Ernstheiter

Ernstheiter

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6 - 10 von 41
Ernstheiter vor 5 Jahren 21 7
8
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Biber im Armani pour Homme
In vielen hier vertretenen Sammlungen finden sich Duefte aus vergangenen Zeiten. Ihren Weg dahin moegen sie aus vielen verschiedenen Gruenden gefunden haben. Haeufig ist es der leicht melancholische Versuch, durch das Einstellen eines solchen Duftes die Erinnerung an besonders schoene Momente oder Perioden des Lebens festzuhalten. Ich habe das mit Macassar von Rochas und Jil Sander Man Pure getan. Und natuerlich mit Davidoff. Alle drei Duefte verbinde ich mit den 80ern, mit der Studenzeit und unbeschwertem Leben (was es in einem ehrlichen und emotionslosen Rueckblick gar nicht war).

Davidoff startet frisch, aber nur ganz kurz gelb-zitrisch. Sehr schnell wir diese Agrumenfrische gruen, kein grasiges, sondern eher mediterranes Gartengruen. Gleichzeitig entwickelt sich eine verhaltene Schaerfe, leicht schrill ohne weh zu tun. Sie vermittelt den Eindruck von wuerziger Seifigkeit. Viele Duefte aus den 80ern haben diese Seifigkeit, die je nach Intensitaet von leicht schweissig bis urinoes gehen kann. Dies ist bei Davidoff nicht der Fall. Die Seifigkeit ueberlagert die gruene Frische nicht, sondern bleibt in ihr gefangen.

Nach und nach verblasst die gruene Ausrichtung von Davidoff und es tritt Leder hervor. Die Seifigkeit ist nach wie vor da, bekommt aber einen leicht animalischen Touch, der wohl durch das Bibergeil hervorgerufen wird. Dank seine sparsamen Dosierung kommt es aber nicht zu einem Eindruck von Stallgeruch oder Tierkaefig.

In seiner mediterran-frischen Ausrichtung erinnert mich Davidoff an Armani pour Homme. Beide stammen aus dem Jahre 1984 und haben viele Duftnoten gemeinsam. Leider hatte ich Armani pour Homme seit vielen, vielen Jahren nicht mehr unter der Nase und moeglicherweise spielt mir meine Erinnerung einen Streich; aber mir scheint es so, als sei Davidoff ein entfernter Verwandter von ApH, dem man durch Beigabe von Bibergeil einen saeuerlich-animalischen Twist verpasst haette.

Davidoff hat als Kind seiner Zeit ein grosses Durchhaltevermoegen und eine ebenfalls alles andere als schuechterne Sillage. Waehrend ich in den 80ern im Davidoff-Nebel verschwand, ist heute Vorsicht bei der Dosierung angebracht.


7 Antworten
Ernstheiter vor 6 Jahren 35 14
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Das Facebook Cologne
Es gibt den Spruch “Mit beiden Beinen im Leben stehen”, aber was bedeutet er fuer mich? Die meiste meiner Zeit verbringe ich mit Arbeit, etwas weniger mit Schlafen und Ausruhen und leider noch weniger mit sozialen Aktivitaeten. Fuer mich ist es noch wichtig, beim Schreiben “das” und “dass” richtig zu verwenden und ich nutze weder Facebook noch Instagramm. Stehe ich nun mit beiden Beinen im Leben oder nicht?

Als Parfumo fuehle ich mich ebenfalls mehr von Traditionshaeusern wie Guerlain und Caron, als von Escentric Molecules und Tom Ford angezogen. Es genuegt mir nicht, einen Duft zu tragen, der mir nur gefaellt, nein, er muss beim (Auf)Tragen auch etwas mit mir bewirken; das koennen Erinnerungen sein, Phantasien oder manchmal auch nur gemischte Gefuehle, die ich versuche in ihrer Pendelbewegung zwischen Zustimmung und Ablehnung zu einem definitive Urteil zu buendeln.

Und dann ist da Dior Homme Cologne, der so ueberhaupt nicht zu dem passt, was ich soeben geschrieben habe. Keine Erinnerungen, keine Phantasien, keine gemischten Gefuehle. Lediglich einer der schoensten minimalistischen Flakons, die ich kenne. Bereits das gesamte Erscheinungsbild in dem transparenten ganz leicht hellblauen Flakon erfrischt schon, bevor man auch nur einen Tropfen des darin befindlichen Inhalts auf die Haut sprueht.

