EauRevoir

EauRevoir

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1 - 5 von 6
EauRevoir vor 2 Jahren 3 4
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
8.5
Duft
Haltbarkeitsmonster - ein sehr langer nomadischer Schatten
Neben all dem bereits Geschriebenen möchte ich hier vor allem auf die Haltbarkeit eingehen. Die ist nämlich schlicht nicht von dieser Welt - so etwas habe ich noch nicht erlebt. Hemden riechen teils nach 2 mal waschen noch nach dem Duft. Mein Highlight: Ich habe um 15:00 einen einzigen Spritzer Ombre Nomade auf die Brust gesprüht...mit dem Ergebnis, dass der Pyjama, den ich nach einer Dusche um 22:00 angezogen habe, noch nach einem Waschgang merklich danach gerochen hat. Beim Bügeln ist eine Wolke aufgestiegen als hätte jemand gerade den frischen Duft versprüht. Die 10 auf der Haltbarkeitsskala wird dem eigentlich nicht gerecht...bzw. kenne ich keinen Duft, dem ich im Vergleich auch nur eine 8 geben würde.

Das hat einen großen Vorteil: ON ist mE der einzige LV Duft mit einem wirklich exzellenten Preis-Leistungsverhältnis: Ein Spritzer trägt mich durch den Tag - besser als 4-5 Hübe von anderen Düften.
Der Nachteil: In recht kurzer Zeit riecht einfach alles danach. Wenn ich nach drei Tagen mit Ombre Nomade einen anderen Duft verwende, riecht jedes Zimmer, jedes Kleidungsstück oft noch Wochen nach ON. In Kombination damit, dass die Duftentwicklung sehr linear ist, ist sehr bald das gesamte Umfeld olfaktorisch dicht. Mir persönlich ist das auf Dauer zu viel. Ein bis zwei besondere Tage lang kann es aber sehr reizvoll sein.

Weiterer Nachteil: Da auch die Sillage nicht gerade von schlechten Eltern ist, ist ON doch recht häufig an anderen Personen wahrzunehmen.
4 Antworten
EauRevoir vor 2 Jahren 20 4
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Viel besser als sein Ruf hier
Ja, die Kopfnote ist heftig...und ich verstehe die Assoziationen, die sie bei manchen Kommentatoren hier weckt. Sie hat aber auch etwas Natürliches, Unbändiges, dem ich durchaus viel abgewinnen kann. Zutiefst männlich, stark, naturverbunden, mutig, unabhängig, und und und...nichts zum Knüpfen neuer Bekanntschaften, sondern mehr für das Date mit der Frau, die einen schon liebt und das Selbstbewusstsein zu schätzen weiß, das man braucht, um einen solchen Duft zu tragen.

Allerdings gibt es so viel mehr an diesem Duft zu bemerken, als nur die Kopfnote.

Vor allem zeichnet sich Nuit de Feu - im Gegensatz zum Beispiel zu Ombre Nomade, das so linear ist wie ein Duft nur sein kann - durch einen wunderschönen Verlauf aus. Immer cremiger wird das Erlebnis, bis es in einem nicht enden wollenden Moschusbett seinen späten Ausklang findet.
Ein wunderbares Parfum, um abends auszugehen und morgens im Bett noch den Nachhall der besonderen Nacht zu riechen...idealerweise mit oben erwähnter Frau.

Ein wirklich feiner, hier mE unterbewerteter Duft. Die Haltbarkeit sehe ich bei nicht mehr als gutem Durchschnitt. Somit sprechen wir von einem ambitionierten Preis-Leistungsverhältnis.
4 Antworten
EauRevoir vor 2 Jahren 22 6
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Aramis, Sohn des Aramis
Neulich erhielt ich vom Internetdiscounter meines Vertrauens einen Newsletter, in dem der 110ml Flakon Aramis zum Spottpreis angeboten wurde.

Aramis war auf meiner persönlichen Duftlandkarte Sperrgebiet. Der Grund: Es war über Jahrzehnte der Duft meines Vaters. Frisch gesprühtes oder als Rasierwasser aufgetragenes Aramis kündigte an, wenn mein Vater bereit war zu gehen; die Reste in der Kleidung warnten davor, dass er schon zu Hause war, wenn ich mich nach Zapfenstreich ins Haus schlich.

Aramis lag überall in der Luft, vor allem in engen Räumen, am meisten im Badezimmer, und natürlich in den Autos: Erst im vom mir gehassten Strich-Achter - immerhin keine Wanderdüne im engeren Sinn, sondern ein - stinkender und nur unwesentlich schnellerer - 220D, dann im dunkelblauen W123 (280E) und schließlich in meinem Liebling, dem labradrorblauen 230E…bei Erwerb fast nicht gebraucht.

