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vor 3 Jahren - 17.12.2020
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Und warum Laos? (Erster Teil)

Unter falscher Flagge

Die Wahrheit muss ans Licht: Ich lebe gar nicht in Laos, sondern in Berlin. Jetzt ist es raus: Ich segle unter falscher Flagge. Gerade weil Düfte es (entsprechende Sillage vorausgesetzt) an sich haben, vor Staatsgrenzen nicht halt zu machen, habe ich nie so recht eingesehen, warum man hier streng bürokratisch seine Nationalität katalogisieren soll (was machen eigentlich Doppelstaater oder Staatenlose?) und hatte auch schon mal Litauen, die Ukraine und San Marino geflaggt. Jetzt ist es seit geraumer Zeit schon Laos: weil ich Laos liebe und weil das Land so klein, arm und unbekannt ist, dass ein bisschen Zusatz-PR ein Akt der Fairness ist.

Also möchte ich in diesem und den zwei folgenden Blog-Beiträgen Laos ein bisschen vorstellen. Ich bin kein wirklicher Laos-Experte, und was ich hier schreibe, mag oft ungenau sein. Hinweise und Korrekturen sind willkommen. Allerdings mache ich mir da wenig Hoffnung, denn die Zahl der Laos-Experten im deutschen Sprachraum dürfte einstellig sein, und ich weiß nicht, wieviele davon bei Parfumo unterwegs sind. Ich war selbst nur zweimal in Laos: Für einen einzigen Tag (den 28. Dezember 2012) in der Hauptstadt Vientiane und dann 2016 für einige Tage in Luang Prabang und West-Laos. Dieser Beitrag ist bebildert mit eigenen Fotos von der ersten Reise (also fast taggenau vor 8 Jahren), der dritte Folgebeitrag bringt ein paar Bilder von 2016. Der zweite bildet den Übergang. Aber Vorsicht: Disclaimer: Düfte kommen hier nicht vor. Dies ist ein Off-Topic-Blog-Beitrag.

Ein Staat, viele Arschkarten

Laos liegt in Südostasien und hat einfach nur Pech. Es ist der einzige Binnenstaat der Region (das englische "landlocked" bringt den Arschkartenaspekt dieses Umstands sprachlich deutlich zum Ausdruck), damit fängt es schon mal an. Für die Schweiz vielleicht kein Problem, für Laos aber schon, weil sein ganzer Im- und Export über die Häfen nicht unbedingt befreundeter Nachbarstaaten laufen muss. Und besonders blöd, weil das Meer manchmal ganz nahe ist. Es sind aber immer noch ein paar Kilometerbreit Vietnam dazwischen, harhar.

Dazu kommt, dass Laos bescheuert gezogene Grenzen und eine idiotische Geografie hat, wie aus einem Lehrbuch "wie sollte ein Staat nicht aussehen". 90% des Territoriums sind kaum bewohnbares Bergland, und insgesamt kann man sagen, dass wenn man von A nach B will, immer entweder eine Bergkette, ein quer laufender Riesenfluss oder eine Grenze im Weg ist. Blöd.

Als drittes wäre zu nennen, dass Laos verdammt klein ist (7 Millionen Einwohner, nach rasantem Wachstum, 1950 waren es noch 2 Millionen), aber von meist sehr viel größeren, mächtigeren, reicheren Nachbarn umgeben, die den Laoten immer mal gerne zeigen, wo der Bartel den Most holt: In aufsteigender Reihenfolge: Kambodscha (ist heute mindestens genauso arm dran wie Laos, das war aber mal anders), Myanmar (ist früher gerne mal über Laos hergefallen, hat aber heute genug zu tun), Thailand (hält Laos für sein Dienstbotenvorzimmer), Vietnam (würde nicht mal Dienstboten aus Laos nehmen) und China (Laos? What is Laos? Can we buy it?).

