Von Männlein und Weiblein und olfaktorischen Kampfstoffen
Da ich mich auf der Ziellinie meiner Duftsuche wähnte (Chypretante, Guerlain-Klassiker, altmodische Socke halt), wandte ich mich vor einiger Zeit neuen Gefilden zu und verlegte mich beim Testen kurzerhand auf Parfüms, die als Herrenparfüms gekennzeichnet sind.
Zuerst galt es jedoch, den hartnäckigen Widerstand der beiden Hipster in meiner ehemaligen Lieblingsparfümerie zu überwinden. „Entschuldigen Sie, aber das ist das Herrenregal“, „Hier sind aber wirklich nur Herrendüfte – die Damendüfte stehen da drüben!“. Die Eskalation ging weiter bis zu „Das wollen Sie jetzt aber nicht wirklich tatsächlich aufsprühen, das ist ein REINER HERRENDUFT!“. Oh ja, und wie ich wollte – und nicht nur das, ich habe IHN auch nachhause mitgenommen. Es war Vetiver von Guerlain und obwohl ich ihn pseudomäßig in der Duftlade meines Mannes aufbewahre (oh ja, Jammer, Jammer, er hat jetzt eine GANZE eigene Lade für seine Düfte okkupiert) möchte ich wetten, dass der rasch sinkende Füllstand nicht ausschließlich auf sein Konto geht…
Und da eröffneten sich ja ganz neue Möglichkeiten! Wer kann es einer liebenden Ehefrau übelnehmen, wenn sie Geschenke bringt?? Die kleine Anspielung meines Mannes auf Troja ignorierte ich geflissentlich, schließlich ist die Zeit meiner humanistischen Bildung schon seeehr lange vorbei und so schleppte ich munter neue Schätze an. Zumindest so lange, bis mein Mann etwas unwirsch wurde, weil sich zunehmend Unisex-Düfte, die doch ein ganz klein wenig, nur eine Spur, einen in meiner Nase quasi vernachlässigbaren Hauch, in die weibliche Richtung tendieren, in seiner Lade fanden. Aber zurück zur Einteilung in Männlein und Weiblein-Düfte.
Kann man ignorieren, finde ich – und zwar komplett. Nicht nur, weil die eigene Nase halt etwas anderes gut findet als irgendwelche Marketing-Fuzzis glauben, dass sie gut finden soll, sondern auch, weil es Spaß macht, mit total konträren Duftrichtungen zu spielen. Für das Umfeld bedeutet das mitunter etwas Verwirrung, aber es ist gut, to „keep them on their toes“, wie die Amis so schön sagen.
Beruflich bin ich ziemlich oft die einzige Frau in Männerrunden. So richtigen Männer-Männer-Männerrunden, mit Testosteron geschwängerter Luft inklusive. Alle tollen Männer hier im Forum, die nicht in diese spezielle Kategorie fallen – und alle, die ich zum Glück jede Menge in meinem Umfeld habe – bitte ich an dieser Stelle aus ganzen Herzen um Vergebung für die platte Vereinfachung!
Bei diesen Runden aber bieten mir meine nun erweiterten Duftvorlieben Gelegenheit zu einer ausgeklügelten Verwirrungsstrategie. Am Montag dufte ich ungeniert nach süß, pudrig, blumig. Besonders bewährt hat sich hier etwa Guet-Apens (Guerlain) oder Danger (Roja)– zu Jeans und (edlem) T-Shirt/Bluse/Pullover, um etwas Abwechslung unter die Anzugträger zu bringen. Haare dazu im strengen Dutt und schwarze Intellektuellen-Brille.
