Dan93

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6 - 10 von 45
Dan93 vor 3 Monaten 6 6
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Sale del mare di grotta verde
Wie im Zeitraffer klappen die Sonnenschirme allmählich zusammen.

Handtücher werden von den Liegen gezogen, die Reste aus dem Aperolglas landen im Sand.

Noch schnell das letzte Viertel des Arancinis gegessen und die Tasche über die Schultern geschmissen.

Das Treiben der Herde zu ihren Autos, Biciclettas oder Vespas ist schon lichter geworden, als ich mir meinen Weg über die alte terracottafarbende Treppe des Strandhauses hinunter bahne.

Der Weg zum Meer ist nicht weit, salzige Meeresluft weht mir mild und sanft entgegen.

Am Strand ist durch den Sturm vor zwei Wochen einiges angespühlt worden. Algen, aus dem Mittelmeer entrissen, getrocknet in der brühtenden Hitze dieses Augustes, verströmen einen Duft, der Erinnerungen an etliche Strandtage in mir hochkommen lässt.

Meine Füße werden von der Gischt fest umschlossen. Der weiße Schaum durchdringt meine Zehen und das auf ihn folgende Wasser spült ihn gleich wieder weg.

Ich mache noch ein paar Schritte und schmeiße mich rückwärts in die Fluten. Für einen Moment treibe ich unter Wasser. Alles still und orientierungslos. Das Wasser des Meeres hat mich aufgenommen, beinah aufgesogen und die Kontrolle über mich erlangt.

So treibe ich dahin, entlang der grotta verde, deren Steinwände von Algen besetzt sind. Das Licht der untergehenden Sonne hüllt den Innenraum der Grotte in einem warmes grün.

Das Meerwasser prallt an das Gestein und feine Wasserspritzer treffen meine Gesicht.

Ein magischer Moment in der grotta verde.
6 Antworten
Dan93 vor 7 Monaten 6 4
9
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Tourne la tete!
Selten hat mich ein Duft so verwirrt.
Ich bin kein großer Fan von Jasmin, welcher hier sehr dominant und präsent ist.
Synthetik wird mir oft zu viel und zu laut.
Damaszener-Rose kann ich überhaupt nicht leiden
Das Ganze gepaart mit einer hellen Zitrik, die von Mandarinensüße gedämpft wird.
In der Basis dann ordentlich Räucherwerk, Holz und Synth-Moschus.

Das klingt alles erstmal so gar nicht nach meine Duft-DNA!

Der erste Sprüher aus dem Sample überrascht mich. Es fühlt sich an als hätte mir eine Cobra in die Nase gebissen. Floral-Frisch-würzig sticht es in der Nase! Furchtbar, aber wunderschön!

Ich nehme kurz Abstand, um mich zu vergewissern, dass ich nicht gerade an meinem "Asian Allrounder"- Gewürz gerochen habe. Ein zweites Mal führe ich meine Nase zum Handgelenk und da packt es mich...

“2016, Nam Tu Liem, Hanoi, Vietnam, 21,03971° N, 105,76724° O, ich stehe auf einem kleinen Marktplatz. Mopeds und Menschen kreisen um mich. Die Luft ist dicht, lässt kaum Platz zum Atmen.

Ein Mann hält eine Machete in die Luft und wenige Augenblicke donnert das schwere Messer auf ein Schweinekopf. Daneben Kinder, die mit Spatzen spielen, als wären es Spielfiguren. Ich gehe weiter, die Sonne drückt den Smog über der Stadt auf die staubigen Straßen des Viertels am Rande Hanois. Etliche Bambuskörbe, wo sie huderte Welpen und exotische Tier halten. Reisdampf steigt neben mir auf. Der junge Mann möchte mir seine Delikatessen verkaufen, aber ich lehne dankend ab. Die Cobras und Skorpione in den etlichen Gläsern an seinem Stand irritieren mich zunehmend.

Plötzlich ein Hauch frische Luft. Der Wind hatte gedreht und den Duft von Weißblühern, Vanille und Rosen zu mir geweht. Leider nur eine Illusion, wie vieles in dieser Stadt. Es zischt und aus dem Fenster des kleinen Hostels entflieht der Nebel eines Raumsprays.