Abschließend könnte man noch erwähnen, dass unser verhutzeltes Laos nicht nur wegen seiner kümmerlichen Einwohnerzahl denkbar miese Voraussetzungen dafür hat, einen auf Dicke-Hose-Nationalstaat zu machen. Als Laote wiedergeboren zu werden, wäre die Höchstrafe für alle völkisch-nationalen Politiker, denn man kann von etwa 50 Minderheiten ausgehen, die ca. 100 Sprachen sprechen, welche in 5 große Sprachfamilien aufgeteilt sind, die untereinander so viel Gemeinsamkeiten haben wie Deutsch, Ungarisch und Kisuaheli. Dies birgt, auch wenn man kein fanatischer Anhänger des monolithischen Nationalstaats ist, gewisse Nachteile, z.B. beim Erteilen von Anweisungen auf einer Baustelle oder Befehlen in einer Armeekompanie. Die Zählweise der Sprachen und Minderheiten ändert sich aber ständig, und ab und zu werden im Dschungel auch mal neue entdeckt. Von den 7 Millionen Laoten sprechen nur 2 Millionen überhaupt die Staatssprache als Muttersprache. Der Rest hat bis vor kurzem einfach nicht verstanden, was die Beamten erzählten (kann auch ein Vorteil sein). Dank Schulsystem (ähem), Fernsehen (existiert seit 1983) und Internet (fängt langsam an) setzt sich Lao (die Sprache) inzwischen etwas mehr durch.

Weitere Petitessen wie eine undemokratische Regierung, grassierende Korruption, schreiende Armut und grauenvoller Raubbau an der Natur seien hier unter "ferner liefen" abgeheftet. Erwähnt werden soll nur noch der Umstand, dass weite Teile des Landes trotz permanent laufender UNO-Hilfsprogramme noch jahrzehntelang von Blindgängern aus (illegalen, denn Laos war neutral) Bombardements der US-Luftwaffe aus dem Vietnamkrieg so verseucht sein werden, dass überall davor gewarnt wird, die Straßen nicht zu verlassen: angeblich wurden pro Einwohner eine Tonne Bomben über Laos abgeworfen (weil Nachschubrouten von Nordvietnam nach Südvietnam über Laos liefen). Sehr praktisch für die Landwirtschaft.

Der große Nachbar Thailand

Von allen Nachbarn besteht die größte sprachliche und kulturelle Nähe zu Thailand. Nordostthailand (der "Isaan") gehört historisch, sprachlich und geografisch eher zu Laos (was die Thais aber anders sehen). Thai und Lao werden mit fast identischem Alphabet geschrieben, und man versteht sich diesseits und jenseits der Grenze halbwegs.

Aus Sicht der Thais sind die Laoten eigentlich wie die Thais, nur dass sie bettelarm sind, unglaubliche Hinterwäldler, Kommunisten, eine bekloppte Aussprache und keine Kultur haben, keinen ordentlichen Staat mit König und machtvoller Geschichte vorweisen können, und dass ihre Küche im Vergleich zur raffinierten Thai Cuisine unendlich primitiv ist. Leider ist das alles nicht komplett falsch.

Auch wir sind seinerzeit von Thailand aus gekommen. Über weite Strecken bildet der ausgesprochen malerische Mekong die Grenze zwischen beiden Staaten, und von unserer Pension in Nong Khai hatten wir einen schönen Blick über den Fluss nach Laos, auf dem zweiten Bild im Hintergrund die (erste) thailändisch-laotische Freundschaftsbrücke (alle Grenzbrücken heißen in Südostasien "Freundschaftsbrücke", das sagt über wirkliche Freundschaft so viel aus wie ein "Freund" in sozialen Netzwerken):

Gutes Wetter im Dezember, oder?

