilian bei Douglas, dachte ich noch. Seltsam. Einige Tage später war ich auf Geschäftsreise in der Hauptstadt. Mein Rückweg kreuzte die Friedrichstraße. Im Lafayette hielt ich nach Kilian Ausschau. Doch Princess (ich kürze ab, der Titel folgt offenbar dem Buchtrend, wonach Buchtitel mittlerweile auch immer länger werden..), Princess war nirgends zu sehen. Doch ein sehr freundlicher Berater klärte mich auf. Princess wurde exklusiv von Kilian für Douglas kreiert. Wie auch die anderen drei Düfte mit diesen runden Flakons, mit dem Sprühkopf im Sockel. Ich hätte diesen Duft also in jeder Douglas-Filiale testen können. Auf dem Weg zum Hauptbahnhof kreuzten zwei Filialen meinen Weg. In die Bahn stieg ich dann mit einem Flakon Princess in der Tasche. Zugegeben der hässlichste und unpraktischste Flakon in meiner Sammlung. Meine kleine Tochter war wild entzückt und schlief an diesem Abend mit den Worten ein: „Mama, ich möchte riechen wie du!“ Ein Kompliment für jede Parfumo-Mama. Zu besonderen Anlässen – wie Papa’s Geburtstagsfeier – begeht sie die Feiern derzeit mit einem kleinen Spritzer Princess auf dem Handgelenk. Ich mag den rosaroten Heileweltduft - an Sonntagen, wenn es draußen regnet und drinnen alles gut ist und wir uns in der Puppenstubenwelt verlieren können.
7 Antworten
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