Duftsucht
Duftsuchts Blog
vor 6 Jahren - 28.09.2018
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Step eleven oder: Duft-Leiden-schafft

Sehr geehrter Dr. Sommer,

ich habe ein Problem – es ist ein wenig heikel und SEHR vertraulich. Ich verlasse mich daher auf Ihre Diskretion - und auf die von Tausenden Profumos und Profumas - zu hundert Prozent und begebe mich vertrauensvoll in Ihre fähigen Hände.

Meine Duftsucht ist ja erst jüngerer Natur und ich versichere Ihnen, ich habe mich selbst voll im Griff. Jederzeit könnte ich aufhören, meine Nase in jeder auch nur annähernd duftenden Substanz zu vergraben, wenn ich das wirklich wollte! Auch mit einer Bannmeile von 50 Metern rund um jede Parfümerie würde ich vollkommen entspannt umgehen! Leider bin ich technisch nicht so bewandert, dass ich alle Internetseiten blockiere, auf denen Duftdealer mit Hilfe von kleinen und manchmal sogar kostenlosen ml-weise abgefüllten Substanzen unschuldig durchs Internet Schlendernde in Versuchung und letztlich zu Fall bringen….

Aber ich schweife ab. Vielleicht sollte ich damit beginnen, Ihnen unsere häusliche Situation offenzulegen, damit Sie mein delikates Problem besser verstehen. Verheiratet, beide in den besten Jahren (genau wie vor 10 Jahren und hoffentlich auch noch in 10 weiteren…) zwei Söhne, Teenager.

Vor ziemlich genau einem halben Jahr brach ich auf zu meiner Suche nach einem neuen alltagstauglichen Duft. Ein simpler und in meinen Augen äußerst bescheidener Wunsch, schließlich hatte ich jahrelang kein Parfum getragen. Wie hätte ich auch damals ahnen können, in welchem Desaster das alles noch enden würde!

Mein Mann und meine Söhne begleiteten mich lange Zeit geduldig auf meiner Odyssee von Duftinsel zu Duftinsel. Immer exotischer wurden die Namen, immer abenteuerlicher die Komponenten, immer mutiger und ausgefallener die Duftrichtungen.

Als ich bei meinen Männern leichte Ermüdungserscheinungen in ihrer Begeisterungsfähigkeit für immer neue Experimente meinerseits entdeckte, beging ich einen folgenschweren Fehler. Ich hoffe sehr, dass Sie mich dabei unterstützen können, diesen Fehltritt wieder gut zu machen!

Nun denn, alles Herumreden hilft ja nix, hier ist es, mein Geständnis: ICH SCHENKTE MEINEM MANN ZUM GEBURTSTAG DREI DÜFTE!!!

Was soll das heißen: „Das ist doch ganz nett, nun ja, einer hätte es vielleicht auch getan, aber ich sehe keinen Handlungsbedarf“??? Sie unterschätzen die prekäre Lage, in der ich mich, meine Ehe und meine Familie gerade befinden, ja vollkommen!

Bedenken Sie doch bitte meine Motivation und mein Ziel! Ich wollte meinen Mann lediglich ein wenig für Düfte sensibilisieren, damit er mehr Verständnis für die unerklärliche Häufung von Namen einschlägiger Duftdealer auf unserem Kontoauszug entwickelt. Das war aber selbstverständlich nur ein Zwischenschritt in meinem Plan. Der Endpunkt wäre natürlich gewesen, dass mein Mann mich auf zahllosen, wunderbaren Streifzügen durch Parfümerien begleitet, als beratender, geduldiger Partner an meiner Seite steht, seine Arme bereitwillig für weitere Dufttestungen zur Verfügung stellt und am Ende eines wundervollen gemeinsamen Ausflugs ein neues Duftschätzchen in meiner Lade wohnt.

In MEINER, nicht in SEINER!!! Und nun sind wir beim Kern des Problems: Hilfe, mein Mann ist duftsüchtig! Und während ich meine eigene klitzekleine, kaum erwähnenswerte Vorliebe für Parfums eisern im Griff habe, erkenne ich bei ihm beunruhigende Anzeichen, die mich doch verdächtig an mich in der – selbstverständlich lange zurückliegenden – Zeit meiner Duft-Hemmungslosigkeit erinnern.

Verzweifelte Situation erfordern außergewöhnliche Maßnahmen und so versuchte ich selbstverständlich als liebevolle Ehefrau meinen Mann von seinem Irrweg abzubringen. Ein Überfall aus dem Hinterhalt mit Teint de Neige in voller Dosis – in der Hoffnung, dass die Puderwolke seinen Verstand umnebelt und die Erinnerung an seine neu entdeckte Leidenschaft dauerhaft löscht, scheiterte leider. Schade, bei mir hätte es damals fast funktioniert…

Den ärgsten Oud-Kuhstall-Duft der Welt sollte eine Freundin, die gerade beruflich auf Reisen war, unter abenteuerlichen Bedingungen besorgen. In unheimlichen Nebengassen dunkelster Souks sollte sie sich in suspekten Dufthöhlen herumtreiben, um nach Testung dutzender schrecklicher Düfte den allerschlimmsten mitzubringen. Okay, davor schreckte dann sogar ich trotz meiner Verzweiflung zurück. So musste ein nur mittelschrecklicher Oud-Duft (Ilm Kemi) zur Abschreckung dienen – leider erfolglos.

Lieber Doktor Sommer, ich hoffe, Sie begreifen jetzt endlich, wie verzweifelt meine Lage ist!......... ……......Einen Moment bitte, entschuldigen Sie mich, .............ich muss kurz unterbrechen...........eine SMS, das könnte wichtig sein…. …..

Was soll das heißen, ich habe mich verraten??? Es gib doch sicher hunderte Ehefrauen, die ihren Mann schon einmal mit einem Duft aus dem Hinterhalt überraschen wollten!!! Und Kuhstall-Oud-Düfte gibt es wie Sand am Meere!!!!!!!..... Und was soll das überhaupt heißen: DU BIST JETZT AUCH AUF PROFUMO????!!!!!!

Herzlich Willkommen, mein Schatz und bester Ehemann von allen – und ja, die Leidenschaft, die Lade und das Budget: Die teilen wir natürlich!

Deine Duftsucht

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