Und die dadurch geschaffene Erwartung auf eine sommerlichen Temperaturen die Stirn bietende Frische wird auch nicht enttaeuscht. DHC wartet nicht mit einer Guerlinade auf und bietet auch nicht das sonst fuer Colognes charakteristische Zusammenspiel von zitrischen Noten. Dafuer huellt es einen in eine Wolke aus feinster Retorten - Zitrone ein. Nicht saftige Frische von reifen Zitronen, sondern die Kuehle einer im Labor geschaffenen Zitrusfrucht gibt den Ton an. Gleichzeitig entwickelt sich eine Fluffigkeit, die es verhindert, dass die Retorten – Zitrone zu schneidend oder zu saeuerlich wirkt. Diese Fluffigkeit wird bewirkt durch den geschickten Einsatz von weissem Moschus, der als Fixierung notwendig ist, um dem zitrischen Aroma Haltbarkeit zu geben. Der Duft selbst hat keine Duftentwicklung, sondern eher eine Verlagerung der Schwerpunkte. Am Anfang ist das Zitrische betont und wird von der Fluffigkeit des Moschus untermalt, waehrend nach einigen Stunden das Fluffige in den Vordergrund tritt, die Zitrone aber weitehin gut wahrnehmbar bleibt. Dabei driftet DHC zu keiner Zeit ins Pudrige ab oder bekommt einen Lippenstift – Effekt. Wenn man DHC GROSSZUEGIG auftraegt, und das kann man ohne Bedenken, da es kein raumfuellender Duft ist, kann man es auch nach 7 Stunden noch gut auf der Haut wahrnehmen.

DHC ist ein perfekt gemachter Retorten – Duft fuer den Sommer, der erfrischt, nicht aufdringlich ist und sehr lange haelt. Trotzdem habe ich ihn nicht mehr in meiner Sammlung. Heute habe ich den Duft ein letztes Mal grosszuegig aufgetragen und damit war die Flasche aufgebraucht. Anschliessend bin ich ins Kino gegangen und waehrend ich mir den neuesten Soderbergh Film angeschaut habe, habe ich voller Wohlbehagen diese fluffige Zitrusnote wahrgenommen.

Natuerlich habe ich mir bereits einen wuerdigen Nachfolger fuer DHC zugelegt. Diesmal ist meine Wahl wieder auf ein klassischeres Cologne gefallen, eines das ausser gut zu riechen auch noch Geschichten erzaehlt und Bilder hervorruft, naemlich Granville. Zumindest Dior bin ich damit treu geblieben.

DHC ist ein toll gemachter Duft, hat ein tolles Packaging und ist fuer mich ein Produkt unserer Zeit – Facebook und Instagramm, eben. Mir ist das auf Dauer nicht genug. Aber ob ich deswegen “mit beiden Beinen im Leben stehe”, weiss ich immer noch nicht.
14 Antworten
Ernstheiter vor 6 Jahren 39 16
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
Otto Normalverbraucher ueber DNA und Ratzinger
Also Leute, Nischenparfum ist eine feine Sache, aber Hauptstroemung ist einfacher, das sag ich Euch. Sagen wir, ich will einen ausgefallennen Nischenduft und dann faellt meine Wahl auch noch auf "Io Non Ho Mani Che Mi Accarezzino Il Volto". Und schon haben wir das Schlamassel, ach was sag ich, nicht ein Schlamassel hab ich dann, sondern gleich mehr.
1. Stellt Euch 'mal vor, ich koennte kein Italienisch (zum Glueck kann ich's), ja wie soll ich denn der Verkaeuferin klarmachen, welchen Duft ich will. Wer des Italienischen nicht maechtig ist, der kann den Duft gar nicht aussprechen. Der braeuchte ja dann einen Simultandolmetscher, dem er aber nicht sagen koennte, welchen Namen er uebersetzen soll. Alternative ist dann nur 4711, weil da braucht man sich nicht viel zu merken.