Je länger ich mich auf dem kleinen Markt aufhalte, desto mehr Gewürze, Blumen und Früchte entdecke ich, deren Gerüche mit der Zeit eins werden"

Das ist es was einen Duft ausmacht! Manchmal spricht alles dagegen, was man liest oder hört, aber die eigene, die ganz subjektive Wahrnehmung von Duftkunst macht das Ganze hier doch wirklich spannend!

Ist es ein Duft den ich blind (ohne Namen, Duftpyramide oder Informationen) gekauft hätte?
JA! Weil er mich gecatcht hat. Er lässt mich nicht los.

Trage ich diesen Duft privat?
JA! Denn manchmal reicht es eine Erinnerung in Duftform mit sich zu tragen, um manch tristen Tag, heller werden zu lassen!

4 Antworten
Dan93 vor 7 Monaten 16 7
10
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Die toxische Transformation nach Freud
Freud unterteilte die Angst in drei Kategorien.

Aus seinem Persönlichkeitsmodell vom Es, Ich und Über-Ich gehen folgende Theorie über die Angst des Menschens hervor.

Die realistische Angst vor dem zu fliehen, was schädlich ist, vor dem, was auf unsere Integrität, auf unser Überleben einen negativen Einfluss haben könnte. Sei es Naturgewalten oder ganz banal der Geruch von Feuer in unserem Haus.

Die neurotische Angst beschreibt, wie wir auf Fakten, Gedanken und Ideen reagieren , die nur in unserem Kopf, aber nicht außerhalb, nicht in unserer Umwelt bestehen und die damit nicht real sind. Der uns allen bekannte Kontrollverlust oder die Nervosität vor unbekannten Ereignissen.

Die moralische Angst schließt hier den Kreis. Sie wird weitesgehend vom Über-Ich bestimmt. Es ist diese innere soziale Welt, die wir alle dort haben, wo unser “Soll”, unsere “unbewussten Mandate” und diese Angst oder Scham vor Versagen in allen ihren Formen, sei es Verruf, Einsamkeit oder die Entlassung, inszeniert werden.

Das Thema Angst und der Umgang mit ebendieser ist umfangreich und tiefgründig, genau wie unser aller Ängste selbst.

Filippo Sorcinelli hat diesen Duft der Angst gewidmet. Stellt man den künstlerischen Aspekt und Prozess mit der beigelegten Schere und der damit verbundenen Aufforderung zur Interaktion mit dem Flakon erst einmal beiseite, so fokussiert man sich nur auf den Duft.

Rein olfaktorisch ist er reichlich zitrisch durch die herbe Zitronatzitrone, grün durch seine floralen Elemente und dann doch sehr monoton warm-holzig mit dezentem aquatischem Schein.

Das klingt jetzt alles erstmal sehr wild und beinah nach einem schönen Sommerduft. Weit gefehlt!

Sorcinelli hat in diesem düsteren in Leder eingebundenen Flakon etwas viel dunkleres und mythischeres abgefüllt. Der Duft fesselt seinen Träger. Fast als müsste man sich mit der Schere selbst befreien!

Der Duft erinnert mich beinah etwas an Angstschweiß, also einen Geruch den wir alle kennen.

Sorcinelli hat es wieder einmal geschafft einen Duft zu kreieren, der Emotionen, Gedanken und in diesem Fall die Angst perfekt thematisiert und verkörpert.

Den Bogen zum wunderschönen Flakon mache ich, ganz untypisch über den Preis. 220€ für 100ml Extrait halte ich für gerechtfertigt. Der Duft bildet eine sehr humane und dezente Silage und bleibt gerne länger als 8h auf der Haut.

Der Flakon kommt mit einer Schere, die den Zwecke hat, dass man den Flakon damit aus seinem Einband "befreit". Das ist nicht nur eine spaßige Aktion, sondern für mich eben auch sinnbildlich...

kleiner disclaimer: Die Definition von Freuds Theorien zur Angst sind nicht wortgleich mit seinen Schriften und sollten hier nur als Rahmen für die Rezension stehen.
7 Antworten
Dan93 vor 11 Monaten 5 4
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Zwischen Karibik und dem Golf von Mexiko.
"Hier ist alles entschleunigt, beinah ruhig." sagte der Barkeeper zu mir, während er die Ingredienzien meines Gin Tonics zusammenrührte und mit einer Orangenschale garniert.

