Duftsucht
Duftsuchts Blog
vor 5 Jahren - 08.07.2020
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Was gestern noch stank, ist heute Duft?

Immer wieder lese ich in Kommentaren oder Statements: „Muss man mehrmals testen“ oder „Beim ersten Mal gefiel er mir nicht, aber jetzt bin ich geradezu süchtig“ oder ähnliches. Und das brachte mich ins Grübeln. Ich trage heute VIELE Düfte, die für mich im für mein Sparschwein goldenen und fetten Zeitalter vor Parfumo komplett untragbar gewesen wären. Die Düfte aus dem Hause Grossmith hätte ich mit absoluter Sicherheit schlicht mit „Bäh“ bewertet – und so mancher meiner anderen Lieblinge hätte es auf keinen Fall über meine Schwelle geschafft.

Der Einstieg in den freien FAll der Parfumhölle, in der an JEDER Ecke Versuchungen lauern, war schleichend – und sehr befördert durch raffetückische Parfumos und Parfumas, die ersoukten Flakons zahlreiche Pröbchen beilegten. Die durften meiner neugierigen Nase natürlich keinesfalls entgehen – und so begann im Lauf der Zeit fast unmerklich meine Nase ein Eigenleben zu entwickeln und Düfte toll zu finden, die ich beim ersten Mal riechen sofort abgelehnt hatte. Die Entwicklung war von zarten, blumigen Düften mit mäßiger Haltbarkeit und äußerst diskreter Hautnähe hin zu schwereren, die sich über Stunden entwickeln und verändern – mitunter auch mit einem ganz ordentlichen Duftschweif ausgestattet, den ich dann vermutlich den ganzen Tag fröhlich hinter mir herzog.

Eines Tages kam es, wie es kommen musste und mein Mann von einer Dienstreise zurück – es war Hochsommer, sicher 30 Grad plus – und er überreichte mir mit einem etwas verlegenen Grinsen ein duftendes Mitbringsel, das ihm vermutlich am Flughafen herrenlos und einsam über den Weg lief, begleitet von den diplomatischen Worten: „Ich dachte, dass vielleicht jetzt, wo es so heiß ist, so ein leichter Duft ja doch auch etwas ist, was möglicherweise in deiner Duftschublade noch fehlt….“ Und da behaupte noch einer, dass 25 Ehejahre einen nicht automatisch zum weltbesten Diplomaten werden lassen!

Da ziemlich zur gleichen Zeit eine meiner lieben Kolleginnen – unsere Bürotüre ist fast immer offen – beim Betreten des Raumes in der Früh recht hörbar (und in meinen Ohren etwas dramatisch…) Luft holte und kommentierte: „Na holla, heute ist es aber wieder einmal (!) das extra-starke Parfum“, hatte ich das Gefühl, es könnte ja doch eventuell ein Funken Wahrheit in den Nasen meiner Umgebung liegen. Das Mitbringsel meines Mannes fand in den Nasen meiner Kolleginnen Gnade – und inzwischen trage ich manche Parfums, von denen ich weiß, dass sie jemanden stören, in diesen Situationen gar nicht mehr. Unglückseligerweise ist darunter auch einer meiner absoluten Lieblinge, den ICH als perfekt bürotauglich und geradezu zart-zurückhaltend (besonders im Vergleich zu vielen anderen Schätzchen in meiner Lade!) empfinde, nämlich „Le Cri de la Lumière“ von Parfum d’Empire...

Die einzige Duftkomponente, die mir gerade einfällt, um die ich tatsächlich noch immer einen großen Bogen mache, ist Oud – und wer weiß, vielleicht, wenn noch einige Parfumo-Jahre ins Land gehen, ob dann nicht auch da meine Nase einmal nicht mehr „Kuhstallalarm“ schreit, sondern wohlgefällig zu zucken beginnt, wenn Oud sie umweht.

Und doch frage ich mich dann manchmal: Wie riecht dieser Duft, den ich mir quasi „errochen“ habe, wohl für jemanden, der ihn zum ersten Mal vor die Nase bekommt? Und da bin ich eigentlich ziemlich froh, dass ich Menschen in meiner Umgebung habe, die, wenn ich hin und wieder einmal ein wenig olfaktorisch über die Stränge schlagen sollte - natürlich nur rein theoretisch-, mir das auch sagen: Liebevoll, aber mit Nachdruck.

