FRAgrANTIC

FRAgrANTIC

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16 - 19 von 19
FRAgrANTIC vor 8 Jahren 15
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Maroni!
Jeder der in Deutschland südlich des 51. Breitengrades lebt oder aufgewachsen ist kennt sie, und auch in vielen Nachbarländern bis hinunter nach Spanien und Portugal erfreuen sie sich derselben Beliebtheit. Ihre Zeit beginnt mit den herbstlichen Weinfesten und reicht bis zu den Weihnachtsmärkten. Die Rede ist natürlich von: Esskastanien – Keschde – Maroni.

Auf den ersten Blick leicht zu verwechseln mit den ungenießbaren Rosskastanien, aus denen im Kindergarten so gerne allerlei Getier gebastelt wird. Doch Maroni sind Nüsse, nur haben sie im Vergleich mit anderen Nussarten relativ wenig Fett, dafür aber einen recht hohen Anteil an Stärke. Eben diese wandelt sich unter Hitzeeinwirkung zu Zucker und bringt die süße Nussigkeit der Maroni erst zur Geltung.

Ich habe ein Rezept für Plätzchen aus Maroni, da muss Cloon Keen wohl irgendwie gespickt haben.. . ;-)
Heiß sind die Maroni, wenn sie aus dem Ofen kommen, sehr heiß. Die Schalen an den Einschnittstellen und die einst weißen haarigen Spitzen sind leicht angekokelt. Der Duft nach Holzfeuer schwebt über dem Herd und klebt mir nach dem Schälen noch lange an den Fingern.
Ich muss die Maroni schnell entkleiden, denn so lässt sich der Kern besser von der Innenhaut lösen. Sobald die Schale aufgebrochen wird, bahnt sich ein sahniges Aroma mit zart karamelligem Hintergrund den Weg.
Aber noch sind sie etwas zu mehlig, weshalb ich sie ein bisschen köchle; sobald sie weich sind, werden sie püriert. Vanille, Safran und eine Prise Kardamom verfeinern das Aroma und runden es ab. So rühre ich die cremige Masse unter den Teig.
Beim Backen bringt die Butter im Teig die Zutaten olfaktorisch auf den Höhepunkt, eine Wolke von angenehm süßer Nussigkeit verbreitet sich und bleibt langanhaltend in der Wohnung. Während des Auskühlvorgangs appliziere ich noch eine schwarz-weiße Schoko-Glasur, die für die ultimative Abrundung sorgt.

Nun steh‘ ich also vor der Wahl: heute sprüh ich, morgen back ich….
..ach wie gut, dass niemand weiß…
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FRAgrANTIC vor 8 Jahren 14 4
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Lebensweg einer Rose
Penhaligon’s Hintergrundgeschichte zu „The Coveted Duchess Rose“ ist eine Herzogin, die wegen ihrer unglücklichen Ehe auf der Suche nach Spaß, Frivolität und der einen oder anderen Affäre ist. Die Gestaltung des Flakons ist eine bildliche Umsetzung des englischen Wortes „vixen“ (altenglisch „fyxe“, deutsch Füchsin). Umgangssprachlich ist damit eine sexuell attraktive Frau gemeint, die sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst ist und auch gerne damit spielt.

TCDR eröffnet mit Mandarine und einer Prise Ingwer, nach kurzer Zeit zeigt sich die Hauptingredienz Rose erstmals klar und deutlich. Im weiteren Verlauf entwickelt sich der Duft im zu einem blumig-warmen Bukett, das im Zusammenspiel mit holzigen Noten und Moschus diesen beiden graduell den Weg freigibt.

Es ist der Lebensweg einer Rose : erst eine fast noch geschlossene Knospe mit zart-frisch-fruchtiger Anmutung, dann fängt die Blüte an sich zu öffnen und ihren wahren Duft zu verströmen; mit der Zeit vermischt er sich mehr und mehr mit dem Geruch ihres Gehölzes, bis die Rose schließlich verblüht ist und ihre Petalen vom Wind angehaucht zu Boden fallen.

TCDR ist kein Kleinmädchenduft aus zarten Heideröschen, sondern hat eine fraulich-schöne dunkelrote Rose im Mittelpunkt, die durch nur wenige weitere Ingredienzien akzentuiert wird. Christophe Raynaud verfolgt eine klare Linie und erliegt nicht der Versuchung, dem Duft mit weiteren Bestandteilen eine orientalische Ausrichtung zu geben. Insgesamt eine schöne Komposition, jedoch vielmehr elegant denn subtil verrucht.

Für eine volle Punktzahl sollte Penhaligon’s sich Gedanken über AC/DC’s „Whole lotta Rosie“ machen, dann klappt’s vielleicht auch mit dem Vixen-Signature-Duft.
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FRAgrANTIC vor 8 Jahren 10 3
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Ein Abend vor dem Kamin
Atkinsons beschreibt „The Big Bad Cedar“ unter Referenz auf den Roman „Wuthering Heights“ (Emily Brontë, 1847, dt. Sturmhöhe) und eine der Hauptfiguren namens Heathcliff als „grüblerisch und rätselhaft, eine außergewöhnlich stürmische Interpretation der schottischen Highlands und wilden Virginia-Zeder“. Bilder von turbulentem Himmel und zerklüfteten Bergen, rauchenden Torffeuern, kaltem Wasser der schottischen Bergseen, und dem Zwielicht der Morgendämmerung werden bemüht – „eine Verbindung von Erde, Holz und Feuer, bewahrt für alle Ewigkeit“.