Vientiane: Wenn Frankreich in Asien läge und kommunistisch wäre

Auf der anderen Seite des Flusses liegt fast direkt die laotische Hauptstadt Vientiane. Eigentlich müsste sie Vieng Chang heißen, aber da Laos mal französische Kolonie war, hat sich bei der Hauptstadt bis heute die französische Umschrift gehalten, auch in offiziellen laotischen Dokumenten.

Am Glenzübergang werden die Thais von ihrer eigenen Legierung erstmal in schlechtem Englisch (warum eigentlich, sie sollten doch Thai können...) gewalnt. Die Thais lieben nämlich das Glücksspiel, es ist aber (außer Lotterien) offiziell verboten, sodass sie gerne über die Grenzen ziehen, um in zwielichtigen Casinos zu zocken.

Latzfatz, äh, ratzfatz ist man dann mit Bus, Taxi oder Tuktuk in Vientiane Zentrum, und da sieht es eigentlich erstmal ziemlich ähnlich aus wie in einer kleinen verschlafenen, netten thailändischen Provinzstadt:




Insbesondere fällt einem nicht zwingend ein Wohlstandsunterschied zu Thailand auf, obwohl Laos unendlich viel ärmer ist. Offenbar konzentriert sich das Geld in der Hauptstadt, oder die tropische Sonne lässt alles in mildem Licht erscheinen. Ok, gelegentlich sieht man Autos, die man in Thailand nicht sehen würde:


Wenn man genauer hinsieht, entdeckt man aber zwei wesentliche Unterschiede. Laos ist kommunistisch und lässt das im wahrsten Sinne des Wortes raushängen.

Und es war lange Zeit Hauptstadt des "französischen Laos" (der offizielle Name änderte sich ständig) und stellt daher eine überaus charmante Mischung einer asiatischen und einer südfranzösischen Provinzstadt dar. Auch die zweisprachigen Beschriftungen waren 2012 und in Vientiane noch durchweg Lao-Französisch (inzwischen geht die Tendenz zu Lao-Englisch, weil Englisch Arbeitssprache der ASEAN ist. Chinesisch liest man nirgends, trotz des übermächtigen Nachbarn):

Ab und zu lässt sich Frankreich (naja Vietnam/Frankreich) und Kommunismus auch auf einem Bild zusammenfassen:

Man beachte hier das Schild des Schneiders über dem Sonnenschirm.

Allgegenwärtig ist auch noch die Kolonialarchitektur:

Den Triumphbogen haben aber nicht die Franzosen gebaut, sondern die königlich laotische Regierung (zwischen 1954, der Unabhängigkeit, und 1975, der kommunistischen Machtübernahme) als Zeichen des Sieges über die Franzosen:

Was ich ebenfalls dem französischen Einfluss zuschreibe, ist, dass - man erkennt es auf den Bildern, wenn man hinschaut und vielleicht schon mal in Thailand war und vergleichen kann -, dass es Straßen und vor allem Bürgersteige gibt, die an Europa erinnern. Die Straßen haben gerne mal Straßenbäume und Straßenlaternen (jedenfalls die Prachtstraßen) und man kann auf den Bürgersteigen gehen. Und wenn man Glück hat, sogar mit einem Kinderwagen oder Rollstuhl langfahren).

Das ist in Thailand nicht der Fall, wo das Konzept des "Bürgersteigs" sich bis heute nicht durchgesetzt hat. Trottoirs existieren entweder nicht, oder sie sind 20 cm breit und werden alle 10 Meter von einem komplett auf diese 20 cm Breite draufgesetzten Laternenmast unterbrochen. Wer kein Geld hat, um sich ein Auto oder wenigstens eine Vespa zu leisten, verdient es auch nicht, sich fortzubewegen. Die Laoten denken da sozial(istisch)er.

In den nächsten beiden Folgen verliere ich ein paar Worte zur laotischen Geschichte, zur Kultur, zur Kulinarik (Bier, Kaffee, Reis) und zu Krimis. Und bringe noch drei, vier Bilder aus Vientiane und dann die aus Luang Prabang.

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