2. Und dann erst die Gedaechtnisakrobatik. Selbst wenn man Italienisch kann (zum Glueck kann ich's), dann muss man sich so einen kurzgeschichtenlangen Namen erst 'mal merken (zu meinem Unglueck kann ich's nicht). Da ist dann wieder eine Alternative noetig - in Form eines Spickzettels.

Es muss jeder selber wissen, wie er das machen will, aber wer so einen ausgefallenen Duft wie ""Io Non Ho Mani Che Mi Accarezzino Il Volto" kaufen will, dem sei gesagt, das ist Schwerstarbeit.

Und der Flakon erst, der ist saugeil, so sagt man doch heute oder kann man noch cool sagen? Also der Flakon schaut aus wie der von Tactics von Sisheido, aber bloss untenrum. Oben auf der Kappe da hat der ""Io Non Ho Mani Che Mi Accarezzino Il Volto" naemlich so einen kleinen schwarzen lederartigen Lappen aufgesetzt, der wie vom Wind zerzaust ist. Das ist so aehnlich wie die selbsgemachte Erdbeermarmelade von der Mutti. Die hat auch ueber die Glaeserdeckel so einen kleinen Lappen gezogen und der war rot kariert.

Wer bei mir ins Bad geht und den Flakon auf der Ablage stehen sieht, kommt immer innerhalb von 10 Sekunden zu mir zurueck, mit dem Flakon in der Hand und fragt: hey was ist denn das fuer ein geiler Flakon oder hey wo
hast Du denn den Duft her; Wenn bei mir jemand auf die Toilette geht, fang ich schon immer zu zaehlen an.

Der Duft selbst steht dem Flakon in puncto Ausgefallenheit in nichts nach.

Schon in der Kopfnote geht "Io Non Ho Mani Che Mi Accarezzino Il Volto" keine ausgetretenen Gourmand- oder Oud-Pfade, sondern versucht mit Kreativitaet zu punkten. Keine Zitrusfruechte, auch keine Blumen, dafuer Schuhcreme auf Stahl oder eine medizinisch anmutende Kraeutermischung: Das ganze kommt sehr kuehl-trocken zum Ausdruck, suggeriert Frische allerdings ohne jegliche zitrischen Anklaenge. Ich nehme an, dass diese stahl-kalte Ausstrahlung der allgegenwaertigen Myrrhe zuzuschreiben ist. Die in der Duftpyramide angegebenen zitrischen Noten kommen eigenstaendig nicht zum Ausdruck. Es scheint vielmehr, dass ihre alleinige Daseinsberechtigung darin besteht, der Myrrhe ihre stahl-kalte Ausstrahlung zu verleihen.

Die anfaengliche medizinische Bitterkeit zieht sich zurueck und ueberlaesst Blumen die Aufgabe, der Myrrhe in der Herznote eine neue Ausrichtung zu geben. Es wird cremig mit hoelzernen und zimtigen Schlieren. In dieser Phase finde ich "Io Non Ho Mani Che Mi Accarezzino Il Volto" weniger mutig als in der Kopfphase. Fast habe ich den Eindruck, der Duft zieht sich auf der Haut zurueck, ohne wirklich hautnah zu werden.

Zur Basis hin verliert sich die Kuehle, es wird waermer. Gut warnehmbare Leder- und Tabaknoten im Zusammenspiel mit Weihrauch schaffen einen sakralen Eindruck. Nicht Kathedrale, sondern Naturschauspiel, nicht Messe, sondern archaischer Ritus. So klingt der Duft nach vielen Stunden aus.

"Io Non Ho Mani Che Mi Accarezzino Il Volto" gefaellt mir sehr gut. Schon alleine aufgrund der Tatsache, dass er kein weiterer Gourmand- oder Oud-Duft ist. Er braucht auch kein Eisenkraut aus Mecklenburg-Vorpommern oder Eisenkraut aus Papua Neuguinea. Durch Einsatz von omnipraesenter Myrrhe, bekommt der Duft die ihm eigene Myrrhe DNA, die aber von der Kopf- ueber die Herz- bis zur Basisnote eine Metamorphose von schrill - cremig - sakral durchmacht. Das mag fuer den einen oder anderen gewoehnungsbeduerftig sein, interessant und kreativ ist es sicher.

