Mes amours à Grasse Teil 5 - Chez Géodora, Molinard, 1000 flowers und Evanescence

Der heutige Tag steht, anders als Karfreitage bei mir sonst, ganz im Zeichen der kleinen Parfümerien vor Ort. Alle Läden sind geöffnet, ich lasse mir Zeit für die Düfte, komme mit den Inhaberinnen ins Gespräch und bewundere moderne, liebevoll gestaltete Boutiquen. Ich nehme mir vor, wenn ich etwas Neues kaufe, über meinen olfaktorischen Flaconrand zu schauen und neue Duftrichtungen in meine Sammlung aufzunehmen, meine Signatur also zu erweitern.

Bei Galimard erwerbe ich ein Probeset der Reihe "Collection privée", die mich gestern beeindruckt hatte, besonders "Musc Royal". Diese Boutique ist eher so gestaltet, wie ich es kenne. Die hölzernen Flacons oben haben es mir angetan.

Auf dem Weg zur Place aux Aires, dem historischen Ort des Gerberhandwerks, an dem sich drei Herstellerboutiquen befinden, komme ich vorbei an einem Laden mit Parfumessenzen, Seifen, Duftkerzen und außerdem Parfums von Honoré Payan, einer Traditionsmarke, die auch hier mit vielen Parfums gelistet ist, aus allen Duftfamilien. Meine Favoriten sind "Mustang", ein grüner Duft und "Maeva", mit Orchidee, die aber beide nicht hier gelistet sind. 

Das zum Anlass genommen, über Traditionshäuser zu sprechen. Ich erfahre, dass es inzwischen Marken sind, die Fabriken sind unter Umständen ganz anders organisiert und auch die großen alteingesessenen Häuser haben nicht unbedingt die lange Tradition, die sie vorgeben. Der große Firmengründer und Innovator aus Grasse, Chiris, zum Beispiel, wurde aufgekauft. Übrig bleiben Marken.

An der Place aux Aires befindet sich Géodora, das Geschäft der Eheleute Gatti, Gérard Gatti kreiert die Düfte und ist auch schriftstellerisch unterwegs, Hélène Gatti ist im Verkauf tätig, fertigt aber auch Seifen und Duftkerzen und entwickelt sehr künstlerische und nachhaltige Verpackungen. Ich mag eigentlich keine Duftkerzen, aber diese werde ich mir bestellen, wenn die Entwicklung des Produkts abgeschlossen ist. Es sind kleine Juwelen und die Substanz kann auf der Haut getragen werden.

Der Laden ist auch ein Juwel. Unter den Glasglocken sind Tücher mit dem Parfum getränkt, was einen guten Eindruck des Duftes nach dem Drydown vermittelt.

Es gibt insgesamt etwa 15 Düfte, also eine übersichtliche Zahl, sie werden wie bei Fragonard in lichtundurchlässigen und nachfüllbaren Metallbehältern verkauft und sind erstklassig. Fein komponiert, intensiv, warm, ausgewogen. Es fiel mir schwer, mich zu entscheiden und so nahm ich mir die Probesets mit. Einen kleinen Flacon habe ich dann doch gekauft und eine gute Zeit mit der sehr kundigen Hélène verbracht...

...in diesem feinen Ambiente mit Kunstmoos an der Wand, das sehr zu mir gesprochen hat. Das muss man größer ziehen, um es richtig zu sehen.

Nebenan ist das Haus - die Marke? - Molinard mit der wunderbaren lila Wand in Anlehnung an die Farbe von Lavendel, Veilchen und Flieder, typische Blüten der Provence, die zum Titelbild geworden ist, man beachte die Gestaltung mit Kupferrohren. Molinard datiert sich ab 1849 in fünf Generationen und verkauft für jede Generation einen typischen Duft, das gefällt mir. Sie produzieren in Grasse und bieten Führungen durch Fabrik und Labor an. Besonders bekannt und gerade heute hier besprochen ist "Habanita", ein Duft für eine temperamentvolle und selbstbewusste Frau, der auch mir gut gefällt. Auch Molinard hat ein noch übersichtliches, aber dennoch facettenreiches und sehr gut gearbeitetes Angebot, das machte die Entscheidung schwer. Ich habe schließlich, um das mal auszuprobieren, zwei Roll-ons mitgenommen und eine neue Duftrichtung in meine Flaconsammlung aufgenommen. Élisa hat mich gut dabei beraten und mir immer mal wieder die Dose mit den Kaffeebohnen zum Neutralisieren gereicht. Das ist hier Standard.

