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vor 6 Jahren - 18.01.2018
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Parfümerie-Knigge für Käufer

Einige Parfumos, so nehme ich an, halten sich kaum jemals in Parfümerien auf, sie kaufen ihre Düfte bei Online-Parfümerien, hier im Souk, oder vielleicht auf Flohmärkten. Für die anderen aber, für diejenigen die der Testmöglichkeiten oder der fachkundigen Beratung wegen (oder einfach wegen des schönen Shopping-Erlebnisses), Parfümerien frquentieren, stellt sich wie für mich vielleicht gelegentlich die Frage nach dem richtigen Verhalten in solchen Etablissements, vor allem natürlich gegenüber Verkäufer, sei es der Inhaber oder ein Angestellter.

Wenn es uns völlig gleichgültig ist, wie das Parfümeriepersonal über uns denkt und redet, wenn wir den Laden verlassen haben, brauchen wir unser Verhalten natürlich auch nicht zu kontrollieren. Ich gehe aber davon aus, dass die allermeisten von uns doch den Wunsch haben, den Mitmenschen gegenüber nicht unangenehm aufzufallen. Sei es, aus einer allgemein praktisch-ethischen Haltung heraus, sei es aus egoistischen Erwägungen. Wir wollen schließlich vielleicht auch bei unserem nächsten Besuch noch gut beraten und behandelt werden.

Wenn wir in höchsten Maße feinfühlig und aufmerksam sind und genau das Verhalten unseres Gegenübers lesen können und uns frei fließend daran anpassen, wenn wir ein sozusagen vollautomatisierte „gutes (oder angemessenes) Verhalten“ direkt aus der Mitte unseres Herzens an den Tag legen, dann brauchen wir keine speziellen, detaillierten Benimmregeln. Dann werden wir alles intuitiv genau richtig machen. Aber das ist leider bei uns allen wohl eher selten der Fall.

Daher lohnt sich vielleicht der Gedanke, was eigentlich Grundregeln des guten Benehmens beim Aufenthalt in einer Parfümerie sind – diese gelten gewiss nur für den „Normalfall“, jede Situation ist natürlich anders und kann auch mal ein anderes Verhalten nahe legen als das hier empfohlene.

Die Interessenlage des Verkäufers respektieren

So wie wir in jeder Lebenslage unsere Mitmenschen und deren (legitime) Bedürfnisse respektieren sollten, sollte dies auch gegenüber dem Verkäufer gelten. Der Verkäufer ist kein reiner Künstler oder Aussteller. Er hat, auch wenn er leidenschaftlich duftbegeistert ist, ein kommerzielles Interesse. Er betreibt diese Parfümerie, weil er damit mehr Geld erlösen will, als er in den Einkauf der Parfüms, die Anschaffung der Möbel, die Gehälter der Angestellten, die Miete für die Räume und für Wasser, Heizung, Strom und Reinigung ausgeben muss.

Wenn es sich zum Beispiel um den Betreiber einer kleinen Nischenparfümerie mit ausgefallenem Sortiment handelt, der vielleicht einen grenzwertig hohen Bankkredit für die Start-Investitionen aufnehmen musste, kann jede finanzielle Einbuße, jeder entgangene Gewinn der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt und die wirtschaftliche Existenz des Unternehmers (und seiner Familie) vernichtet. Wenn es sich bei unserem Gegenüber um einen angestellten Verkäufer handelt, können wir zwar hoffen, dass er nicht (wie in „Kleiner Mann, was nun“) eine bestimmte Verkaufsquote pro Tag zu erfüllen hat und ansonsten entlassen wird. Wir können aber durchaus vermuten, dass er (verständlicherweise) lieber auch mal etwas verkauft (oder alternativ sich mal ein bisschen ausruht), als endlos lange fruchtlose Gespräche mit Kunden zu führen.

Aus unserer Perspektive als Kunden und Duftbegeisterte neigen wir vielleicht immer zu der Annahme, dass es dem Verkäufer wahnsinnig Spaß macht, mit uns stundenlang nur der Duftleidenschaft wegen (oder weil wir so wahnsinnig sympathische Typen sind) über Parfüms zu fachsimpeln (sogar wenn ihn vielleicht gerade die Blase drückt oder gleich nebenan viele andere Kunden stehen, die beraten werden wollen). Das kann durchaus auch einmal wirklich der Fall sein. Wir sollten aber immer auch mit der Möglichkeit rechnen, dass es sich lediglich um ein wohlerzogenes respektive professionelles Verkäuferverhalten handelt und wir ihm eigentlich gerade ziemlich auf den Keks gehen. Insbesondere, wenn wir erkennbar gar nichts kaufen wollen.

Wenn wir dies im Hinterkopf behalten, können wir, so meine ich, eigentlich schon nicht mehr sehr viel falsch machen.

Keinen Schaden anrichten

Wo das Strafgesetzbuch spricht, schweigt der Knigge. Von daher bedarf es natürlich keiner Erwähnung, dass wir keine Parfüms klauen sollten. Genauso wenig aber ist es erlaubt, zum Verkauf bereitstehende Packungen eigenmächtig aufzureißen und als Tester zu gebrauchen. Das ist Sachbeschädigung. Nicht strafbar, aber sehr unaufmerksam ist es, beim Testen den Sprühstrahl so zu halten, dass die Möbel der Parfümerie (oder die Kleidung des Verkäufers oder anderer Kunden) mehr als zwingend nötig „abkriegen“. Kein Verkäufer schätzt es, wenn sein Hemd oder sein Regal schon morgens um 11 riecht, als wäre das Zentrallager von Boss explodiert. Wenn uns irgendwelche Malheurs passieren (z.B. ein Flakon fällt herunter und geht entzwei), sollten wir es dem Verkäufer von uns aus mitteilen.

