Bernard

Bernard

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11 - 15 von 15
Bernard vor 9 Jahren 15 3
5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft
Ich fühl mich gut - ich steh auf Berlin!
Aufgrund der unglaublich günstigen Preise kann man sich die Düfte von Harry Lehmann, so auch das Eau de Berlin, locker auch mal ungetestet als Mitbringsel vom Berlin Trip mitbringen. Viel verkehrt macht man da nicht, es gilt zu probieren und entdecken und sich ein wenig über dieses eigenwillige Geschäftsmodell zu wundern, welches sich weit abseits des Mainstreams auch in der dritten Generation gehalten hat.
Und man kann dennoch gewiss sein, hier eine überraschend alltagskompatible und kein bisschen angestaubte Komposition mit dem EdB zu erstehen. Ein frischer Sommerduft für jeden warmen Tag ab April bis in den Spätsommer hinein, aber nicht für den schwermütigen November oder gar einen arschkalten Februartag. Nein, der deutlich zitrisch betonte Auftakt, der bald ins grün saubere, für mich eher maskulin gepflegte wechselt, passt in den Sommer und wird keinen Mitmenschen ärgern, es sei denn man übertreibt maßlos mit der Menge. Das EdC hat die erwartete leichte aber ausreichender und nicht aufdringlicher Silage. Später kommt etwas grünes holziges Eichenmoos durch, nicht dolle aber genug. Es hält locker drei vielleicht vier Stunden mit stetig aber leicht abnehmbarer Tendenz. Ich habe bereits nach zwei Stunden nicht mehr viel ausserhalb meines Dunstkreises wahrgenommen.

Das Ganze kommt nicht gerade sooo top modern rüber, vielleicht wirkt es irgendwie bekannt, schon mal gehört schon mal gesehen, aber nicht einem Trend plump folgend. Für mich stellt dies eher eine eigenständige Interpretation eines urbanen Duftes der geliebten Spee-Metropole dar. Klar doch, ein Eau de Berlin soll in der Nase des Parfumistas jetzt nicht wie Currywurscht, Döner, Bahnhof Zoo, Café Achteck oder U1 in der Rushhour müffeln. Sondern naja spritzig und frisch, wie es eben auf dem Label der großen Flasche des Regals prangt.

Kongenial in ein Lied gepresst und 100 % volltreffend ist Berlin das Dicke B oder es wird Schwarz zu Blau und die Vorwende Generation stand IDEALerweise auf Berlin und fühlte sich gut dabei. Nicht mehr nicht weniger. So geht´s mir nach einigen Probierens auch und das ist allemal eine wohlwollende 80% wert.
3 Antworten
Bernard vor 9 Jahren 12 7
5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft
Berlin - Du bist so wunderrbarrr...
Dieser Herbstmorgen ist so wunderbar kalt und klar, der Berliner Himmel so vielversprechend blau und ich bin auf dem Weg zum Ladenlokal von Harry Lehmann. Die Vorfreude ist bekanntlich die schönste ihrer Art und ich sauge diesen erst langsam wach werdenden Oktobertag auf der herzlich rauhen und leicht schmuddeligen Kantstr. in mich auf. Diese Straße ist sowas wie der ruppige, stets auf Kosten des anderen vernachlässigte Bruder des schillernd überlaufenen Ku-Damms, an dem sich die sogenannten "flagship-stores" der Edeldesigner, Star-Friseuere und Premium-Hersteller von Unterhaltungselektronik nur so aneinanderreihen. Gegen die Vorzeige Einkaufs- und Flaniermeile West-Berlins, die sich in diesen Tagen für die anstehende James Bond Premiere noch mehr rausputzt und die Touristenströme mit gleissender Werbung für Mode, Schuhe, Uhren, smartphones und Parfüm und was weiß ich nicht noch alles in einer Endlosschleife beballert, wirkt die Kantstr. so, als habe man ihr nie das Versprechen eingelöst, sich auch mal endlich um sie zu kümmern. Das musste sie dann eben selbst in die Hand nehmen.

Als ich schließlich den völlig aus dieser Zeit gefallenen Laden von Harry Lehmann betrat, verstand ich mit dem Klingeln der Türglocke geradezu schlagartig, wie die Preispolitik der modernen Kosmetikindustrie und ihrer sündhaft (über)teur(t)en Düfte funktionieren muss. Sie hatte mich ja noch wenige 100 Meter vorher aus den Schaufenstern des KaDeWe und der sich Richtung Westen anreihenden Edelparfümerien LAUT angeschrien. So abgedroschen es klingen mag: man muss diesen Kontrast selber erfahren zwischen Hochglanz und solidem Handwerk, zwischen millionenschwerer Werbeetats und der schon philosophischen Einstellung, das Produkt und nichts anderes als das Produkt und nur das Produkt für sich sprechen zu lassen.