Wie ist das bei euch: Habt ihr euch auch Düfte im Lauf der Zeit liebgerochen, die ihr zu Beginn gar nicht so sehr mochtet? Und die Gretchenfrage: Riecht Oud nun wirklich nach dem feuchten Hinterteil von (natürlich sehr, sehr prachtvollen) Kühen?

Eure Duftsucht

24 Antworten
BlauemausBlauemaus vor 5 Jahren
Und was ich gar nicht mehr trage - aber damit bin ich vermutlich nicht die einzige - sind Drogeriedüfte. Insgesamt bin ich inzwischen bereit, auch mal ein wenig Geld in Düfte zu investieren.
BlauemausBlauemaus vor 5 Jahren
Liebgerochen vllt. nicht gerade, aber abgerochen. *g* Mochte ich zu meiner Anfangszeit sehr gerne Blümchendüfte, sind mir diese inzwischen langweilig geworden. So ab und zu trage ich die trotzdem noch gerne zwischendurch, wenn ich mal wieder zuviel getestet habe. Insgesamt bin ich jedoch schon meinen Duftvorliebe für helle, eher leichtere Düfte treugeblieben.
ExUserExUser vor 5 Jahren
Noch vor einem Jahr hätte man garantiert keinen zitrischen Duft in meiner Sammlung gefunden, inzwischen hat es zumindest Zara's Pampelmuse dahin geschafft.
Da ich grundsätzlich kein Problem mit Animalik in Düften habe mag ich Stall-Oud,aber Stall ist nicht gleich Stall.
In meinem Stall riecht es nicht nach Kuh u. deren Hinterlassenschaften, sondern mehr nach Pferd u. Heublumen.
BeatriceABeatriceA vor 5 Jahren
Oud habe ich am Anfang meiner Parfumo-Zeit sehr gemocht, irgendwann hat die Begeisterung nachgelassen. Es geht also auch in die Gegenrichtung :)
Melisse2Melisse2 vor 5 Jahren
Mir ist bewusst, dass einige meiner Lieblingsdüfte auch für mich anfangs sperrig waren. Aber da ich Düfte für mich selber trage, mache ich mir nicht viele Gedanken darüber, dass meine Umwelt sich nicht langsam an Narcisse Noir herantasten konnte. Allerdings würde ich solche Düfte nicht auf der Arbeit tragen und auch nicht im Theater, wo ich jemanden belästigen könnte.
PollitaPollita vor 5 Jahren
Ich bin eher ruhiger geworden. Früher musste es fast immer Vanille und süß sein. Jetzt habe ich sogar mehr frische Düfte als Vanilledüfte. Durch Parfumo teste ich mehr und teste anderes. Das macht viel aus. Manchmal schon komisch. Oud gehört für mich an Männerhaut. Ein feiner Einstiegs-Oud (der mich ganz wuschig macht) ist Le Sourire du Diable von L‘Antichambre.
Kajsa5Kajsa5 vor 5 Jahren
...vor Jahren schon mochte. Wenn beim ersten Test echte Duftabneigung da ist, habe ich noch kein einziges Mal erlebt, dass sich das bei mir ändert oder gar in Duftliebe verwandeln könnte.
Kajsa5Kajsa5 vor 5 Jahren
...dass es ganz am Anfang meiner Parfumozeit klassische Düfte gab, die ich zwar von der Machart her schön fand, mir an mir aber damals nicht vorstellen konnte. Nun Jahre später fallen mir bestimmte Klassikerpröbchen plötzlich wieder ein, und ich erinnere mich sogar an den Duft, und weiß dann auch, dass er mir jetzt gefallen könnte, und so ist es dann auch oft. Zu manchen opulenten Duftriesen muss man sich irgendwie erst vortasten. Aber das gilt bei mir nur für die, deren Grundduft ich auch..
Kajsa5Kajsa5 vor 5 Jahren
Schöner Beitrag! Für mich kann ich sagen, dass ich Düfte, die ich von Anfang an wirklich garnicht mag, wegen bestimmter Duftnoten (bei mir zum Beispiel modriges Patch oder Feige) schon früher nicht mochte und auch jetzt nicht mag. Und ich gehöre auch zu denen, die einen Duft nicht zweiteilen können, wenn ich die ersten 15 Minuten schrecklich finde, hilft es mir nicht, wenn der Duft danach schöner wird, ich muss ihn einfach von Anfang an mögen.
