Was gestern noch stank, ist heute Duft?
Immer wieder lese ich in Kommentaren oder Statements: „Muss man mehrmals testen“ oder „Beim ersten Mal gefiel er mir nicht, aber jetzt bin ich geradezu süchtig“ oder ähnliches. Und das brachte mich ins Grübeln. Ich trage heute VIELE Düfte, die für mich im für mein Sparschwein goldenen und fetten Zeitalter vor Parfumo komplett untragbar gewesen wären. Die Düfte aus dem Hause Grossmith hätte ich mit absoluter Sicherheit schlicht mit „Bäh“ bewertet – und so mancher meiner anderen Lieblinge hätte es auf keinen Fall über meine Schwelle geschafft.
Der Einstieg in den freien FAll der Parfumhölle, in der an JEDER Ecke Versuchungen lauern, war schleichend – und sehr befördert durch raffetückische Parfumos und Parfumas, die ersoukten Flakons zahlreiche Pröbchen beilegten. Die durften meiner neugierigen Nase natürlich keinesfalls entgehen – und so begann im Lauf der Zeit fast unmerklich meine Nase ein Eigenleben zu entwickeln und Düfte toll zu finden, die ich beim ersten Mal riechen sofort abgelehnt hatte. Die Entwicklung war von zarten, blumigen Düften mit mäßiger Haltbarkeit und äußerst diskreter Hautnähe hin zu schwereren, die sich über Stunden entwickeln und verändern – mitunter auch mit einem ganz ordentlichen Duftschweif ausgestattet, den ich dann vermutlich den ganzen Tag fröhlich hinter mir herzog.
Eines Tages kam es, wie es kommen musste und mein Mann von einer Dienstreise zurück – es war Hochsommer, sicher 30 Grad plus – und er überreichte mir mit einem etwas verlegenen Grinsen ein duftendes Mitbringsel, das ihm vermutlich am Flughafen herrenlos und einsam über den Weg lief, begleitet von den diplomatischen Worten: „Ich dachte, dass vielleicht jetzt, wo es so heiß ist, so ein leichter Duft ja doch auch etwas ist, was möglicherweise in deiner Duftschublade noch fehlt….“ Und da behaupte noch einer, dass 25 Ehejahre einen nicht automatisch zum weltbesten Diplomaten werden lassen!
Da ziemlich zur gleichen Zeit eine meiner lieben Kolleginnen – unsere Bürotüre ist fast immer offen – beim Betreten des Raumes in der Früh recht hörbar (und in meinen Ohren etwas dramatisch…) Luft holte und kommentierte: „Na holla, heute ist es aber wieder einmal (!) das extra-starke Parfum“, hatte ich das Gefühl, es könnte ja doch eventuell ein Funken Wahrheit in den Nasen meiner Umgebung liegen. Das Mitbringsel meines Mannes fand in den Nasen meiner Kolleginnen Gnade – und inzwischen trage ich manche Parfums, von denen ich weiß, dass sie jemanden stören, in diesen Situationen gar nicht mehr. Unglückseligerweise ist darunter auch einer meiner absoluten Lieblinge, den ICH als perfekt bürotauglich und geradezu zart-zurückhaltend (besonders im Vergleich zu vielen anderen Schätzchen in meiner Lade!) empfinde, nämlich „Le Cri de la Lumière“ von Parfum d’Empire...
Die einzige Duftkomponente, die mir gerade einfällt, um die ich tatsächlich noch immer einen großen Bogen mache, ist Oud – und wer weiß, vielleicht, wenn noch einige Parfumo-Jahre ins Land gehen, ob dann nicht auch da meine Nase einmal nicht mehr „Kuhstallalarm“ schreit, sondern wohlgefällig zu zucken beginnt, wenn Oud sie umweht.
Und doch frage ich mich dann manchmal: Wie riecht dieser Duft, den ich mir quasi „errochen“ habe, wohl für jemanden, der ihn zum ersten Mal vor die Nase bekommt? Und da bin ich eigentlich ziemlich froh, dass ich Menschen in meiner Umgebung habe, die, wenn ich hin und wieder einmal ein wenig olfaktorisch über die Stränge schlagen sollte - natürlich nur rein theoretisch-, mir das auch sagen: Liebevoll, aber mit Nachdruck.
Wie ist das bei euch: Habt ihr euch auch Düfte im Lauf der Zeit liebgerochen, die ihr zu Beginn gar nicht so sehr mochtet? Und die Gretchenfrage: Riecht Oud nun wirklich nach dem feuchten Hinterteil von (natürlich sehr, sehr prachtvollen) Kühen?
Eure Duftsucht
Da ich grundsätzlich kein Problem mit Animalik in Düften habe mag ich Stall-Oud,aber Stall ist nicht gleich Stall.
In meinem Stall riecht es nicht nach Kuh u. deren Hinterlassenschaften, sondern mehr nach Pferd u. Heublumen.
Was ich aber bestätigen kann ist...
Die Erfahrung kann ich teilen. Momentan ziehen mich eher etwas extravagante Kompositionen an. Mitunter ist es für mich schwer auf die Nutzung eines bestimmten Duftes zu verzichten, bei dem ich weiß das er Menschen nicht gut zumutet. Andererseits gefällt es mir dann mit einem Duft aus einer Norm herauszufallen und womöglich zu provozieren.
Ich kenne es ja aus meiner eigenen Vergangenheit... mochte viele Düfte früher garnicht, wo ich heutzutage drin baden könnte.
Ich habe mir die Frage auch schon gestellt, ob ich mir Düfte "schön riechen" kann, wie das mancher Andere hier offenbar schafft. Bei mir funktioniert es nicht. Ein Parfum muss mir von vorn bis hinten richtig gut gefallen, sonst hat es keine Chance. Und ich mag im Prinzip noch die gleichen Duftnoten wie in meiner Vor-Parfumo-Zeit. Okay, es sind ein paar dazu gekommen wie z. B. Amber oder....
Künstevergleich könnte weiterhelfen. Es geht uns doch bei Intensivierung der Beschäftigung mit einer Kunstform (Musik, Literatur, Malerei etc. -oder Parfum) stets ähnlich: was eingangs der Hit war, wird irgendwann gewöhnlich evt. langweilig. Neues, Anderes, Raffinierteres soll her und fasziniert mehr. Und natürlich geht das Umfeld diese Wege nicht automatisch mit...
Das sind Entwicklungs- oder Bildungsprozesse; nicht einfach, andere da mit einzubeziehen...