Die Abläufe nicht stören

Aus den einleitend genannten Gründen halte ich es für angemessen, die Zeit des Verkäufers nicht unangemessen lange in Anspruch zu nehmen. Eine Stunde halte ich für die absolute (!) Obergrenze des Akzeptablen, es sei denn, es liegt ein Sonderfall vor (ausdrückliche Duft-Typberatung oder dergleichen).

Größte Vorsicht ist meines Erachtens auch bei Gruppenbesuchen geboten, Dufthappenings mit duftbegeisterten Freunden, bei denen vielleicht fünf ausgelassene Parfumos und Parfumas flashmobartig sich gemeinsam quer durch die Duftregale arbeiten, sich gegenseitig besprühen und dabei am Ende noch die ganze Zeit laut miteinander quasseln. Das kann lustig sein, und das kann auch den Verkäufer amüsieren (insbesondere, wenn am Ende ein satter Einkauf steht). Versetzen wir uns aber in die Rolle des Verkäufers, können wir uns vorstellen, dass so ein Verhalten eher stressauslösend wirkt. So eine „bunte Truppe außer Rand und Band“ kann zum Beispiel zahlungskräftige stille Einzelbesucher abschrecken, und viele auf einen Haufen erhöhen immer das Risiko von Ladendiebstählen. Selbst wenn wir genau wissen, dass wir keine Diebe sind, der Verkäufer weiß das nicht (wenn er uns nicht schon von früheren Gelegenheiten kennt) und wird vermutlich ständig nervös in unsere Richtung spähen. Auch wenn solche Aktionen ihren Reiz haben mögen, meine ich doch, sie sollten sparsam und zurückhaltend dosiert werden.

Mindesteinkauf

Zwar rechne ich hier mit energischem Widerspruch, aber ich halte unbedingt dafür, dass es sich vom Grundsatz her gehört, in einer Parfümerie auch etwas zu kaufen. Wenn ich mich in einem Geschäft nur 5 Minuten aufhalte und zwei oder drei Düfte auf Streifen oder Unterarm teste, ohne Beratung in Anspruch zu nehmen, gilt das nicht. Aber wenn ich zwanzig Düfte ausprobiere und/oder eine einstündige Beratung in Anspruch nehme, dann halte ich normalerweise einen Einkauf (und zwar nicht die kleine Duftkerze für 3 Euro) für angebracht. Schließlich ist der Ort, an dem ich mich befinde, eine Verkaufseinrichtung und kein interaktives Parfüm-Museum (und ich habe auch keinen Eintritt bezahlt). Wenn ich – aus welchen Gründen auch immer – am Ende doch nichts kaufen will, hielte ich es für überlegenswert, dies am Ende des Gesprächs mit dem Berater offensiv anzusprechen („Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich mich heute nicht entscheiden kann, aber das waren jetzt zu viele Eindrücke und ich möchte auch zunächst noch die Meinung meiner Frau einholen“). Ein zweiter Besuch ohne Einkäufe ist bereits im dunkelorangenen Bereich. Ein und derselben Parfümerie drei aufeinanderfolgende Intensivbesuche (viel Testen oder viel Beratung in Anspruch nehmen) abzustatten, ohne Geld dazulassen, halte ich persönlich für geschmacklos und unentschuldbar.

Ebenso halte ich es für extrem stillos, die Beratungsdienste oder die Probiermöglichkeiten in der Parfümerie in Anspruch zu nehmen, sich auf diese Weise auf einen speziellen Duft zu fokussieren und diesen dann noch am selben Tag begeistert für 20 Prozent weniger Schotter im Internet zu bestellen.

Kostenlose Proben

In praktisch allen Parfümerien ist es üblich, dem Kunden, der einen nicht nur völlig geringfügigen Einkauf tätigt, kostenlose Proben mitzugeben. Nach meiner persönlichen Erfahrung liegen zwei bis drei Proben im Normbereich. Ich hab auch schon mal fünf oder sechs bekommen. Ein Rechtsanspruch besteht darauf natürlich nicht, es ist nur so üblich.

Woran erinnert uns das? Genau, ans Trinkgeld. Der Kellner hat keinen Anspruch auf Trinkgeld, aber 5 bis 10 Prozent sind in Deutschland üblich. Witziger Weise hat sich in der Parfümeriebranche der sozial akzeptierte Brauch eines (Natural-) Trinkgelds in umgekehrter Richtung als beim Frisör oder im Cafe ergeben, also vom Verkäufer an den Kunden.

Was würden Sie denken, wenn Sie eine Pizza verspeisen und sich (aus welchem Grund auch immer) entscheiden, kein Trinkgeld zu geben und der Kellner sagt zu Ihnen: „Wie, kein Trinkgeld? Ich hätte aber gerne welches!“ Damit dürfte klar sein, was ich davon halte, die Beigabe von Proben einzufordern. Gar nichts. Wenn der Verkäufer uns nichts dazu gibt, haben wie mehrere Möglichkeiten. Wir können uns freuen, dass unsere Pröbchenschublade nicht noch mehr überquillt. Wir können beschließen, in diese Parfümerie nie mehr zu gehen. Wir können uns selbstkritisch fragen, ob wir den Verkäufer beleidigt haben. Protest ist dagegen keine Option.

Wie sehr ihr das? Übertreibe ich mit meinen Anforderungen an uns Kunden? Oder habe ich noch wichtige Benimmregeln vergessen? Wie sieht es umgekehrt aus: Was nervt euch an Verkäufern? - Ein Parfümerieknigge für Verkäufer ist in diesem Blog in Planung.

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