Was ich aber bestätigen kann ist...
EileweileEileweile vor 5 Jahren
Klasse Beitrag. Teilweise stecke ich definitiv noch in der leicht-und-frisch-Phase, aber dass ich jetzt überhaupt, nach Jahrzehnten ohne, Parfum trage, ist ja genau so eine Entwicklung. Irgendwo las ich mal, man müsse ein neues Gericht etwa 16mal probieren, bevor es schmecke. Nun, ich kann bestätigen, dass unsere Kinder alle als Teenager irgendwann Salat und Gemüse aßen. Parfum mag ähnlich sein.
KreisquadratKreisquadrat vor 5 Jahren
...die Parfumo Community hat mir dabei sehr geholfen auch ausgefallene Düfte zu finden und haben zu wollen. Dafür bin ich sehr dankbar!
KreisquadratKreisquadrat vor 5 Jahren
Eine wichtige Fragestellung!
Die Erfahrung kann ich teilen. Momentan ziehen mich eher etwas extravagante Kompositionen an. Mitunter ist es für mich schwer auf die Nutzung eines bestimmten Duftes zu verzichten, bei dem ich weiß das er Menschen nicht gut zumutet. Andererseits gefällt es mir dann mit einem Duft aus einer Norm herauszufallen und womöglich zu provozieren.
Ich kenne es ja aus meiner eigenen Vergangenheit... mochte viele Düfte früher garnicht, wo ich heutzutage drin baden könnte.
Butterfly89Butterfly89 vor 5 Jahren
Mir gehts wie Melisande; ich bin auch viel anspruchsvoller geworden. Eigentlich reicht mir derzeit meine Parfum-Sammlung vollkommen aus. Wenn ich mal wieder nach Wien komme, werde ich wieder in die "Edel-Parfumerien" gehen, weil die Neuerscheinungen bei Douglas und Co halte ich für mich persönlich nicht mehr besonders genug ;)
MelisandeMelisande vor 5 Jahren
.. . Wildleder, aber die kannte ich vorher in Düften gar nicht. Und ich merke, Parfumo hat meine Nase verdorben ;-): Ich bin deutlich anspruchsvoller geworden und ein Duft muss schon etwas Besonderes haben, um mich aus den Latschen zu hauen. Mir ist übrigens auch noch kein einziger Oud - Duft untergekommen, den ich für mich tragbar finde. Das wird wohl nix mehr mit dem Oud und mir.
MelisandeMelisande vor 5 Jahren
Bei den sehr, sehr prachtvollen Kuhhinterteilen hatte ich Bilder im Kopf und musste sehr lachen :-D.
Ich habe mir die Frage auch schon gestellt, ob ich mir Düfte "schön riechen" kann, wie das mancher Andere hier offenbar schafft. Bei mir funktioniert es nicht. Ein Parfum muss mir von vorn bis hinten richtig gut gefallen, sonst hat es keine Chance. Und ich mag im Prinzip noch die gleichen Duftnoten wie in meiner Vor-Parfumo-Zeit. Okay, es sind ein paar dazu gekommen wie z. B. Amber oder....
AmylovesyouAmylovesyou vor 5 Jahren
Dennoch passiert es mir auch heute noch, dass es für mich einfach untragbare Sachen gibt. Dazu gehören stark animalische, urinöse und fäkalische Duftanmutungen...eben auch diese Art Oud die nach Kuhstall riecht. Den von Serafina angeführten "Oud Assam" hab ich getestet und bekam kurz darauf unangemeldeten Besuch, der kurzum fragte ob sie bei uns schon wieder Gülle gefahren hätten!!! Das war mir peinlich. Und ich konnte mich selbst nicht aushalten. Das war etwas tragisch.
AmylovesyouAmylovesyou vor 5 Jahren
