Harielle

Harielle

Rezensionen
Filtern & sortieren
11 - 15 von 28
Harielle vor 6 Jahren 33 6
10
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Jenseits von Stepford
Kurz nach den Weihnachtsfeiertagen stand ich vor vielen Jahren in einem Duty Free- Shop am Frankfurter Flughafen. Die Reise sollte über Silvester nach London gehen, mein damaliger Partner hatte uns vor lauter Flugangst eine äußerst unruhige Nacht beschert. Voller eigentlich freudiger Anspannung ob der anstehenden Tage in GBs Hauptstadt aber auch todmüde und somit in einem Ungleichgewicht zwischen Adrenalin und aufgedrehter Müdigkeit, entfloh ich dem zitternden Etwas neben mir kurzeitig und spazierte in den Shop. Meine damaliger Lieblingsduft und der einzige, den ich trug war Chanel No5. Überfordert ob der vielen angebotenen Marken und Duftwässerchen steuerte ich das Chanel-Regal an, schließlich hatte ich schon immer mal gucken wollen, was es außer der magischen Fünf noch von Mademoiselle Chanels Hausmarke gäbe. Schwarz, eckig mit weiß-goldenem Logo strahlte mich Coco aus dem Regal an und ich erinnerte mich – ja, da gab es doch diesen Spot mit Vanessa Paradis im Vogelkäfig! Also rauf auf die Hand damit und uih, ein absolut anderes Kapitel als "le cinq".

Ich bildete mir ein, einen Flakon von Coco im Film "The Stepford Wives " auf der Waschbeckenablage der Hauptfigur Joanna Eberhart, gespielt von "meiner" angebeteten Katharine Ross gesehen zu haben. Schon allein daher war Gegenwehr zwecklos, Coco musste mit. Erst später habe ich meinen Irrtum bemerkt, die Verfilmung von Brian Forbes stammt aus dem Jahr 1975, Coco kam jedoch erst 1984 auf den Markt. Also definitiv jenseits von Stepford ist Coco ein Kind aus Orwells Jahr und bietet ein florientalisches Bouquet, das im Gegensatz zu Orwells 1984 keine Alpträume und Beklemmungen auslöst.


Blumig fruchtig ist der Auftakt vor einem bereits zu erahnenden balsamisch- harzigen, ja, orientalischen, Hintergrund. Die Leichtigkeit der Orangenblüte, Pfirsich und tropischer Frangpani wird von den hinzugefügten Aldehyden bestimmt, die im bekannten Schwesterduft No 5 so eine entscheidende Rolle spielen. Sie erinnern mich an schwarze oder cremefarbene Spitze, päsent, doch transparent. Jasmin und Rose gesellen sich leise und anmutig dazu und verbleiben wispernd im Hintergrund. Gewürze – darunter Gewürznelke - und wagemutige Harze treten leicht ledrig hervor und verbinden sich pudrig mit Tonkabohne und dem in der Basis schnurrenden Patchouli und Sandelholz. Schwarz, samtig und anschmiegsam wie eine ebensolche Katze schleicht Coco immer wieder sanft um ihre Trägerin. Auch Katzen sind nicht immer zu "verstehen", sind sehr eigenwillig, sehr erhaben und bekanntermaßen Einzelgänger. Coco besitzt die gleichen Eigenschaften, sie "erzählt" ihre Geschichte nicht auf Anhieb, sondern gibt ihr Geheimnis nur zögernd stückchenweise Preis.

Coco riecht man im Alltag nicht oft, es ist kein "Crowdpleaser" den sich hippe junge Frauen gegenseitig in Parfümerien aufsprühen und vor Freude aufjauchzen. Diesen Duft habe ich wenn überhaupt, dann stets an sehr speziellen Frauen gerochen, quer durch alle Altersklassen. Coco-Trägerinnen scheinen im Stillen einen Vertrag mit ihrem Duft eingegangen zu sein, der darauf beruht, nicht zu viel Worte um das Offensichtliche zu machen, nämlich dass ein pudrig, blumiger Orientale von erlesener Qualität weit über Modetrends steht.

Chanel Coco wird häufig als "Antwort" des Hauses Chanel auf den grandiosen Erfolg von Yves Saint Laurents Skandalduft Opium, der eine Duft-Welle von intensiven orientalischen Düften auslöste, gewertet. Ihn nur als "Modeduft" und Nachzügler zu bezeichnen, was unter anderem dem weitaus unbekannteren Cinabar von Estee Lauder beschieden war, wird Coco jedoch keinesfalls gerecht. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass, wenn Opium Assoziationen zu Marrakesch weckt, Coco eindeutig nach Venedig führt-. Ein Vergleich, dem ich nur zustimmen kann. Wobei es für mich nicht und das hoffnungslos überlaufene Venedig, das die meisten von uns kennen ist, sondern das der geheimnisvollen Masken und schweren Samtumhänge sowie der nächtlichen Bälle in prunkvollen Palazzi ist.

