Duftsucht
Duftsuchts Blog
vor 6 Jahren - 03.07.2018
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„Ten Steps“ oder: „Es hätte so einfach sein können“…

...wenn ich nicht zufällig über Parfumo gestolpert wäre, hätte ich mit ziemlicher Sicherheit den Rest meines Lebens glücklich und zufrieden (und auch nicht gerade stinkend!) verbracht, ohne je über kanadische und australische Nischendüfte oder deren Zolleinfuhrbestimmungen zu grübeln und möglicherweise sogar, ohne jemals zu erfahren, dass Chanel, Dior und Co auch noch exklusive Duftkollektionen anbieten, die nicht in den Feld-Wald-Wiesen-Geschäften zu finden sind, in denen ich normalerweise Parfüms kaufe. Ich war aber nach Jahren ohne Parfüm auf der Suche nach einem neuen Duft – ohne übertriebene Ansprüche, wie ich betonen möchte: Er sollte einfach schön, weiblich, blumig, nicht zu süß sein – oder so ähnlich… Schnell stellte ich fest, dass das nicht ganz so einfach ist, wie ich dachte und zunehmend stellte ich mir die Frage: Was finde ich eigentlich an manchen Parfüms so schrecklich und an anderen so gut? Wonach sollen die eigentlich riechen? Doch wohl nicht wirklich nach Teer oder Katzenpipi? Was hat der Parfümeur sich dabei eigentlich gedacht?? Und so googelte ich eines Tages nach der Duftpyramide eines bestimmten Duftes (obwohl ich glaube, das Wort kannte ich damals noch gar nicht :) und fand Parfumo. In den folgenden Monaten durchlief ich verschiedene Phasen der Erleuchtung, in denen sich der eine oder andere von euch vielleicht wiederfindet.

Hier sind meine Ten Steps

Step one: Entdeckungsphase: „Was, es gibt eine Parfumo-Seite? Wie cool!“. Kein einziger Duft darf mehr auf meiner Haut Platz nehmen, bevor ich nicht – mit dem Handy vor dem Regal stehend – die Duftpyramide studiert habe und die Kommentare und Statements zumindest überflogen habe. Phase eins ist gekennzeichnet durch ein blindes Vertrauen, dass die Kommentare die absolute Wahrheit über einen Duft widerspiegeln!

Step Two: Ernüchterungsphase: „Was soll das heißen, jeder riecht einen Duft anders? Was für den einen – meist mich – schon picke-packe-triefend süß ist, empfinden andere noch als leichten Puderzucker-Hauch?“. Häh?? Düfte werden vorsichtiger getestet, ich werde geiziger mit meine Armen, denn schließlich hat man blöderweise nur zwei und das Experiment, an Tagen, an denen ich Röcke trage, auch die Beine in den Test miteinzubeziehen, stößt auf eigenartige Blicke bei den Verkäuferinnen :) Meine Söhne verweigern, am Samstag mit mir weiterhin Parfümerien zu betreten, unter anderem weil meine gierigen Blicke auch ihre Kinderarme mustern und ich anfange, leise vor mich hinzumurmeln „So viel ungenützter Platzzzzzzz“……… Weiterhin religiöses Studium der Duftpyramiden und Kommentare.

Step Three: Schmökerphase. „Wenn ich jeden Tag alle Kommentare von mindestens 20 Düften lese, dann sollte ich es schaffen, zumindest mit den Neuerscheinungen Schritt zu halten!“ Panik erfüllt mich: 100.000 Parfüms???? Und wenn man den erfahrenen Parfumist*innen glauben darf: Nach dem dritten Duft kann man nicht mehr klar unterscheiden, Düfte entwickeln sich nur auf der Haut richtig, Verwerfen von Düften, nur weil sie auf Papier eigenartig riechen, könnte ein schwerer Fehler sein ….. Ich brauche umgehend eine Strategie!

Step Four: Will-dabei-sein-Phase: „Auf Parfumo gibt es so tolle Kommentare – ich will Pokale vergeben, antworten, mitmachen“.

Step Five: Zauderphase: Hmmmm – ich und so was, bin doch quasi in mittlerem Alter, mit meinen Jungs meckere ich, wenn sie zu lange am Computer hängen, und predige über die Gefahren von Social Media und die Wichtigkeit von analogen Freundschaften….. Zeit habe ich auch keine… Hhmmmm…

Step Six: Herz-über-Bord-werfen. Ich melde mich da jetzt einfach an – und ich muss gestehen, dass es nicht lange dauerte, bis ich meinen ersten Kommentar verfasste. Und eines feststelle: Düfte testen und Kommentare schreiben verträgt sich hervorragend mit meinem recht zeitintensiven Job. Es sind immer wieder mal ein paar Minuten, in denen ich frei Schnauze zu Computer bringe, was ein Duft in mir auslöst. Quasi: Erholung pur und mein ganz persönlicher Eskapismus ….