Der Duft war einfach überall, wo mein Vater war.

Das Verhältnis mit meinem Vater war von Höhen und Tiefen geprägt, auch der einen oder anderen konfliktreichen Phase. Der Höhepunkt der Spannungen war rund um den 16. Geburtstag erreicht, dann entspannte sich die Situation zusehends. Erst konnte ich dank des damals neuen und sensationellen Fahrenheit olfaktorisch gut gegen den Vater anstinken, und wenig später fand ich mich auch ansonsten seinem Schatten recht gut entwachsen.

Die Entspannung kam wohl damit, dass er einsah, dass ich so ganz anders war als er: Wagemutig wo er Vorsicht einforderte, diszipliniert wo er sich gehen ließ, der Intuition folgend wo er rational abwog.

Er trug Aramis bis zu seinem Tod, der mir natürlich zu früh kam. Die Restbestände aus dem Rasierschrank, die mir meine Mutter anbot, habe ich abgelehnt. Zu groß der Kummer und das Bedürfnis nach einem Abschluss.

Jetzt, Jahre später und ich selbst so alt wie mein Vater war, als ich mich zum ersten Mal rasierte, habe ich angesprochenes Sonderangebot genützt. Nicht, um Aramis tatsächlich zu tragen, sondern nur für den gelegentlichen Schnüff - fürs Familienmuseum sozusagen.

Als es endlich da war, kam alles anderes: Ein kleiner Sprüher auf den Handrücken…was für ein Erlebnis. Ja, es roch auch nach Papa, aber es roch vor allem frisch, interessant, vielschichtig, stark, spannend…einfach wie ein richtig guter Duft.

Mittlerweile habe ich den Duft mehrere Male getragen und ertappe mich dabei, dass ich von Mal zu Mal einen Sprühstoß mehr auftrage.

Ein Duft, dem man anmerkt, dass hier viele Zutaten akribisch eingewogen wurden und nicht mit der Brechstange ein marketingtauglicher Effekt erzielt werden musste. Der Drydown macht mir große Freude, da über Stunden leicht unterschiedliche Noten wahrnehmbar sind…die ich leider mangels Duftkompetenz nicht auseinanderhalten und benennen kann. Im Ergebnis bietet mir Aramis zum Start belebende Frische, ausdauernd saubere, würzige Seifigkeit und einiges an stärkendem Leder.

Trotz seines wirklich fortgeschrittenen Alters finde ich den Duft nicht altmodisch, sondern einfach klassisch und zeitlos - wohltuenderweise ohne die penetrante Synthetik so viele aktueller Düfte. Da diese nun aber in gewisser Weise zum State-of-the-Art geworden ist, kann ich verstehen, dass Aramis im Vergleich zu modernen Düften vielleicht manchem jüngerem Semester zu organisch und dadurch unsauber rüberkommt.

Besonders hervorheben möchte ich den Flakon: Optisch sieht man ihm das Alter natürlich an, funktional ist vor allem der Sprüher ein Traum: Er produziert eine besonders feine Wolke, die dazu einlädt, das - in meinen Augen viel zu billige - Sprühgut großflächig zu verteilen.

Tragekontexte reichen für mich von Maßhemd bis Lederjacke, von Herbst bis Frühling.
6 Antworten
EauRevoir vor 2 Jahren 18 7
8
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Power is nothing without...warmth
Es ist erst wenige Wochen her, dass ich mir wieder erlaubt habe, zu riechen…und damit meine ich sowohl nach etwas zu duften, als auch Düfte wahrzunehmen. Ich hatte immer eine sehr empfindliche Nase und so waren Parfümerien mit ihrer Geruchs-Kakophonie Orte der Hölle, um die ich einen großen Bogen machte wo immer möglich.
Ein weiterer Grund für die geruchslose Phase waren wohl auch die Kinder - es macht einfach viel Sinn, in den Baby- und Kleinkindjahren die gegenseitige Körperwahrnehmung nicht durch Parfum zu stören. Zwei Allergikerinnen und dementsprechend viele neutral riechende Seifen und Duschgels im Haus taten ihr übriges.

Und irgendwann kam die plötzliche Eingabe, wieder riechen zu wollen - getriggert durch ein Stück Speick-Seife. Seither rieche ich mich leidenschaftlich durch das Duftuniversum.

Vor den Menschen hier, die viele einzelne Noten und ihren Verlauf so detailliert beschreiben können, ziehe ich meinen Hut, denn ich kann das nicht….vielleicht ja noch nicht. Ich habe Assoziationen, die aber meist nichtmal besonders konkret sind, eher körperliche Eindrücke, die ich schwer beschreiben kann. Das hier zu versuchen macht viel Freude. Die wirklich alten Düfte aus England, Frankreich und Italien faszinieren mich, und auch den neuen stehe ich grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Wenn mich aber ein Duft wirklich packt, so stammt er meist aus der Zeit meiner Kindheit und Jugend. Ich schließe daraus, dass meine Nase vielleicht damals „kalibriert“ wurde. Ich finde das bisschen schade, aber vielleicht vergeht das ja mit der Zeit.

