Rieche ich, was wirklich da ist? Oder das, von dem ich weiß, dass es da sein soll? Ein (kurzes!) philosophisches Traktat.
Duschbäder sind da ja noch einfache Kandidaten, aber bei Parfum muss ich feststellen: Ohne Duftpyramide, um mich zu vergewissern, kann ich nur wenige Komponenten zweifelsfrei identifizieren. Am besten gelingt es eigenartiger Weise mit den Dingen, die ich nicht mag: Überdosis Saubermoschus ist eindeutig, Pfingstrose und Rose (beides für mich Problemkandidaten) meist ebenso, Zibet und Konsorten (fast immer *schüttel*) oder Oud (bekennender Oud-Banause). An zweiter Stelle kommen erst die Duftrichtungen, die ich richtig gerne mag, Bergamotte, Vetiver, Sandelholz, Geißblatt – und auch das nicht mit 100-prozentiger Trefferquote.
Meist ist es eher umgekehrt. Ich teste einen Duft und irgend etwas stört mich: Ein Nachblättern auf der Parfumseite bringt es zu Tage: „Ach ja, natürlich, das ist (vermutlich) die Rosengeranie“ oder ein ähnliches Aha-Erlebnis. Auch umgekehrt funktioniert das: Ein besonders schöner Duft – gestern und vorgestern Abend war es, angeregt durch den wunderschönen Kommentar von Can777 „Vol de Nuit“ von Guerlain. Über ganze Strecken hätte ich einfach nur beschrieben „überwältigend, komplex, würzig, geerdet und zum Weinen schön“ und das einzige, was ich zweifelsfrei und mit gutem Gewissen sagen kann, ist am nächsten Tag in der Früh, dass eindeutig Vanille auf der Haut verbleibt. Beim Nachschauen sagt dann mein Hirn „Na klar, Aldehyde!“ oder „selbstverständlich Galbanum“ – wie wenn ich es wirklich immer schon gerochen hätte.
Es gibt für mich wirklich nur ganz, ganz wenige Düfte, bei denen ich einen Verlauf erriechen kann, meist sind es solche, die einen ähnlichen Aufbau haben, wie Düfte, die ich bereits gut kenne oder eher simple zitrisch-krautige Colognes, die weniger komplex sind und mit nur einigen Hauptzutaten auskommen.
Wie ist das bei euch? Seid ihr Supernasen? Oder Otto Normalverbraucher? Oder teilt ihr die Welt ganz pragmatisch in „stinkt“ und „duftet“ ein, denn bei Licht besehen, wäre das ja auch vollkommen ausreichend!
Eure Duftsucht
dein Artikel hat mich sehr nachdenklich gemacht und habe in meinem Blog eine Antwort darauf geschrieben inklusive eines kleinen Experimentes, inspiriert durch deinen Text :)
Dankeschön für die Anregung!
https://www.parfumo.de/Benutzer/Eyris/Blog/Eintrag/blindfluge-ein-experiment
Mir geht es wie Dir, ich brauche die Pyramiden auch. Allerdings kann ich einige Bestandteile inzwischen auch ohne Hilfestellung - nicht immer zweifelsfrei, aber es wird besser - identifizieren. Nach dem 10. Duft, der Bergamotte in der Kopfnote hat, entsteht eben doch eine Vorstellung im Kopf, wie Bergamotte in etwa duften könnte.
Darüber hinaus hilft mir, daß ich mein Duftempfinden inzwischen konkret abfrage, wenn ich keine Pyramide vorliegen habe. Ich frage mich, was ich da rieche. Zitrisch? Fruchtig? Usw.
Was zählt ist doch das, was das Parfum an Wirkungen und Emotionen evoziert. Dies tut es ja stets als Ganzes.
Es ist - wenn es eine richtig gute Komposition ist- immer ein Gesamtkunstwerk, das ich gar nicht in einzelne Bestandteile zerlegen will, geschweige denn kann.
Hab mir eben ein paar Seiten Deiner Kommentare durchgelesen, finde alle ausgesproche schön und hilfreich geschrieben. :)
Zu deiner Eingangsüberlegung: Ich könnte mir vorstellen, dass Eisenkraut aufgrund seiner sehr harten, festen Stängel so heißt.