Duftsucht
Duftsuchts Blog
vor 4 Jahren - 26.08.2020
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Fasten und Riechen

Nach einem sehr anstrengenden Jahr, in dem ich zum ersten Mal in meinem beruflichen Leben ernsthaft erwog, meinen Beruf an den Nagel zu hängen und möglicherweise Eremit, Schafzüchter oder irgendetwas in dieser Richtung zu werden, wollte ich im Sommer etwas machen, was mich komplett aus meinem gewohnten Umfeld herausholt. Die Wahl fiel schließlich auf zehn Tage Heilfasten, das bedeutet, dass von den zehn Tagen an sechsen nur Flüssigkeit zu sich genommen wird (Gemüsesuppen, frische Obstsäfte und viel Tee und Wasser).

Für mich als wirklich-gerne-Esser eine äußerst interessante Erfahrung. Einerseits, wie leicht es mir gefallen ist, einfach einige Tage nichts zu essen, andererseits, wieviel Energie ich hatte und wie gut ich mich dabei fühlte. In der Früh stand (zwischen 6.00 Uhr und 8.00 Uhr) eine Wanderung in richtig flottem Tempo auf dem Programm, am Rest des Tages ging ich dann meist einige Stunden Schwimmen.

Warum ich daraus einen Blog mache? Weil das für mich erstaunlichste Erlebnis war, dass in dieser Zeit mein Geruchssinn auf einmal den Turbo einlegte! Gerüche wie Benzin/Diesel lösten ein extremes Ekelgefühl aus, Rosen und Balkonblumen nahm ich noch beim Vorbeigehen in einiger Entfernung eindeutig wahr, jeder Windhauch trug neue Düfte in meine Nase.

Die wunderschönen Wanderungen in der Früh wurden so zu einem olfaktorischen Genuss: frisch geschlägertes Holz, Waldboden, Blumen am Weg, Obstgärten, in denen das Fallobst süß duftete, Wiesen, über denen eine Wolke von wildem Thymian schwebte, der Duft von Schilf und Wasser (jawohl, das duftete!), trockene Blätter am Waldboden, die am nächsten Tag nach einem nächtlichen Regenguss vollkommen anders rochen. Es war so spannend, dass ich oft am Nachmittag noch einmal eine kleine Runde drehte, um weiter zu schnuppern und alles in mich aufzusaugen. Insbesondere ein kleiner Kräutergarten hatte es mir angetan, an dem ich mich gar nicht sattriechen konnte.

So sehr ich alle Naturdüfte genoss, so wenig ertrug ich in dieser Zeit andere Gerüche. Ein Mann mit einem markanten Aftershave, das ich außerhalb dieser Fasttage mit Sicherheit neutral oder eventuell sogar wohlwollend zur Kenntnis genommen hätte, war urplötzlich ein Grund, eine neue Parkbank zu suchen. Und überhaupt nicht daran zu denken war, selbst Parfum zu tragen. Dabei hatte ich – wegen der hochsommerlichen Temperaturen – ohnehin nur Düfte mitgenommen wie Hermès‘ „Osmanthe Yunnan“ oder Chanels „Cologne“, die ja wirklich keine überwältigenden Kracher sind! Das einzige, was ich tatsächlich ab und zu gerne verwendete, war „Eau Dynamisante“ von Clarins, aber auch das nicht als Parfum, sondern ein wenig in die Handflächen verteilt, um es tief einzuatmen – fast wie Aromatherapie.

Sowie ich einige Tage wieder etwas gegessen hatte, verschwand diese außergewöhnliche Sensibilität Gerüchen und Düften gegenüber wieder, förmlich über Nacht, wie wenn sie nie dagewesen wäre. Diese Zeit hat aber dazu beigetragen, dass ich die Fähigkeit, Riechen zu können, noch viel mehr schätze, als ich es ohnehin schon tat! Momentan genieße ich die Parfums, die ich jetzt wieder trage, ganz besonders – und nun ja, die Idee, Eremit zu werden, habe ich vorläufig auf später verschoben…

Eure Duftsucht

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