Ich bin voll und ganz auf Seiten meines Vorkommentators Grenouilles, der offenkundig sein Herz an den alteingesessenen Berliner Parfumeur Lehmann verlieren konnte. Warum auch nicht? Ebenso beschreiben Terra und Bertel den Fougère Duft unübertroffen prägnant und selbst für mich Laiendarsteller-Nase sehr gut nachvollziehbar. Es kann dem Nichts mehr hinzugefügt werden, ohne sich dabei zu wiederholen. Bestenfalls traue ich mich an dieser Stelle, die absolute Alltagstauglichkeit dieses EdP zu bestätigen. Garantiert ist es kein "Killer-Duft", der die Damen gleich reihenweise hinschmelzen lässt, kein Duft den man an einem Möchtegern-David Beckham oder ich-wär-gerne-so-arschcool-wie-Daniel-Craig wahrnehmen wird. Gewiss ist er aber ein unaufdringlicher, treuer Begleiter. Ein eleganter Herr ist er schon eher, sehr klassisch gepflegt vom gekämmten akkurat frisiertem Haupt bis zu den akkurat geputzten Oxfords. Keine Show, kein Glamour, kein Getue und Gehabe. Kein bisschen Hipsterkram. Sauberes Handwerk. Solider Stil. Authentischer Stil.

Wie viele Düfte hattet Ihr schon mit dem mehr oder weniger unterschwelligen Gefühl erkauft, eigentlich viel zu viel Geld locker gemacht zu haben für prominente Namen, ein von der Werbung versprochenes Lifestyle-Gefühl oder die schicke Verpackung? Man kann sie innig lieben, sie einfach mögen, sie bestenfalls uninteressant oder meinetwegen sogar abstoßend finden die Parfums Individual von Lehman. Aber um den Faktor 10 oder 20 vielfach teurere Edelprodukte gleichwohl.

Um schlicht und ergreifend nur mal gut zu riechen, bedarf es nicht so viel Drumherum sondern vor allem gute handwerkliche Qualitäten, die ich mir erlaube, Herrn Lehmann aus Berlin zu attestieren. Ich ziehe meine leider schon fast zum Hipster-Assescoir gewordene Schlägermütze und sage artig: Danke schön, Herr Lehmann und Ihnen einen angenehmen Tag noch!

Das eigentümliche wie rundum positive Erlebnis, an den Glasstopfen der schweren, ordentlich aufgereihten und beschrifteten Flaschen zu schnüffeln und von der netten, sich alle Zeit nehmenden Angestellten beraten zu werden, war unübertrieben ein ganz besonderer Berlin-Moment. Dies findet sich in keiner der hier beurteilbaren Kategorien. Verkäuferin mag ich die Dame gar nicht nennen, Beraterin trifft es eher. Dass dann auch noch die soeben erstaunlich günstig erstandenen schlicht-schönen Glasflakons in kunterbuntes Papier eingeschlagen werden, krönt eines der angenehmsten Verkaufsgespräche, des letzen Jahre. Nein, nein nicht ganz korrekt: "verkaufen" können die durchgestylten boys & girls des Ku-Damms evtl. besser. 100 % Wertung hierfür.

Mein persönliches Plädoyer an Euch Freunde des Wohlgeruchs: sucht und findet sie, die Harry Lehmanns dieser Welt. Und empfehlt sie dann allen Freunden, Kennern und Liebhabern unumwunden weiter. Aber bitte leise und unaufdringlich. Schreien, poltern und blenden sollen doch die anderen... (...Düfte).
7 Antworten
Bernard vor 9 Jahren 11
8
Duft
Thank you, Mr. Trumper.
Hätte ich diesen Duft überhaupt irgendwann mal an mich rangelassen?

Wär ich nicht nach endloser Zugfahrt im miefigen ICE in Nürnberger Hotel angekommen, abgeschlagen und müde, dazu noch Kopfschmerz geplagt und mit der Aussicht, den Rest des Abends mit Geschäftspartnern und Kollegen den Abend in der Stadt zu verbringen. Was soll´s, gibt es doch tolle Bratwürstchen an jeder Ecke, an JEDER Ecke. Das Vegetarier-Herz erstarrt angesichts der offensichtlich den Touristenströmen geschuldeten kulinarischen Erfahrung. Ich lebe fleischlos - welch absurder Ort für mich!

