Duftsucht
Duftsuchts Blog
vor 4 Jahren - 02.11.2019
25 81

Luxus

Jeder Duft ist für mich Luxus. Punkt. Und das gilt für Kölnisch Wasser genauso wie für La vie est belle oder für Diaghilev. BRAUCHEN tue ich genau genommen keines davon – also purer Luxus.

Genauso übrigens wie die Tatsache, dass ich (inzwischen) mehrere Paar Pumps besitze, Turnschuhe für drinnen und draußen, Stiefel warm, Stiefel mittelwarm, Stiefel chic, mehrere Kleider, die ich selten trage, von ca. 5000 Büchern ganz zu schweigen. Ich habe vielleicht 40 Bilder an den Wänden und ungefähr 50 verschiedene Kerzenständer, um den Tisch unterschiedlich einzudecken. Dazu kistenweise Anhänger für den Weihnachtsbaum, über Jahre und Jahrzehnte in unterschiedlichen Ländern zusammengengesammelt, darunter viele Geschenke und daher mit Erinnerungen an Menschen und Orte erfüllt.

Notwendig? Nein, natürlich nicht!

Stimmt, Kölnisch Wasser ist billiger als Diaghilev. Die Bilder an unseren Wänden haben auch unterschiedlich viel gekostet, eines davon zum Beispiel Leinwand und ein paar Flaschen Wein für einen malenden Freund. Für jedes einzelne wurde von uns mit gleicher Sorgfalt und Liebe der Platz gesucht, der ihm am meisten gerecht wird. Jedes davon erfüllt mich mit tiefer Freude und keines davon möchte ich missen. An jedem einzelnen hängen Erinnerungen: Die Arbeit eines Freundes, ein Bild, das ich meinem Mann zu unserem dritten Hochzeitstag schenkte, ein Geschenk seiner inzwischen verstorbenen Großmutter zu seinem dreißigsten Geburtstag oder ein Mitbringsel seiner Eltern von einer Reise. Monetärer Wert? Keine Ahnung, interessiert mich nicht. Diese Bilder sind keine Geldanlage, sondern wir leben mit ihnen und sie machen uns Freude. Wenn ich sie betrachte, hat mich in all den Jahren nie die Frage beschäftigt, ob sie das Geld, das wir dafür ausgegeben haben, wirklich WERT sind – oder ob sie im Lauf der Zeit an (monetärem) Wert gewonnen oder verloren haben. Ganz abgesehen davon, dass ich mich an den ursprünglichen Preis ja ohnehin nicht mehr erinnere.

Der Wert, den ich Dingen beimesse, ist meist kein monetärer. Eines meiner eigenen Lieblingsgeschenke ist ein Zuckerstreuer, den mir eine Freundin verehrte, die sich darüber amüsierte, dass ich den halben Löffel Zucker für meinen Kaffee immer aus der Zuckerpackung schaufelte. Jedes Mal, wenn ich den Streuer verwende, erinnere ich mich daran, wie wir beide lachten, als ich ihn auspackte und muss grinsen. Was das Ding gekostet hat? Keine Ahnung, für mich ist es wertvoll.

Natürlich hat diese Haltung zu Wert, Geld und Luxus erheblich damit zu tun, dass wir die zum Teil sehr mageren Jahr zumindest derzeit hinter uns gelassen haben und daher die Überlegung, wie viel etwas kostet und ob wir es uns leisten können oder sollen, in den Hintergrund trat und die Frage: WILL ich mir das leisten? und: Ist es MIR das Wert? zum neuen Maßstab wurde.

Stimmt: Die Parfums, die ich derzeit habe, sind vermutlich der Gipfel der Sinnlosigkeit. Und dann auch gleich 80 davon! Aber per se, vollkommen unabhängig davon, wie viel ein einzelner Duft gekostet hat, ob er ertauscht wurde, geschenkt, ersoukt, oder zum vollen Preis erworben. Ob da 80 Flakons à 10 Euro stehen oder 80 à 150 oder 80 à 800 Euro, ist unerheblich. Sie sind in jedem Fall nicht notwendig und daher purer Luxus und vielleicht der Gipfel der Dekadenz. Als wertvoll empfinde ich sie übrigens nicht – und allein die Frage ist für mich geradezu absurd. Als eines meiner Parfums zerbrach, ärgerte ich mich über meine Ungeschicklichkeit- und über die Sauerei, die es machte, ganz zu schweigen von den angewiderten Gesichtern meiner Männer, da der tagelang über der Wohnung hängende Duft wohl ihrem Geschmack nicht entsprach. Ob es ein teurer oder ein billiger Duft war, machte in dem Moment überhaupt keinen Unterschied. Überdosis Duftstoff ist nämlich IMMER grauenvoll, wie ich euch versichern kann!

Und ja, zu manchen meiner Parfums ist meine emotionale Bindung (jawohl, das habe ich, auch wenn es etwas eigenartig ist) größer. Zum Beispiel zu einem Duft, den mir eine meiner Schwestern, die inzwischen auf einem anderen Kontinent lebt, schenkte und der mich immer an sie erinnert – oder zu dem ersten Duft, den mir mein Mann schenkte. Diese Düfte sind für mich wertvoller als die, die ich mir selbst gekauft habe und ich würde sie auch nicht weitergeben oder verschenken.

So sehe ich es: Parfums sind mein Hobby und damit genau wie jedes andere Hobby der Welt Luxus. Briefmarkensammeln? Golf spielen? Segeln? Fitnesscenter? Lesen? Rosensorten sammeln und pflegen? Alles purer Luxus. Immer bedeutet es, dass wir Zeit und Mittel haben, Dinge zu tun, die nicht zum Leben notwendig sind, sondern die uns einfach nur Freude bereiten. Und so fragte ich mich weder gestern noch heute, noch werde ich mich morgen fragen, ob Kölnisch Wasser ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis (ein Konzept, das ich bei allen Luxusprodukten als vollkommen absurd empfinde) hat als La vie est belle oder als Diaghilev.

So wie gestern und heute werde ich daher auch morgen wieder vor meiner Duftlade stehen, mich an der Vielfalt freuen und mir die Frage stellen, die uns wohl alle eint. Wie soll es heute sein, das Parfüm, das mich begleitet? Zart und blumig? Frisch und mit Schärfe? Elegant und zurückhaltend?

Und wie immer werde ich bewusst und voll Genuss den Moment zelebrieren, wenn ich mich entschieden habe – und mich dann ein zarter Duftschleier umhüllt, der mich durch den Tag begleitet.

Eure Duftsucht

25 Antworten

Weitere Artikel von Duftsucht