Coco war der erste Duft, der nach dem Tod von Coco Chanel unter der Leitung des damals noch jungen Karl Lagerfeld lanciert wurde und gilt heute als Klassiker. Auf der Chanel-homepage steht, Coco spiegele Gabrielle Chanels Vorliebe "für das Barocke" wieder und vereine Gegensätze wie Mademoiselle Chanel persönlich sie an den Tag legte. So prägte Chanel einerseits einen sehr puristischen Modestil, ließ ihre Neigung für barocke Ästhetik in die Gestaltung ihrer Schmuckstücke und Accessoires sowie die Einrichtung ihres Appartements einfließen.

In den frühen 2000er Jahren, ließ ich die No 5 hinter mir und wurde zur endgültigen Coco-Konvertitin - und bin es bis heute.




6 Antworten
Harielle vor 6 Jahren 26 13
8
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Lilie mädchenhaft
Es gibt Parfums, die kennt man einfach, ohne sich je mit ihnen beschäftigt zu haben. Einer davon ist für mich Anais Anais von Cacharel. Meine Mutter erhielt ihn in meiner frühen Jugend als Gastgeschenk von einer amerikanisch-philippinischen Austauschschülerin, natürlich musste auch ich meine neugierige Nase bald an den milchglas-weißen Flakon halten. Hell und licht wie der Flakon war auch mein Dufteindruck: weiße Blüten, frühlingshaft auf grüner Basis. Zu besonderen Gelegenheiten durfte auch ich einen Hauch Anais Anais tragen. Mit dem zarten, aber langanhaltenden Duft weißer Lillie, Hyazinthe und Maiglöckchen fühlte ich mich auf Anhieb unwiderstehlich. Anais Anais war für mich einfach „der schönste Duft der Welt“.

Versunken in meine Mädchenträume sollte es noch ein paar Jahre dauern bis ich Anais Anais mein eigen nennen konnte. Mit 17 Jahren, nach vier Wochen in einem internationalen Jugendlager in Trois-Rivières (nahe Quebec in Canada), kaufte ich mir Anais Anais im Duty Free-Shop des Montrealer Flughafen auf der Rückreise. Eigentlich litt ich dato schwerst an gebrochenem Herzen, da ich mich "unsterblich" in einen Italiener mit äußerst römischem Profil verliebt hatte. Anais Anais linderte den Schmerz erfolgreich. Ich erinnere mich noch, dass mir der Duft sofort am Flughafen ein Kompliment einbrachte. Pierre Brice.....naja, nicht ganz, also ein älterer Herr (wahrscheinlich war er gerade mal 30 *lach*) sprach mich auf Französisch an und sagte, wie wunderbar dieser Duft zu mir passe.


Der Auftakt von Anais Anais wird vorrangig von weißen Blüten bestimmt. Weiße Lilie, Hyazinthe und Maiglöckchen tanzen einen pudrig luftigen Reigen. Weich und zärtlich gesellen sich Nelke, Orangenblüte und Rose begleitet von einem Hauch Tuberose dazu. Grüne Akzente aus Eichenmoos und Geißblatt verleihen zarte, herbe Frische – ein gutes Gegengewicht zu den blumigen Elementen, die sonst ins Schwülstige abgleiten könnten.
Haltbarkeit und Tiefe verleihen helles Sandelholz,Ylang Ylang und Amber – oder Patchouli? - in der Basis, die meine Nase jedoch nur sehr zurückhaltend als holzig-warm wahrnimmt. Insgesamt bleibt Anais Anais durchweg frühlingshaft, ein klassischer Chypre-Duft, dessen grüne, herbe Noten stets mitschwingen.

Auf meiner Haut hält der Duft locker 8 Stunden, wobei die blumigen Akzente stets präsent bleiben. Zu Beginn wirbeln die Blüten frisch und recht lebhaft durcheinander, die Lilie ist für meine Nase besonders präsent. Nach und nach ebbt der Reigen ab und verbindet sich zu einem hellen Bouquet, das von Nelke und Hyazinthe sanft untermalt wird.