Doch, wenn nicht an diesem ach so einzigartigen Abend, wann denn dann bloß mit Spanish Leather eingehüllt dem Unausweichlichen entgegen treten. (Leder, ja nun äh wie erklärt der Veggie DAS denn bitte?).
Das Probenröhrchen dieses Colognes zwischen meinen Reiseutensilien war im Gegensatz zu der Erwartung auf ein weiteres deprimierendes Geschäftsessen einfach viel zu verlockend, als es einfach dem Vergessenwerden zu überlassen.

Einige Tröpfchen auf die Handflächen, ins müde Gesicht und mir kam eine wunderbare Zeile eines Smtihs-Klassikers aus fernen Tagen der 80er prompt in den Sinn: "... and now I know how Joanne of Arc as the flames rosé to her roman nose and her hearing aid started to melt..."

Wie ein Scheiterhaufen oder verkokeltes Hörgerät riecht GFT Spanisches Leder weiß Gott nicht, aber rauchig allemal. Ein warmer, sehr warmer Duft. Also kein beissender Qualm, eher holzig und neben frischem Tabak und einem leicht blumigen Aroma dominiert ein wunderbarer Gewürz-Akkord. Rund, sanft gewürzt, kein Stück übertrieben. Das, was dem Cologne seinen Namen gibt, das Leder, kommt nicht dominant polternd durch. Nach einer halben oder 3/4 Stunde vielleicht, wenn der Rauch sich verzogen hat, nehme ich die Entwicklung - wie auch schon beim Lavendelwässerchenrgend - gar nicht mehr richtig wahr, sondern finde den Duft konstant als in sich in den beschriebenen Noten ruhend.

Ich komm nicht ganz umhin, den Begriff altmodisch zu verwenden. Aber mein Gott, was soll´s?! Ich mag doch den ganzen altmodischen-Vintage-old-school-Kram so sehr und bin stets auf der Suche nach dem guten Alten, diesem verklärend verzerrtem Abbild eines kuscheligen Gestern oder Vorgestern, was so wahnsinnig toll wie in meinem Erinnerungen vielleicht gar nicht war. Heute ist es der willkommene und absolut notwendige Rückzug aus einer immer schrilleren, absurden und lauter schreienden Welt.

Die drei mir bekannten Colognes aus dem Londoner Traditionshaus G.F. Trumper sind alles andere als das, allesamt aus der Zeit gefallen und dann, bitte sehr, mag ich es sehr sehr gerne altmodisch. Alleine dafür verdient dieser herrlich alte Duft, der zu meinem Erstaunen schon seinen 113. Geburtstag hinter sich hat, ein wohlwollendes Urteil. Doch auch, weil er einprägsam und einfach komponiert zu sein scheint. Aber nur so scheint, darin liegt seine wahre Kunst.

Leder und Vegetarismus schließen sich also nicht unbedingt aus. Danke Mr. Trumper.
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Bernard vor 9 Jahren 5 2
2.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Heja Sverige!
Die erste Fähre nach Trelleborg ist nach einer ruhigen Nacht auf der Ostsee noch ein Stündchen unterwegs. Zeit für ne heiße Dusche und anschließend eine gründliche Rasur. Also nichts wie raus aus der Koje der kleinen lauschigen Kabine und sich mit der gebührenden Sorgfalt an das noch schattige Ebenbild im Spiegel der winzigen Dusche gemacht. Den Erben Karl Gustavs und Erfindern der Weltweit sichersten aller Volvos mag ich nur glattrasiert entgegen treten. Im Reiseführer stand jedoch ein sehr ernst gemeinter Hinweis auf die eher sparsame Verwendung von Düften, Parfums und After Shaves. Bei zu starker Geruchspenetration können Ole, Lasse, Inga und Lillebror ihre nordische Gelassenheit vergessen und den Übelriecher des Lokales, Restaurants oder gar Zahnarztbehandlungsstuhls verweisen. Tatsache: zuviel des Guten gilt absolut nicht als "tres chic" im kühlen Schweden.

Statt dass also Österreichs eigenwilligste Kreation "Alt Innsbruck" den Rasierwasser Platzhirsch in meinem Kulturbeutel gab, fiel meine Wahl daher auf eine von Pinaud´s leichteren Plastikpullen als Begleiter auf dieser Nordlandkreise. Als Glasflakon wäre das ne Wucht aber in der Mineralöl-Variante ist die Verpackung des amerikanischen Barbershop-Klassikers erheblich leichter als die aus Durchschuß sicherem Panzerglas und von Steyr-Puch designte Kartusche. Zu dieser Tabak-Granate aus den Alpen muss ich einen Kommentar an gesonderter Stelle geben. Ich muss, ich muss!