Typisch für die Provinz Pinar del Rio, hier am äußeren Westen Kubas, ist es wirklich entschleunigt. Die Menschen bewegen sich ohne Eile. Die Flora und Fauna ist sattgrün und die Mittagspausen werden lange zelebriert, da es bei den nur knapp 35 Regentage im Jahr hier auch ganz schön heiß werden kann.

Eben diese Hitze war mir auf den Kopf geschlagen. Der Gin mit dem im Tonic enthaltenen Chinin, soll hier ein wenig Abhilfe schaffen...

Er schiebt mir die Financial Times hinüber, die ich dankend ablehne.

Kurz nach 4pm verlasse ich die Bar und gehe entlang der Promenade, wo Fischer ihre Tagesfänge abladen und die Wasserflugzeuge mit den frischen Tabakernten beladen werden.
Dies sind die hochwertigsten Lieferungen, die direkt an wohlhabende US Tabakhändler verkauft werden, die sich teilweise auf dem Flug bereits ihre erste Cubanita drehen lassen.

Der Duft der frischen Tabakblätter, samt ihrer Blüten liegt in dieser Gegend schier überall in der Luft.

An besonders warmen Tagen geht dieser süß-herbe Duft eine einzigartige Symbiose mit den stets blühenden Gewächsen ein, deren Nektar die vielseitige Bienenkultur bereichert. Auch deren Lebensart scheint hier einem anderen Rhythmus zu folgen. Hier sind sie nicht bedroht. Kein Imker, kein Konzern möchte an Ihren Honig, obgleich er köstlich seien muss, so intensiv, wie sein Aroma in der Luft zirkuliert.

Ich erreiche mein Appartement und lasse mich in die Hängematte auf der Veranda fallen. Das Rauschen der seichten Wellen und der wohltuende Duft meines Rückzugsortes, fernab von Wallstreet und Smog, lässt mich gut schlafen.
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Dan93 vor 12 Monaten 7 8
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Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9.5
Duft
Die Spuren im Wald
53.2204° N, 95.2669° E
Sayanggebirge
06.12Uhr

Die Nacht war kalt und hat das Tal in einen Schleier aus Nebel und Taufrost gelegt.

Die ersten Sonnenstrahlen werfen lange Schatten über das Bergpanorama.

Seine Reserven neigen sich dem Ende zu. Ein wenig Biberfett, Bergkräuter und Trockenfleisch.

Tagelang verfolgt er das Tier schon. Es war der größter Zwölfender, den er jemals in diesem Pass gesehen hatte.

Sein Schuss hatte, aufgrund des heftigen Schnellfalls, sein Ziel nur gestriffen.

Das verletzte Tier war stark
genug gewesen, weitere 12 Stunde durch die karge und steile Berglandschaft zu flüchten.

Nun wurden die Schritte kürzer und die Blutspur größer.

Weitere zwei Stunden Fußmarsch lagen hinter ihm, bis er plötzlich stoppte. Er nahm diesen unverkennbaren Geruch war. Viel intensiver, als er es von anderen Jagden kannte, aber er wusste inständig, dass seine Suche hier zuende gehen würde.

Auf einer Lichtung, tief im Nadelwald lag der gewaltige Hirsch und war kraftlos zusammengefallen.

Er hechelte und war vollkommen ausgelaugt.

Es war die Pflicht des Jägers das Tier von seinem Leid zu befreien.

Je näher er der Lichtung kam, desto stärker wurde der Geruch, der den Moment begleitete.

Nun stand er da. Seine Beute, sein Ziel vor sich liegend. Am Rand des Lebens. Er hielt einen Moment inne, da etwas in ihm unruhig wurde.

Was seine Augen nicht sehen konnten, hatte seine Nase unmittelbar in direkter Nähe wahrgenommen.

Die Leute werden später sagen, er habe das Sajangebirge und seine Bewohner bestens gekannt und gewusst, was ihn nun erwarte, aber dennoch kam der tödlich Angriff unerwartet…
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