Antaeus habe ich im Gegensatz zu anderen Düften getestet, ohne davor etwas darüber zu lesen - ich wusste nichts über das Jahr, den Parfumeur oder die Einschätzungen der anderen hier. Ich fand ihn einfach spontan krass und interessant, er stach einfach aus der Menge. Beim Aufsprühen ist er eine Ansage, das wurde hier ja zur Genüge diskutiert und ich kann selbst den abschätzigsten Kommentaren nur halbherzig widersprechen. Trotzdem mag ich das. In weitere Folge umhüllt er mich einfach mega-angenehm und trägt mich durch den Tag. Im Geschäft ist er mir eine warme, wohlige Rüstung, abends dann eine stärkende und gemütliche Stütze. Wenn ich ihn ein paar Tage hindurch im Büro getragen habe, sehne ich mich wochendends nach mehr Zitrone oder Lavendel - schließlich braucht der Mensch auch mal eine Pause.

Dass ich ein Kind der 80er Jahre bin (75 geboren) akzeptiere ich hiermit und dass mir die Düfte von damals, die hier „Powerhouse“ genannt werden, liegen, nehme ich einfach mal freudig hin. Was ist schlecht an Power? Per se nichts, so weit ich weiß. Wochentags muss ich den Anführer spielen und ich lege diese Rolle am liebsten sehr menschlich, aber gleichzeitig unmissverständlich aus. Dafür ist mir Antaeus der ideale Begleiter.

Was ich jedoch am faszinierendsten finde: Antaeus wird hier als etwas ungefällig beschrieben und ich kann gut verstehen warum. Entsprechend gespannt war ich auf das Urteil meiner Familie, nachdem ich ihn gekauft hatte. Meine Frau kommentierte ihn mit einem beiläufigen „passt zu Dir“ (das entspricht einer 10/10) und meine 12-jährige Tochter sagte sogar „das ist bis jetzt der beste von allen“. Da war nichts mit „igitt“ (wie bei den meisten gesteten Creed Düften, allen voran Green Vetiver, bei dem meine Töchter nicht wussten ob sie lachen oder weinen sollten) oder „puh, riecht nach altem Mann“ wie bei so manchem Klassiker bei Manufactum.

Ich bin froh, Antaeus in meiner Sammlung zu haben und finde ihn warm, sperrig, stark, adstringierend, etwas pudrig und vor allem - in meiner limitierten Erfahrung - wirklich einzigartig.
7 Antworten
EauRevoir vor 2 Jahren 13 3
Was für ein Gebräu
Puh, der Bracken Man nimmt mich echt mit. Als die Probe ankommt erstmal ein kleiner Spritzer in die Kappe. Ein absolut betörender Geruch: eine im besten Sinn schneidende Frische, gleichzeitig ausgewogene, feine Schwere, nur leicht süß, in Summe einfach stark, komplex, interessant, magnetisch.
Zwei beherzte Stöße aufs Handgelenk und plötzlich wird es sehr süß…ist es wirklich so süß oder provoziert nur die Deutlichkeit der Gewürznelke und des Zimts Assoziationen von Süße, den Geschmack von Weihnachtsmarkt und Lebkuchen? Nelke und Zimt sind ja gar nicht selbst süß, aber wo sie sind, ist es normalerweise süß und nicht farnig.
Die ersten 15 Minuten sind hart, der Weihnachtsmarkt macht sich so wichtig, dass die paar zarteren Noten im Hintergrund kaum wahrzunehmen sind. Leichte Übelkeit packt mich.
Im Drydown dann großes Kino - nach einer Stunde schon hochgradig angenehm - pfeffrig warm, doch immer spielt auch diese Süße mit mir, mal nur im Hintergrund, mal cremig-vanillig im Vordergrund, oft genug störend, immer verwirrend. Ist das ein orientalisches Fougère - und wenn ja, was soll das? In der Wüste wächst kein Farn, vielleicht ist es das, was mich irritiert - vielleicht kommen Gedankenmuster der reinen Erfahrung in die Quere.
Nach 24 Stunden und einer Dusche: Lebkuchen unter meiner Haut.
Das wird wohl nicht mein Duft, und trotzdem muss ich immer wieder zur Probe zurück, die Kappe abnehmen und ran mit der Knolle…dann verdrehe ich die Augen vor Glück…und vielleicht gibt es demnächst auch wieder ein paar Hübe aufs Handgelenk. Was für ein Gebräu.
3 Antworten
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