Gestern hatte ich einen Besuch bei Jessica Buchanan und ihrer Marke 1000 flowers ausgemacht, einer Kanadierin, die der Düfte wegen nach Grasse kam, Aromatherapie gelernt hat und ihre eigenen Düfte kreiert. Gestern hatte ich mich gleich in "Pink Pepper Wood" verliebt. Heute kam "Ode" dazu, ein zugleich grüner und würziger warmer Duft. Zwei ihrer Düfte sind hier weniger gut besprochen, ich werde eigene Bewertungen einbringen, das hat sie nicht verdient, finde ich. Auch Ihre Verpackungen sind äußerst liebevoll gestaltet.

Auch sie bietet die Düfte unter Glasglocken an. Weiße Papierblumen veredeln das Ambiente in ihrem kleinen Laden.

Sie hat mir das Wissen über Traditionshäuser vermittelt, das ich oben zum Besten gegeben habe und ist sehr zugänglich und warmherzig.

Am Ende meiner Runde begebe ich mich noch einmal in den Laden, den ich am ersten Tag entdeckte, der einige Nischenmarken anbietet: Evanescence. Ich habe bereits die "Collection Fleur Oranger" getestet, eine der drei von Sylvaine Delacourte, ehemals oder immer noch bei Guerlain ("L'instant"), mit fünf Parfums, die mir gut gefallen. Wenn ich meinen Favoriten gefunden habe, kann ich die Düfte auch weitergeben. Außerdem "Olibanum", die die Duftnoten über den archaischen Weihrauch in Szene setzt, hier sind "Sacra" und "Opoponax" meine Favoriten. Das Probeset zur Marke "versatile", die intensive Extraits produzieren, zum Verreiben des Dufts auf der Haut, um ihn neu zu aktivieren, konnte ich nicht testen, weil ich die Proben nicht aufbekam. Dann also heute. Die Namen sind originell und die Konzepte dazu, wie "god bless cola", das nach Cola, Popcorn und Süßkram riecht, überzeugend komponiert. "dimanche flemme" (so in etwa "lazy Sunday morning") erwähnte ich bereits. Ich bin froh über das Probeset, das ich hoffentlich noch aufbekomme, aber einer dieser kleinen Flacons hat es in meine Sammlung geschafft. 

Ich habe neu entdeckt "L'Atelier Parfum", die Emotionen erwecken wollen wie "Belle Joyeuse" oder "Douce Insomnie" mit starken Kompositionen. Auch hier gab es ein Probeset. Von der Marke "L'essence des notes" waren gerade alle Proben ausverkauft, ich musste mich also entscheiden. Hier geht es um die Unterstützung von Eigenschaften wie Vertrauen, Harmonie oder Romantik, denen Düfte zugeordnet sind, das klingt nach Aromatherapie, ist aber mehr. Und schließlich noch die Lieblingsmarke der Inhaberin - leider habe ich nicht mehr nach ihrem Namen gefragt - "de lune" mit vier Duftnoten wie zum Beispiel "Cologne ambrée". Die Marke "Carner" aus Barcelona habe ich liegen gelassen, aber Proben geschenkt bekommen, die findet sie auch sehr gut. Sie kennt sich aus, ist sehr zugänglich und ich war froh, die Marken kennenlernen zu können, die ich bei uns noch nicht gesehen habe. Fürs Foto haben wir das Regal mit den drei Kollektionen von Sylvaine Delacourte ausgewählt.

Ich werde also noch den einen oder anderen Duft beschreiben und versuchen, gute Fotos zu machen. Obwohl es ein intensiver Tag war und meine Nase sehr viel aufnehmen musste, fühle ich mich erfüllt und zufrieden, durch die Begegnungen angeregt und begleitet und mit großartigen Kleinoden beschenkt.

Ein Wort noch zu den Preisen. Ich fand sie alle moderat und es gibt häufig auch kleine Flacons. Einzig die "Collection privée" ist teuer, ich denke aber, dass der Preis durch die Qualität der Produkte gerechtfertigt ist.

Durch meine olfaktorischen Stadtspaziergänge begreife ich, was der Titel "Immaterielles Kulturerbe der Menschheit" für die Stadt Grasse bedeutet. Nicht nur ermutigt sie die kleinen Betriebe, regional und nachhaltig zu produzieren, die Natur zu bewahren und eigene Felder zu bewirtschaften, ihre eigenen kleinen Läden zu behaupten, sondern auch Traditionen wie die Feste in der Erntesaison zu pflegen und ihre Kunst dem Rest der Welt zugänglich zu machen. Jessica Buchanan, die Weitgereisteste, aus Kanada, kennt nichts Vergleichbares auf der Welt. Auf dem zentralen terrassenartigen Platz "Cours Honoré Cresp" gibt es zum fünfjährigen Jubiläum des Titels eine Fotoausstellung mit den Menschen, die in den verschiedenen Bereichen der Parfumherstellung arbeiten. Mit einem dieser Bilder und dem Wunsch, das Kulturerbe auch anderswo so zu schützen, damit es sich behaupten kann, schließe ich heute.