Duftsucht
Duftsuchts Blog
vor 5 Jahren - 07.06.2019
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Vom Pirschen, Jagen und Finden oder: Der ewige Kreislauf der Düfte...

Kennt ihr das, auf der Jagd zu sein? Zu lauern in Wartestellung, bis sich das Objekt der Begierde nähert, sich langsam in die Schusslinie bewegt und: ZACK! zuzuschlagen? Eine Abwärtsbewegung des Zeigefingers um einige wenige Millimeter reicht dann aus, um den Kontostand alarmierend nach unten zu korrigieren – und das abgemagerte Sparschwein im Eck stöhnt leise und melancholisch vor sich hin.

Wenn man, so wie ich, wenig Mitleid mit Sparschweinen hat, dann ist das ja noch in Ordnung – viel Schlimmer ist es aber doch, wenn man liegt und lauert und pirscht und forscht und bittet und bettelt – und das Objekt der Begierde macht absolut und ganz und gar keine Anstalten, sich zu zeigen. Tja, so ist es mit mir und den alten Schätzchen, den Kostbarkeiten, die in den Schatten der Vergangenheit verschwunden sind. Weltweite Feldforschung fördert dann sogar mitunter einen der begehrten Flakons zutage, meist zu Preisen, die das Sparschwein nicht nur mitleiderregend aufstöhnen lassen, sondern es gleich und unvermittelt ins Koma fallen lassen.

Doch damit nicht genug: „Ich schicke nur innerhalb Australiens“ oder „Greece only“ oder ähnliche Hinweise versuchen dann, meine Wünsche zu töten. Aber nicht so schnell! Mein Gehirn kramt dann fieberhaft: „Im Jahre des Herren 1979 war da doch einmal ein Mädchen aus Australien…. zum Schüleraustausch – wie hieß das nochmal? Wendy? Cindy? Irgenwas mit y am Ende….die könnte man doch echt mal wieder kontaktieren??….. oder auch: Da hatte ich doch einmal eine Arbeitskollegin, die einen Japaner geheiratet hat, mit dem sie dann irgendwo in Griechenland eine Pension eröffnete?“ Und schon krame ich hochmotiviert in alten Visitenkarten, Kalendern und Adressbüchern (von denen ich NIE eines wegwerfe, weil irgendwann könnte man ja doch noch einmal eine Adresse brauchen).

Es wird euch sicher einige Sorgen über meinen Geisteszustand nehmen, wenn ich euch mitteile, dass ich bisher diesen Versuchungen nie nachgab…

Aber was ist das Aller-Aller-Allerschlimmste? Wenn man in einer Drogerie einkaufen geht und ganz oben auf dem Regal alte verstaubte, aber originalverpackte Parfums stehen sieht, davor noch einen Tester, in dem ein dunkel gewordener Rest eine zähflüssige Konsistenz angenommen hat.

Ein einziger Blick und ich wusste es: „Femme“ von Rochas, leicht zu identifizieren durch das transparente Spitzenmuster auf der Verpackung. Alle Verkäuferinnen waren abgelenkt, eine Trittleiter stand wie ein Wink des Schicksals direkt daneben. Also flugs ausgeklappt, hinaufgeklettert und als erstes am Tester gerochen. Ich sage euch: WUNDERVOLL, ÜPPIG, WÜRZIG-BLUMIG-VANILLIG traf auf meine weitaufgerissenen Nüstern. Als nächstes die Kartons in Augenschein genommen. Oh la la, das Parfum, ein Cologne, von dem ich gar nicht wusste, dass es einmal existierte und ein Deo. Mit aufgeklebtem handgeschriebenen vergilbten Preisschildchen. In Schilling… Huch, war das damals teuer!

Inzwischen war die Inhaberin des Ladens auf mich aufmerksam geworden und sprach mit etwas streng an, was ich denn da oben eigentlich suche? Ich drehte mich auf meinem prekären Leiterchen vorsichtig in ihre Richtung, ohne jedoch das duftende Kleinod aus den Klauen zu lassen und erklärte schlicht: „Ich würde das bitte gerne kaufen“.

Dann entspann sich folgender Dialog:

„Gnä Frau, die stehen da schon ganz lange oben, die sind nur Dekoration!“

„Ja, das ist mir bewusst, aber eben deshalb, das Parfum wird ja nicht mehr produziert und man findet es nur noch ganz selten!"

„Aber das geht doch nicht, das ist ja schon ganz alt!“

„Ja, stimmt, genau deshalb ist es auch so selten zu bekommen...“

„Gnä Frau, wissen Sie, so ein Parfum verdirbt ja auch irgendwann, und das ist ja Original verpackt, da können wir es ja gar nicht überprüfen.“

„Könnten wir es nicht einfach öffnen, um einmal zu riechen – und wenn es in Ordnung ist, dann kaufe ich es?“

„Na, gnä Frau, das geht nicht, das ist doch schließlich unsere Deko!“

Diesen Dialog kann man nun einige Zeit da capo al fine vor sich hin sprechen. Das Totschlag-Argument war schließlich: „Ich kann Ihnen das ja auch gar nicht verkaufen, weil es ist ja keine Ware und dann weiß ich gar nicht, was ich in die Kasse eingeben soll“. Alle meine kreativen Vorschläge von Preis erfinden oder vielleicht ja auch…. eine kleine Duftspende an eine arme irre Duftsüchtige…… ich meine, wenn die Verrechnung so schwierig ist…. gegen eine Spende für die Kaffeekasse…. , wurden erbarmungslos abgeschmettert und ich zog geknickt von dannen.

Natürlich dient so eine Episode nur dazu, den Wunsch nur noch dringender erscheinen zu lassen und so folgten Wochen und Monate des Lauerns und Pirschens, bis endlich, endlich, endlich, Souk sei Dank, einer der Duftgeister der Vergangenheit in meiner Sammlung einen Ehrenplatz fand. Nicht ohne einige Irrungen und Wirrungen, aber das ist eine andere Geschichte.

Und wieder einmal: Ein Hoch auf den Erfinder des Souks, in dem unsere ungenutzten Spontankäufe ein neues Zuhause finden, unser Durst nach unbekannten Testdüften gestillt wird und aus dem mit schöner Regelmäßigkeit kostbare Schätzchen den Weg in Schubladen und Regale finden und dem neuen Eigentümer zuerst die Spannung der Pirsch und Suche, die Freude über den Erfolg des Findens, die Ungeduld auf die Ankunft des Pakets, das Erlebnis des je nach Laune und Temperament hastig-gierigen oder genussvollen Auspackens und ganz zum Schluss diesen wundervollen Moment schenken, wenn aus dem neuen Flakon der allererste Sprühstoß entweicht und man sich endlich am Ziel (diesmal aber wirklich und endgültig!) der eigenen Duftsehnsüchte wähnt!

Viel Erfolg bei der Duftjagd

wünscht eure Duftsucht!

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