Brontës Protagonist Heathcliff verkörpert die Natur der schottischen Highlands: er ist stürmisch-leidenschaftlich, schroff-aufbrausend-abweisend, wild-unberechenbar, unverstanden, nicht zu bändigen und manches Mal grausam. TBBC ist nichts, aber auch gar nichts von alledem.

Und nun - Thema verfehlt, setzen, 6??? Nein, wir wollen doch nicht zu akademisch werden…

Dem Thema Erde, Holz und Feuer kann ich folgen, wenn auch mit veränderten Szenario: der Duft versetzt mich in einen der klassischen britischen Clubs, man sitzt im Kaschmirpulli in holzgetäfelten Räumen mit dickem Teppichboden in unglaublich bequemen Ledersesseln vor dem glimmenden Kamin und genießt in Kontemplation seinen Whisky.

Den Auftakt bildet Kardamom und eine leicht zitrische Note; Lavendel steht zwar nicht auf der Ingredienzienliste, ich meine jedoch auch von ihm einen Hauch zu erhaschen. Die Virginia-Zeder (botanisch korrekt ein Wacholdergewächs, Juniperus virginiana) bildet das Herzstück, eingerahmt von Salbei als grüner Note und trocken-süßem Ginster. Abgerundet und gehalten wird das ganze durch Cashmeran und etwas Eichenmoos; die beiden sorgen für eine samtige Wohlfühlatmosphäre mit erdig-warmem Hintergrund.

Dem Parfumeur Maurice Roucel ist eine rundum ausgewogene Komposition gelungen, die den Namen Lügen straft: die große böse Zeder ist in Wahrheit ein sehr eleganter Duft in klassischer britischer Tradition, der nicht versucht zwanghaft olfaktorische Sturmtiefs mit ungeahnten Auswirkungen zu erzeugen, und das ist auch gut so.
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FRAgrANTIC vor 8 Jahren 8 2
7
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich
„Enfant terrible“ (dt. schreckliches Kind) – ein Ausdruck, der gerne verwendet wird, um Leute zu beschreiben, die eigenwillig, unangepasst, widerborstig, aufmüpfig, herausfordernd, die Grenzen auslotend… eben alles andere als neudeutsch Mainstream sind.

Zumeist erhalten Mitmenschen aus den künstlerischen Genres, aber auch Quer- und Freidenker aus anderen Disziplinen das Etikett der bürgerlichen Empörung, wo und wann auch immer die Bereitschaft des durchschnittlichen Zeitgenossen fehlt, sich aus dem Ohrensessel der vorgefassten geistigen Bequemlichkeiten und oftmals unausgesprochenen Konventionen zu erheben.

„L’enfant terrible“ ist mit Sicherheit nicht Mainstream, ein Ausrufezeichen selbst unter den Nischendüften, nichts für Zaghafte und schon gleich gar nicht für romantische Seelen. Jovoy’s Inhaber François Hénin hat mit seiner Einschätzung ins Schwarze getroffen – der Duft polarisiert, hate it or love it.

Die sehr intensive Kopfnote, vor allem der Kreuzkümmel und die herbe Muskatnuss treffen mit ungeahnter Wucht mitten ins Riechzentrum. Obwohl laut Duftpyramide Bestandteil der Herznote, gesellt sich auf meiner Haut von Anfang an der harzige Teil der Zeder dazu.
Nach einer Weile entwickeln sich schwächt sich das Herbe ab, Holznoten und eine dezente Fruchtsüße von Orangen und Datteln kommen hinzu, die vor allem auf warmer Haut besonders gut zur Geltung kommen.
Die Basis aus Moschus verleiht dem Duft eine wunderbare Wärme und Tiefe und schafft es auch, die Herznoten und Gewürze über lange Zeit hinweg mitzunehmen. Interessanterweise verschwinden die meisten Komponenten im Verlauf nicht gänzlich, sondern bahnen sich in zwischen drin immer wieder einmal den Weg nach vorne.

Wer sich von dem etwas rauhen Start nicht verunsichern lässt, erlebt einen unglaublich aromatischen, auf völlig andere Art und Weise exotischen Duft, der scheinbar nicht zueinander passendes vereint. Alles in allem eine tiefgründige, vielschichtige und daher auch so faszinierende Komposition.
L’enfant terrible ist daher inzwischen zu einem meiner absoluten Favoriten geworden. Obwohl die eher mit männlichen Noten assoziierten herb-würzigen Bestandteile die Skala dominieren, ist es doch ein Unisex-Duft und insbesondere seine Trägerinnen geben damit sicherlich ein ganz eigenes Statement ab.

Jovoy hat für diese Komposition seines Parfumeures Jacques Flori den ersten Preis des Prix de Parfum Artistique auf der Global Art of Perfumery 2012 erhalten. Bleibt mir nur zu sagen - „Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich“ (John Anster, 1935, in einer sehr freien Übersetzung von Goethes „Vorspiel auf dem Theater“, Faust 2014-30).
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