Am Dienstag bei der nächsten, mitunter recht mühsamen Sitzung dann der olfaktorische Frontalangriff: Ich habe mit Blenheim Bouquet (Penhaligons) ganz beiläufig den Duft des Chefs gekapert. Als ich an diesem Tag durch die Gänge schlendere und andere Büros betrete, bemerke ich eine erhöhte Alarmbereitschaft, die sofort abgelöst wird durch eine entspannte Körperhaltung und ein Aufstöhnen „Ach, du bist es (nur)..! Erschreck uns doch nicht zu Tode…“. Den ungläubigen Blick des Chefs, als ich zum ersten Mal mit Blenheim Bouquet ankam, tja, den musste ich halt aushalten…(oder mich diebisch darüber freuen, je nachdem wie ausgeprägt der Sinn für skurrile Situationen ist und wie aktiv das Teufelchen auf der Schulter gerade ist).
Anmerkung am Rande: Der Chef trägt jetzt Juniper Sling…..
Den mag ich nur in den ersten paar Minuten, daher ist der sicher vor mir!
Zu Blenheim Bouquet passen meines Erachtens perfekt Walle-Locken oder Beach-Waves, schwarze Hose, Seidenbluse und die hochhackigen Schuhe, die ich sofort nach der Sitzung gegen etwas tausche, was nicht meine gemarterten Nervenenden permanent Alarm schlagen lässt.
Mittwochs ist mir nach etwas Leichtem, es gibt keine Sitzung und ich bedufte mich mit Chanels Chance Eau Tendre, das von meinen Mitarbeitern immer sehr wohlwollend aufgenommen wird. Haare irgendwie zusammengewurschtelt, weil JEDEN Tag so viel Zeit im Bad verbringen, nein danke!
Donnerstag: Zeit, mein neuentdecktes Chypre-Ich aus dem Käfig zu lassen: Scherrer muss her (oder irgendein Chypre, der ordentlich wummst). Das wird von meiner lieben Kollegin mit der ganz besonders feinen Nase ab und an kommentiert mit: Ist heute wieder Waldtag im Kindergarten? Sie findet den Geruch von Eichenmoos schrecklich – und daher trage ich den auch nur an Tagen, wo wir keine gemeinsamen Sitzungen haben. Frauen-und Freunde- Solidarität ist schließlich Ehrensache… Zeit für ein Kleid? Ja, vielleicht, wenn mir gerade danach ist.
Freitag: Angsttag: Der Freitag ist immer Großkampftag vor dem Wochenende. Jeder will etwas und alle gleichzeitig: Dem Chef und den Kolleg*innen fällt permanent ein, was sie unter der Woche vergessen haben, und was jetzt, sofort, auf der Stelle und möglichst noch vor 15.00 Uhr erledigt werden muss. Das sind die Tage, an denen ich mir einen olfaktorischen Duftschild gönne. Letzten Freitag und am Freitag davor war es L’Heure de Nuit (Guerlain). Da muss dann auch die Abfüllung mit – und wenn ich am Abend längst schon alleine im Büro bin, wird noch einmal nachgesprüht! Und ganz klar: An solchen Tagen müssen es auf jeden Fall Wohlfühlklamotten sein!!
Natürlich sieht nicht jede Woche so bei mir aus – sonst müsste ich mir wohl einen anderen Job suchen! Aber ab und an, da sticht mich der Hafer – und ja, ich gestehe, dann zählen inzwischen auch Düfte zu meinem Arsenal, mich im Beruf zu behaupten, oder mich zu motivieren, oder mich selbst zu trösten und zu verwöhnen.
Eine meiner Schreibtischladen bietet dafür einen schier unerschöpflichen Vorrat an Pröbchen – und meine Mitarbeiter*innen wissen inzwischen, dass sie sich da ungeniert bedienen dürfen. Ich behaupte jetzt einfach mal ganz keck: Bei uns im Büro riecht es am allerbesten – oder zumindest am überraschendsten und niemals, wirklich niemals langweilig!
Und der Chef, ja, der hat den Schock inzwischen überwunden – und trägt auch ab und zu wieder sein Blenheim Bouquet. :)
Eure Duftsucht