Sehr gerne gelesen deinen Beitrag! Gerade als am Anfang meiner Parfumozeit mit den ersten ersoukten Flakons auch die ersten Proben aus dem Nischenbereich (für meine Nase absolutes Neuland) eintrudelten und ich diese testete war es für mich kaum vorstellbar das diese wirklich tragbares Parfum darstellen sollten. Vieles wirkte sperrig und wollte sich zu keinem Gesamtgeruch zusammenfügen. Viele davon habe ich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal nachgetestet und sie wirkten für mich viel tragbarer..
MonsieurTestMonsieurTest vor 5 Jahren
Spannende Fragestellung!
Künstevergleich könnte weiterhelfen. Es geht uns doch bei Intensivierung der Beschäftigung mit einer Kunstform (Musik, Literatur, Malerei etc. -oder Parfum) stets ähnlich: was eingangs der Hit war, wird irgendwann gewöhnlich evt. langweilig. Neues, Anderes, Raffinierteres soll her und fasziniert mehr. Und natürlich geht das Umfeld diese Wege nicht automatisch mit...
Das sind Entwicklungs- oder Bildungsprozesse; nicht einfach, andere da mit einzubeziehen...
DaisyDaisy vor 5 Jahren
Sehr interessant! :-) Und nein, soweit ich mich erinnern kann, hatte ich noch keinen solchen Sinneswandel; was mir einmal missfallen hat, wird beim wiederholten Test nicht angenehmer. Da sich meine olfakt. Vorlieben nicht geändert haben, ist das auch nicht zu erwarten. Und nochmal nein - ich kann mich an kein Oud erinnern, das einem Duft einen Kuhfladen-Akkord verpasst hätte. Es hat so viele Facetten -medizinisch, jodartig, ledrig, rauchig usw. Ich mag am liebsten, wenn es harzig-erdig anmutet.
Nickhun1Nickhun1 vor 5 Jahren
Habe deinen Beitrag gerne gelesen. Bin zwar noch nicht so lange bei Parfumo dabei, dennoch hat sich meine Duftwahrnehmung verändert. Ich bekomme eigentlich nur Komplimente für die Mainstream-Branche, also eher für einen relativ günstigen Jil Sander Duft, als für einen exklusiven Maison Guerlain Duft, so in etwa als Beispiel! War schon öfters frustriert, wenn ich meinem Mann stolz meine neueste Abfüllung eines Nischenduftes unter die Nase halte u. er meint nur: Da hast du aber bessere Düfte! :-D
SchalkerinSchalkerin vor 5 Jahren
Nicht nur der Parfüm Geschmack ändert sich im Laufe der Zeit. Find auch vieles schön, was früher bäh war und umgedreht. Hab auch schon viele mit meinen Düften gefoltert. Aber ich provozieren auch gerne mit meinen Parfüms.
SerafinaSerafina vor 5 Jahren
da waren viele dabei, die überhaupt nicht dungig waren und die meine Nase mag. Da hilft nur testen und nicht aufgeben!
SerafinaSerafina vor 5 Jahren
Mir ging das sogar mit typischer Parfumerie-Ware so - die Mitarbeiterin hat ihn mir aufgesprüht. Erst war ich nicht begeistert, am nächsten Tag zum Kauf wieder hin: "1900" von MCM und "Il Bacio". Früher war ich von orientalischen oder schweren Düften, oder auch Amber-Parfums eher wenig angetan, heute liebe ich sie. Zum Thema Oud: "Oud Assam" ist definitiv zu viel Stall für meine Nase (und es gibt sicher weit schlimmere!) aber ich habe so viele Oud-Parfums gerochen,
VialaViala vor 5 Jahren
Interessante Frage. Grundsätzlich mag ich es nicht, einen Duft 10 oder 15 Minuten "ertragen" zu müssen. Ein Duft muss mir von der ersten Minute an gefallen. Eine Ausnahme bildet für mich "Cuir de Nacre". Nach dem ersten Aufsprühen: Bäh!. Nach einigen Minuten wird der Duft so wunderbar würzig-cremig, dass ich den mir unangenehmen Start hinnehme, wäre ohne Parfumo nicht passiert. Danke liebe O für die Probe.

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