Eines ist Anais Anais nicht: elegant. Doch es ist im Vergleich zu einem eleganten Lilienduft wie z.B. Cartiers Baiser Volé in so hohem Maße liebreizend, dass es sämtliche Kritiker weglächelt.
13 Antworten
Harielle vor 6 Jahren 35 8
4
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
6
Duft
Eine Frage der Definition
Der Snobismus macht auch vor Parfumfreunden nicht halt und so werden Parfums, die in der Drogerie für kleines Geld zu kaufen sind unter Parfumistas häufig naserümpfend ignoriert. Aber braucht es wirklich exotische, außergewöhnliche Rohstoffe um ein gutes Parfum herzustellen? Das ist – wie so vieles – eine Frage der Definition und des persönlichen Geschmacks. Der französische Komödiendichter Jean Baptiste Moliere (eigentlich Jean-Baptiste Poquelin), der sich seiner Komödie „Der Geizige“ Habsucht und Geiz widmete, soll gesagt haben:

"Als ob es eine Kunst wäre, mit viel Geld ein anständiges Mahl herzurichten! Kinderleicht ist das, der größte Esel bringt das zuwege. Wer sein Handwerk versteht, der braucht wenig Geld und kocht trotzdem gut."

Wer im Falle von „Definition“ mit welchem Budget in der Tasche am Herd stand, ist mir nicht bekannt. Das Ergebnis ist jedoch ein angenehm pudriger Alltagsduft, der in Haltbarkeit und Ausstrahlung mit manchen hochpreisigeren Produkten locker mithalten kann.

Halten wir uns nicht lange mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit von Celebrity-Düften auf. Ich vermute, dass die Produktion dieser Düfte mit den NamensgeberInnen Nüsse zu tun hat und die jeweiligen Celebrities nicht ansatzweise bei der Komposition der Düfte eingebunden sind.

Die ersten Sekunden von „Definition“ sind von leichten zitischen Noten bestimmt, Apfel und Mandarine gesellen sich die im Laufe weniger Minuten dazu und runden den Auftakt ab.
Dass hier nicht der Eindruck eines Obstkorbes aufkommt, ist der nach und nach hervortretenden Vanillenote kombiniert mit Blüten (laut Angabe des Herstellers Orchidee) geschuldet, die dem Duft eine pudrige Cremigkeit verleiht. Man muss schon einen gewissen Faible für süßliche Düfte haben, um das zu mögen. Die holzig-liebliche Basis von „Definition“ beginnt ab rund 30-40 Minuten nach und nach durchzublinzeln. Meine Nase kann Moschus und Heliotrop erschnuppern. Wie ein köstliches Desert umschwingt „Definition“ die Trägerin mit einer pudrigen Wolke. Dieses Desert glänzt nicht unbedingt durch besondere Raffinesse, doch es hat gerade an grauen öden Regentagen wie wir sie in diesem Januar schon öfter hatten, etwas Tröstliches – etwa wie ein von einem lieben Menschen gekochter Vanillepudding, den man kennt und im richtigen Augenblick verklärt genießt. Zudem ist „Definition“ nicht raumgreifend und kann somit gut zu Arbeit, einem gemeinsamen Restaurantbesuch oder bei einem Kinobesuch getragen werden.

Die Haltbarkeit von „Definition“ empfinde ich als durchschnittlich. Nach 4, 5 Stunden nehme ich ihn noch immer wahr wenn ich ihn morgens auf die Handgelenke und den Nacken aufgetragen habe. Der (sehr, sehr rosane) Flakon liegt gut in der Hand und der Sprühkopf macht die Dosierung durch einen angenehmen feinen Nebel komfortabel.

„Definition“ von Christina Aguilera habe ich privat über Umwege erhalten. Bisher hat mich kaum ein Drogerieduft überzeugen können, "Definition" sticht für mich durch Haltbarkeit und Sanftheit positiv heraus.

8 Antworten
Harielle vor 7 Jahren 8
Poison Ivy im verwunschenen Garten
Mir gefallen Düfte auf längere Sicht besser, die nicht sofort und endgültig ihre ganze "Geschichte" preis geben. Florabotanica von Balenciaga ist ein solcher Duft.

Florabotanicas Auftakt ist kühl, frisch und scharf-beißend zugleich. Giftig grün à la Poison Ivy aus Batman und Robin (1997), entweicht dem wunderschönen Art Deco Flakon zunächst eine herbe, krautig-kräftige Wolke aus Zitrusnoten und Minze. Doch Poison Ivy zieht sich nach dem Öffnen der Tür des Gewächshauses zurück, da sie scheinbar den taufrischen Rosenduft, der aus dem angrenzenden Garten herüber weht meiden möchte. Nun hat Florabotanica alle Chancen, ihr ganzes Bouquet zu entfalten.