Also Leute, meiner Meinung nach, waer das ein Duft fuer den Ratzi, ja genau den Papst, der ist doch jetzt Ex? Also "Io Non Ho Mani Che Mi Accarezzino Il Volto" wuerde der Eminenz bestimmt gefallen, Der hat doch so einen guten Sinn fuer schoenen Dinge, wie rote Hauspantoffeln von Prada. Na und da wuerde doch so ein spezieller Duft gut dazupassen.
16 Antworten
Ernstheiter vor 6 Jahren 21 11
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Minimalistische Wohnung und gothische Kathedrale for Man Pure
1981: meine erste Studentenbude, ich und meine Moebel, ein gerahmtes Bild mit einer Hartung-Grafik, eine Matraze, zwei Tischboecke, eine Arbeitsplatte aus Sicherheitsglas und zwei Klappstuehle. Und einen Dusch- vorhang, denn ein Alibert-Wandschrank mit einer Porzellanablage darunter waren bereits da. Aermlich, koennte man jetzt denken, aber so einfach ist das nicht.

Kurz nach meinem Einzug stiess ich naemlich in einer Architekturzeitschrift auf einen reich bebilderten Artikel ueber den Minimalismus von John Pawson und Claudio Silvestrin. Und auf einem der Fotos sah ich ein Bad, voellig karg, ja nackt in seiner Anmutung, mit einer monolithischen Badewanne mitten im Raum. Aus der Wand neben der Badewanne ragte eine aufs Notwendigste reduzierte Ablage hervor und auf der stand..........ein Flakon

Jil Sander Man Pure.

In diesem Moment war mir klar, dass ich genauso einen Flakon auf meiner Porzellanablage HABEN MUSSTE. So ein Flakon bedeutete fuer mich in dem Moment, meine gezwungenermassen aermlich eingerichtete Wohnung in ein minimalistisches Apartment upzugraden. An den Duft selbst habe ich in dem Moment gar nicht gedacht, ja er war Nebensache. Unnoetig zu sagen, dass noch am selben Tag ein Flakon Jil Sander Man Pure bei mir einziehen musste.

Und es sollte sich herausstellen, dass auch der Duft selbst zu einem festen Bestandteil meines Parfumo Curriculums werden wuerde. Bisher hatte ich meist Aramis benutzt, weil er mir gefiel. Ich machte mir beim Parfumkauf nie Gedanken ueber Fougère, Orientalisch oder Chypre. Die meisten der von mir bis dahin benutzten Duefte starteten frisch, gingen dann wuerzig oder holzig weiter und endeten vanillig-suesslich.

Auch Jil Sander Man Pure startet mit einem Auftakt von Zitronen, der aber weder colognehaft noch stechend zitrisch daherkommt. Dafuer sorgt eine Vielzahl an wuerzigen Aromen, wodurch der Duft einen Twist erhaelt, den ich schon fast als sakral empfinde. Fast scheint es, ich habe ein an Myrrhe erinnerndes Balsam unter der Nase. Allerding ruft es in mir keine Bilder von Orient oder Bazar hervor. Vielmehr fuehle ich mich wie im Mittelschiff einer gotischen Kathedrale, durch die Fenster scheint die Sonne und zeichnet ein Bild aus Lichtstrahlen, wie bei einer modernen Laser-Show. Waehrend es draussen hochsommerlich heiss ist, herrscht im Inneren eine angenehme Kuehle, die meine Haut als willkommenen Kontrast zur draussen herrschenden Hitze empfindet.

Dieses von mir als "balsamische Myrrhe" empfundene durchzieht den Duft ueber seinen gesamten Verlauf. Die Uebergaenge der Duftphasen sind so perfekt gemacht, dass man Veraenderungen in der Duftrichtung mehr erahnt, denn klar bemerkt. Egal ob mal kurz etwas Zimt aufblitzt, eine blumige oder eine animalische Untermahlung sich behutsam bemerkbar macht, der sakrale Gesamtcharakter wird dadurch nicht beeinflusst. Im weiteren Duftverlauf dimmt eine animalische Note das Balsamische herunter und verleiht ihm eine kuehl-trockene Note. Haeufig ist es Eisenkraut, das den Eindruck von metallischer Frische erzeugt. Ein Paradebeispiel hierfuer ist Green Irish Tweed bei dem die Frische klar und metallisch erscheint. Bei Jil Sander Man Pure allerdings ist es kein Eisenkraut, das dene Frischeeindruck hervorruft. Er hat nichts metallisches, vielmehr klar, aber nicht schneidend, eher kalter Stein, als Metall.

