Bobbel

Fast 15 Jahre ist es her, als meine beiden Schwestern und ich den üppig gefüllten Parfumschrank meiner Mutter aufgelöst haben. Dior, Chanel...nicht so meins...nicht so sehr wie Guerlain, die Marke, die ich schon zu frühkindlicher Zeit passiv und viel später dann aktiv zu lieben lernte. "Shalimar" und "L`Heure Bleue" hatte ich mir bereits zu Teeniezeiten schon selbst zugelegt. Und jetzt kam ich durch den Nachlass meiner Mutter noch in den Besitz einer fast randvollen Flasche "Jicky". Ich mochte diesen Duft an ihr, sie hatte ihn immer zu besonders "selbstbewußten Momenten" aufgelegt. Ein waldiger Duft mit herbem Charme, welcher directement auf die Trägerin überging. Ich probierte ihn dann an mir...aber nein, das war nichts für mich. Ich fühlte mich damals als Jeans-tragende Studentin nicht wie eine toughe Powerfrau, die dazu würdig wäre, sich mit diesem herben, selbstbewußten Charme einzukleiden. Ich probierte ihn von Zeit zu Zeit immer mal wieder - jeweils im Abstand von ein paar Jahren, zuletzt vor ein paar Tagen...und nun ist die Zeit reif bzw. ich bin es und das lange Warten hat sich gelohnt!

Ich habe den Duft als Teenie von meinem Bruder zu Weihnachten geschenkt bekommen. Vielleicht zwei, drei mal habe ich mich damit eingesprüht, aber ich fand es selbst damals als unbedarfter Parfumneuling schon irgendwie gewöhnlich. Mag vielleicht daran liegen, dass es damals wirklich so ein "In-Duft" war, den jede zweite auf dem Schulhof hatte?! Für mich ist es jedenfalls nur einer von diesen zahlreichen Kopfweh-Düften vom "Krabbeltisch-Aufsteller", die man in Drogerien und Parfümerien mittig aufgestellt findet und um die man besser einen großen Bogen macht. Ein Duft, der kommt und wieder geht und den man nicht vermisst, wenn er vom Markt verschwindet.

Paris war mein erstes Parfum, das ich im Jahr 1994 zu Weihnachten geschenkt bekommen habe...mein Teenager-Duft, der mich durch einige Jahre meiner Jugend begleitete. Ich mochte ihn sehr und hatte nur diesen einen...bis ich ihm eines Tages mit Guerlain-Düften untreu wurde. Jahre später entdeckte ich dann wieder meinen noch fast vollen Flakon im Schrank und besprühte mich damit...und was soll ich sagen, ich mag es nicht mehr....das Gefühl dafür ist mir im Laufe der Zeit anscheinend abhanden gekommen. Es riecht gut, es weckt einige Erinnerungen an meine Jugend, doch es ist mir mittlerweile zu streng geworden und ich mag es nicht mehr an mir riechen. Den noch fast vollen Flakon habe ich meiner Schwester geschenkt, die den selben Duft noch heute benutzt und dankend angenommen hat.
Wer weiß, vielleicht rieche ich in zehn Jahren daran und dann es erwischt mich wieder!?

Pünktlich zum ersten wärmenden Sonnenstrahl eines Jahres hole ich ihn wieder aus dem Schrank - meinen alljährlichen Haupt-Sommerduft. Ein angenehm kühler Hauch umweht mich, wenn ich diesen Duft aufsprühe...so grün wie die Flüssigkeit aussieht, so riecht sie auch - wie eine blumige Sommerwiese. Man denkt unweigerlich an all die schönen Sachen, die man endlich wieder machen kann - einfach draußen sein und das schöne Wetter genießen, die langersehnten schönen lauen Abende, die nach dem langen, grauen, dunklen Winter wieder da sind. Ich mag diesen Duft! Er ist blumig, aber nicht zu blumig. Nicht aufdringlich-süß-kopfschmerzig, sondern einfach frisch und unverbraucht...so unbeschwert, wie der Sommer eben ist

Schon Anno 1977, als ich das Licht der Welt erblickte und mir meine Mama das Fläschchen gegeben hat, habe ich diesen Duft wahrgenommen und ja...es hat mich geprägt - bis heute. Jahre später, als ich mir von meinem ersten Geld vom 630-DM-Schüler-Supermarkt-Kassiererin-Job eine 30ml-EDT-Flasche Shalimar gekauft habe, hat mir meine Mutter erzählt, dass es wohl ein frühkindliches Trauma sei. Als "Belohnung" dafür, dass sie mir diesen und so viele weitere Düfte von Guerlain "präsentiert" hatte, schenkte ich ihr einige Monate später eine Seife von Shalimar, die ich in einem Guerlain-Laden in Frankfurts exklusivster Einkaufsstrasse gekauft hatte. Ich war knapp 18, fühlte mich wie die "Frau von Welt" und stolzierte erhobenen Hauptes mit meiner blauen Guerlain-Papiertüte durch die Straße. Diese Tüte besitze ich bis heute und hüte sie als wertvolle Erinnerung. Denn ich bin im nachhinein immer noch so unendlich froh, dass ich mein erstes Geld nicht wie jeder andere Teenie nur in H&M-Klamotten, sondern in kostbare Guerlain-Geschenke für meine Mutter investiert habe - denn leider hatte ich nicht mehr viel Zeit mit ihr, bis sie diese Erde verließ.
Es gibt keinen anderen Duft, der mich schon mein Leben lang begleitet und mich auch für immer begleiten wird und es gibt nichts, was meine Mutter besser wieder auferstehen lässt, als dieser Duft. In diesem Duft lebt sie weiter für mich...