Ja aber Classic Vanilla könnte alleine dem Namen nach natürlich volle Möhre nach hinten losgehen. Beim Auftragen auf´s frisch rasierte Gesicht umgibt mich jedoch die liebliche aber doch sowas von haarscharf im maskulinen Bereich liegende Süße des Jasmins. Wohl deshalb noch knapp männlich, weil eine fein austarierte Würze aus Kräutern dies auffängt, und bald die Oberhand gewinnt. Salbei: meinetwegen. Lavendel: hmhm. Nichts ist zitrisch, nichts ist aquatisch, nichts ist moosig. Es folgt eine leichte pudrige Note, ein klitzekleines bisschen in Richtung Honig, die erstaunlich lange für ein AS anhält. Warm und sanft. Die Haut ist popoweich und so glatt, so gründlich, so gründlich, so glatt weil...Nein, nein ich hab doch einen Rasierhobel mit einer Klinge! Ehrensache. Echt jetzt.
Die feiner und samtiger werdende Note bleibt eine Weile mein Begleiter durch diesen herrlichen schwedischen Sommermorgen. Sogar dann noch, als wir auf Kurt Wallenders Spuren durch die frühmorgendlichen Gassen Ystads schlendern. Im grandios altmodischen Hutgeschäft probier ich Duft beseelt einen albernen Hut nach dem nächsten, die liebenswerten Verkäuferinnen nehmen´s schwedisch cool. Keine schiefen Blicke wegen meiner immer noch frisch sauberen Duftwolke? Nein.

Alles richtig gemacht Mr. Pinaud! Pretty old school, my dear. Und erstaunlich zurückhaltend für nen Ami. Sogar für schwedische Nasen.
2 Antworten
Bernard vor 9 Jahren 3 1
7.5
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
Ich wünscht ich wär...
...ein wohlhabender Londoner Gentleman zur Blütezeit des Empire und wär mit nichts anderem beschäftigt, als mich an einem sonnig warmen Herbstnachmittag für den Abend im Club aufzupolieren. Der Salon des Hofparfumeurs Geo F. Trumper in der Curzon Street wäre meine erste Wahl und einziges Ziel meiner sich in Träumereien verlierenden Wege. Die wohlige Atmosphäre von edlen Hölzern, exotischen Teppichen, feinen, eleganten und sauberen Düften, umrahmt mit Jagdmotiven an den vertäfelten Wänden und einem entzückendem Sortiment hinter schweren Bleiglasscheiben empfängt mich ebenso zuvorkommend wie der vollendet höfliche dienstbare Geist hinter dem Tresen. Das alles ist eine in sich einzigartige Oase der Ruhe und Zurückhaltung in der brodelnd stinkenden Metropole des viktorianischen Weltreiches. Alles gedämpft in einem vom vornehm zurückhaltenden Licht der stilvollen dämmrigen Lampen. Das ist Mayfair und nicht Picadilly oder Soho oder gar der Harbourdistrict oder wohlmöglich noch das East End. Gott bewahre!

Trumpers Lavendelwasser beruhigt, es entspannt und duftet wie...ja wie...wie Lavendel. Und wie erstmal! Für Minuten nach nichts anderem. Beruhige Dich. Sagt es mir. Ganz ruhig! Und dann, ganz sachte, wird es etwas süßer und fruchtiger. Frischer gar- Beere, Apfel vielleicht? Nein nein es war... das Cumarin. Oder die zitrischen Öle? Frisch das ganze. Moment, was ist das jetzt? Rosmarin, das ist doch eindeutig und sehr klar vernehmbar Rosmarin. Vielleicht etwas krautig und würzig grün, aber immer noch frisch kommt das Herz dieses Wassers aus dem Hause Trumper nach einer Stunde daher und dann ist er wieder da: der Lavendel. War er überhaupt weg? Bevor er sanft nach vielleicht drei oder vier Stunden verblasst und nur noch schwach und schwächer wahrnehmbar wird. Vielleicht noch am gestärkten Kragen.

Lavendel Wasser ist altmodisch, fein, dezent, sanft, floral und kann in seiner entwaffneder Einfachheit so elegant sein. Genau wie der viel beschriebene viktorianische Gentleman, der mit mir soviel gemein hat wie Jürgen Klopp mit Ottmar Hitzfeld. Weiß Gott, wie ich auf jetzt diese beiden komme. Ich mag Borussia Dortmund überhaupt nicht. Aber das Lavendel Wasser von Trumper sehr. Nicht ganz so sehr wie das sagenhafte Eucris, was aber eine ganz andere Geschichte ist.
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