Zur taufrischen Rose und Minze gesellt sich die Nelke vom Nachbarbeet, Monsieur Vetiver die Damenrunde und
sorgt dafür, dass dies kein wuchtig-süßes Horsd'œuvre wird. Aber es wäre nicht Poison Ivy, wenn sie so schnell das Feld räumen würde: In grüne Schlingpflanzen gewandet schleicht sich die giftige Verführerin heimlich an Florabotanica heran und sucht diese mit einer Prise Pfeffer zu verunglimpfen. Der Versuch schlägt fehl, verleiht der Peffer doch der Rose und ihren Gesellen die richtige "Würze" und ist nur äußerst zart wahrnehmbar.

Florabotanica spaziert weiter durch den Garten und lässt sich auf einer Blumenwiese nieder, die – hoppla – noch ein wenig feucht vom Tau ist. Vorsorglich, damit sie nicht zu sehr durchnässt (aquatisch!) wird und ihre blumigen-grünen Noten keine faulig-animalischen Akzente bekommen, hat sich Florabotanica einen leichten Schal aus weißem Moschus mitgenommen auf den sie sich bettet. Poison Ivy hat inzwischen von der herb frischen Florabotanica abgelassen, bevor sie sich in das tropisch-schwüle Treibhaus am anderen Ende des Parks zurück zieht, überhäuft sie Florabotanicas Umverpackung schnell mit zahlreichen Kletterpflanzen und Blüten - was am Ende jedoch entgegen Ivys Intention sehr hübsch aussieht.

Warum nur 8 von 10? Leider hält sich Florabotanica auf meiner Haut nur rund vier Stunden, ab dann bemerke ich nur noch einen leichten Hauch von ihr. Natürlich sprühe ich gerade bei warmen Temperaturen gerne nach, weil besonders der Auftakt so erfrischend ist, ein wenig haltbarer könnte der Duft dennoch sein, gerade, weil ich ihn so mag.
0 Antworten
Harielle vor 7 Jahren 22 6
Adam og Eva
Julius Paulsen, dänischer Maler, verzichtete in seinem Bild Adam og Eva (1887) gänzlich auf Schlange und Apfel und präsentiert uns Adam liegend, der zu Eva, die soeben die Waldlichtung betritt, aufblickt. Eva ist kurvig weiblich dargestellt, doch Lichteinfall und die Farbnuancen präsentieren sie natürlich und unschuldig, weder plump noch vulgär. Ihre spätere “Schwäche”, die den Sündenfall herbeiführen wird, ist allenfalls ins Adams begehrlich-schmachtendem Blick zu erahnen. Auch Eva blickt Adam direkt ins Gesicht, interessiert, intelligent und selbstbewusst aber auch zurückhaltend. Balenciaga Paris erinnert mich an diese Eva.

Wie riecht Balenciaga Paris?

Grün (chypre!) und hell ist der Auftakt, würzige Noten geben sich mit Vetiver und Bergamotte ein Stelldichein. Die Lichtung auf der sich unsere beiden Hauptakteure begegnen steht in saftigem Grün. Veilchen gesellt sich zart und pudrig gleich Evas Haut dazu und verleiht diesem Duft einen Hauch Sinnlichkeit, der zum Näherkommen bzw. –schnuppern einlädt. Nelke kann ich nicht identifizieren, aber möglicherweise bestimmt sie die leichte Pudrigkeit dieses schönen Duftes mit. Eichenmoos und holzige Noten streicheln sachte im Hintergrund und bilden die Basis von Balenciaga Paris.

Keine Sorge, dieser Duft passt nicht nur einer nackten Eva in freier Natur. Er ist auch in urbanem Umfeld gerne zu Hause. Balenciaga Pais zeugt für mich von eleganter und selbstbewusster Weiblichkeit, die keines (oder noch keines?) Hypnotic Poisons oder anderer Kracher bedarf. Balenciaga Paris ist ein kleiner Charmeur, der keiner lauten Töne bedarf um sich in Szene zu setzen. Vielmehr lockt er Interessierte, erkundet zu werden, denn sein Geheimnis gibt dieser Duft nicht auf Anhieb preis. Mal sind es eher blumig – pudrige Noten, die seine Trägerin umwehen, bei der nächsten Bewegung blitzen schelmisch grüne Noten hervor.

Haltbarkeit und Sillage

Die Sillage dieses Duftes würde ich im Mittelfeld einordnen, die Haltbarkeit beträgt bei mir ordentliche 8 Stunden, auf Kleidung haftet er nochmal laenger, besonders gerne sprühe ich ihn in meine frisch gewaschenen Haare, wo er sich ausgezeichnet hält. Für meine Nase ist er das ganze Jahr tragbar, was uns künftig - ob mit oder ohne Adam - zu häufigen Verbündeten machen wird.
6 Antworten
11 - 15 von 28