Step Seven: Kauf-Rausch-Phase: Blindbestellungen, ausgelöst durch Kommentare, nächtliche Recherche nach dem besten Deal im Internet, um ein Schätzchen doch noch mein eigen nennen zu können. Sprunghafter Anstieg und zunehmende Enge in meiner Parfümschublade: Von eins auf 30 in ungefähr 3 Monaten. Scheeles Beäugen der Sockenschublade meines Mannes, die direkt neben meiner Parfümschublade liegt. Ganz ehrlich, braucht der Mann wirklich 30 Paar Socken und ebensoviel Unterwäsche??? Wenn man das in einer Schublade konsolidieren würde, dann würde meiner Expansionslust nichts mehr im Wege stehen… also echt, diese Männer sind doch manchmal echt Egosocken…. Entdeckung von „Aus Liebe zum Duft“-Probenbestellungen und heroisches Gefühl, nicht mehr blind bestellen zu „müssen“. Sprunghafter Anstieg der Probensammlung. Manche Probenbestellungen um Mitternacht (etwa Roja Gardenia, 24 Euro oder so) in vollkommener geistiger Umnachtung bereue ich (fast!!!) noch heute, weil ich erst nachdem ich mich unwiderruflich in den Duft verliebt hatte, bemerkte, wie abartig teuer der ist….

Step Eight. Phase der Erkenntnis: Hilfe, ich bin süchtig! So kann es ja wohl nicht weitergehen. Also radikal: Keine neuen Flakons mehr, aber eine einzige winzige kleine Ausnahme darf es doch wohl noch geben, bevor ich dann ab morgen, ganz sicher, nie wieder??? …. Es war Oranges Bigarades von Lancome, das ich im Souk gefunden habe. Der Souk war mir lange sehr, sehr unheimlich, muss ich gestehen und ich bin immer wieder darin herumgeschlichen, war in großer Versuchung und war letztlich doch zu feig. Ich stieß bei der fast schon verzweifelten Suche nach Gardenia/Roja auf eine unglaublich nette, hilfsbereite und geduldige Parfuma, die quasi den Initiationsritus vollzog und Zack: Keine Abfüllung und kein Sharing ist mehr vor mir sicher. Dank Abfüllungen konnte nun auch eine größere Menge von Rojas Gardenia in beiden Varianten (noch mal 1000 Dank an die Parfumas, die sich von den kostbaren ml trennten!!!) bei mir einziehen, mein SCHATZZZZZZ………. Das Schubladenproblem ist dank der neuen Strategie vorerst gelöst!

Step Nine: Sorgenphase: Wie lange halten Abfüllungen und Proben eigentlich? , doch sicher kürzer als Flakons?, fieberhafte Recherche im Internet: Kühlschrank ja oder nein?, akribische Temperaturmessungen an allen Orten meiner Wohnung. Was, wenn genau meine kostbarsten Schätze von mir gehen, bevor ich sie geleert habe? Ich beschließe, meine Düfte nicht für irgendwelche Gelegenheiten aufzubewahren, sondern einfach zu verwenden und mir über das Später keine Gedanken mehr zu machen. In der Arbeit trage ich – zum Glück sehr zur Freude meiner Mitarbeiterinnen nun Gris/Dior, New Look/Dior, Gardenia/Roja oder ähnliches…

Step Ten: (einigermaßen) trockene Parfumoholikerin: Ich teste noch immer sehr, sehr gerne. Nach wie vor bestelle ich Abfüllungen im Souk, weil ich bemerkt habe, dass ich Düfte über längere Zeit tragen muss, um zu wissen, ob sie wirklich zu mir passen. Aber ich verbringe meine seltenen Mittagspausen nicht mehr manisch in Parfümerien! Und ich entdecke, dass Düfte wie die oben genannten drei für mich immer passen, wenn ich eine bestimmte Stimmung suche, in diesem Fall: feminin, sophisticated, elegant und erwachsen. Ich entscheide mich an jedem Morgen spontaner und mit weniger Unsicherheit, wonach mir an diesem Tag ist. Beim Kirschenpflücken trage ich L’eau de Caron Homme/Caron oder G./Nasengold (für mich nach wie vor der allerbeste Grapefruitduft!), bei der Gartenarbeit begleitet mich Eau de Pamplemousse Rose/Hermes oder Un Jardin Apres la Mousson. In der Nacht bedufte ich mich mit Jasmins Marzipane/Lancome oder wähle auf der einen Hand Shaal Nur/Etro und auf der anderen Hand Essence Aromatique/Bottega Veneta. Da ich auf der Seite schlafe, eine Hand unter dem Kopfkissen, funktioniert das Prinzip hervorragend….

Dekadent? Ja, möglicherweise hart an der Grenze, aber jetzt kann ich meine Düfte so richtig genießen. Und dank euch allen habe ich in nicht einmal einem halben Jahr genau die Duftrichtungen identifiziert, mit denen ich mich perfekt „angezogen“ und wohl fühle!!

An alle die Duftliebhaber- und Kenner hier bei Parfumo: Habt vielen Dank für eure Kommentare und Statements, für eure Ideen und Anregungen, für die Bereitschaft, wohlriechende Schätze als Abfüllung mit Suchenden wie mir zu teilen, und vor allem für die unglaublich freundliche Aufnahme hier bei Parfumo!!

Einen schönen Sommer!

Eure Duftsucht

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