Erst in der Schlussphase verblassen die sakralen Assoziationen, die Basis aus Eichenmoos macht sich bemerkbar, erlaubt aber, dass weiterhin der Eindruck von Myrrhe in ihr erhalten bleibt.

2018: meine Wohnung ist jetzt aufgeraeumt minimalistisch eingerichtet. Und wenn mal nicht so aufgeraeumt ist, dafuer habe ich einen Flakon Jil Sander Man Pure stehen.

11 Antworten
Ernstheiter vor 6 Jahren 18 11
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Von der Schreinerei in die Kirche in die Tabakplantage
Ich bin in einer Schreinerei aufgewachsen. Das bedeutete, dass ich haufig in meiner freien Zeit meinem Vater, dem Schreinermeister zur Hand gehen musste. Waehrend er an einem Ende der grossen Saegemaschine die Holzbohlen zum Saegeblatt hin schob, wartete ich am anderen Ende geduldig darauf, das entzweigeschnittene Holz in Empfang zu nehmen und auf einen Stapel zu schlichten. Einmal die Woche musste ich ihm helfen, um im Lagerraum mit den Saegespaenen Platz zu schaffen, wie er das nannte. Die bei der taeglichen Arbeit anfallenden Saegespaene wurden durch ein Abzugssystem eingesaugt und ueber ein grosses Rohr im Keller wieder ausgestossen. Nur verteilten sich die Spaene nicht gleichmaessig ueber die Bodenflaeche, sondern bildeten unter dem Rohr einen pyramidalen Haufen. Und den galt es abzubauen, indem er mit grossen Holzrechen gleichmaessig ueber die Bodenflaeche verteilt wurde, um Platz fuer weitere Spaene zu schaffen.

Deswegen kann ich mit Recht fuer mich in Anspruch nehmen zu behaupten, so ziemlich alle Geruchsvariationen zu kennen, die Holz nur haben kann. Von frischem zu abgelagertem Holz bis zu Holzspaenen.

An genau diese Holzspaene musste ich denken, als ich Tabac Santal zum ersten Mal aufgetragen habe. Erwartet hatte ich ein ausgepraegtes Tabakaroma, gerochen habe ich anfaenglich frische Holzspaene. Diese stroemen ein kraeftiges Aroma von frischem Holz aus, gepaart mit einer noch leicht gruenen Note, die etwas Stechendes an sich hat. In Tabac Santal nimmt allerdings eine aromatische Tabaknote dem frischen Holz sofort seine Spitzen, so dass sie ihrer schneidenden Wirkung beraubt werden. Es riecht einfach nur nach aromatischem Holz mit leichten Tabakanklaengen. Nach einigen Minuten geht es von der Schreinerei zur Kirche, Myrrhe gesellt sich zum Holz, der gesamte Duft bekommt einen sakralen Charakter. Ich empfinde auch Myrrhe oft als leicht stechend, in Tabac Santal aber nicht, da Annette Neuffer hier durch Bienenwachs dem Gesamtbild eine schoene Weichheit verleiht. Erst zum Schluss kann sich der namensgebende Tabak Platz verschaffen ohne Holz und Myrrhe ganz zu ueberdecken.

Ein toll gemachter Duft, der sich einer voreiligen Zuordnung zu entziehen weiss. Nicht holzig, nicht harzig, nicht Tabak, sondern eine Reise von einer Station in die naechste. Jedes Stadium hat seine charakterspezifische Auspraegung, die sich aber durch geschickte Ueberleitungen waehrend des Duftverlaufes mehrmals wandelt und den jeweiligen Charakter veraendert.

Tabac Santal ist ein hervorragender gemachte Duft, kann aber keinen "Will-ich-haben-Impuls" in mir ausloesen. Fast kommt er mir vor wie der Klassenbeste, neben dem jeder sitzen will um abzuschreiben, den aber niemand zum besten Freund hat.

Ein Mille Grazie an Leonessa, durch deren Grosszuegigkeit ich diesen Duft testen durfte.
11 Antworten
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