Hexana

Heute hatte ich mal Lust meiner alten Leidenschaft für die "Orientalen" zu frönen und habe mir mein altes 15 ml-Schätzchen Ispahan auf den Handrücken gekippt, um den endlich fälligen Kommentar zu schreiben, der schon seit einiger Zeit in mir schwelt.

Ich finde, dieser Duft hat posthum noch ein dickes Lob verdient, da er in mir auch nach 20 Jahren ungekippt die gleichen positiven Emotionen wachruft wie damals. Ich nehme Düfte nämlich nie so intellektuell wahr, wie es vielen Parfumos gelingt. Die meisten einzelnen Duftbausteine kann ich nicht konkret erkennen und beschreiben. Für mich ist der erste Gesamteindruck des Duftes, die Gesamtkomposition wichtig - das limbische System entscheidet ohne intellektuelle Analyse ob mir der Duft gefällt oder nicht. Ispahan hat mir in den 90er Jahren sofort gefallen, war jedoch damals der Ersatz für das vielgeliebte "Opium", was ich mir nicht leisten konnte. Wie glücklich war ich damals, als ich endlich durch Zufall das "Opium für Arme" gefunden hatte, das man täglich tragen konnte und das so herrlich nach den Gewürzen des Orientes roch. Für mich ist der Duft weder schwer noch dunkel. Er ist weich, warm, unsüß, sinnlich, würzig und kein Gewürz ist vordergründig aufdringlich, so dass ich nicht sagen kann, wonach "Ispahan" denn eigentlich riecht. Wieder mal ist die Gesamtkomposition gelungen - die Mischung macht's und diese gibt mir eine Aura, in der ich mich selbst wohlfühle. Und das ist das entscheidende Kriterium für die Qualität eines Duftes - jedenfalls für mich.

Der Name "Ispahan" - benannt nach der alten persischen Stadt Isfahan - ist treffend für ein orientalisch-duftendes Parfüm und assoziiert damit schon den Zauber von Tausendundeiner Nacht, den das Parfüm auf mich immer noch ausübt. Auch der nachtblaue schlichte Flakon mit den arabisch anmutenden Lettern passt zum Inhalt. "Ispahan" ist m.E. die gelungenste Duftkreation von YdR, die sich aber leider auch nicht ins neue Jahrtausend hinüberretten konnte.

Im Nachhinein muss ich sagen, dass meine damalige Bezeichnung "Opium für Arme" dem Duft nicht gerecht wird, da er keine Kopie von "Opium" ist(das Original konnte ich mir später dann auch leisten, so dass eine direkter Vergleich möglich war). Ispahan ist ein eigenständig gutes Duftwässerchen in der oberen orientalischen Liga. Ich habe bei den heutigen orientalischen Düften noch nichts Vergleichbares gefunden. Da auch "Opium" nicht mehr das Alte ist, gibt es z.Zt. nichts mehr in dieser Duftrichtung, was ich sehr, sehr bedauerlich finde für meine Nase ...

Das erste Mal roch ich diesen Duft in den frühen Achtzigern an einer Kollegin und war total fasziniert. Sie verriet mir den Namen des Duftes wohlwissend, dass ich ihr die geheimnisvolle Duftaura ohnehin nicht nachahmen würde, da eine hohe Mauer und fehlende Währung dies unmöglich machte. Doch nichts bleibt wie es ist - die Mauer fiel und eine Drogerie-Kette bot ihn im 30 ml-Flakon zu erschwinglichen Preisen an, so dass ich meine heimliche Liebe doch noch heimführen und sogar noch meine Mutter damit beglücken konnte.

Für uns beide war "Mystere" ein absolut gelungenes und rundes Geruchserlebnis, für das wir bis jetzt keinen adäquaten Ersatz gefunden haben. Denn leider wird es nicht mehr hergestellt und wir können uns mit unseren dürftigen Resten nur noch gelegentlich eine olfaktorische Zeitreise gönnen, wobei nur die Basisnote genossen werden kann, da die Kopfnote nicht mehr ursprünglich riecht.

Es fällt mir schwer diesen Duft zu beschreiben, da mir einfach die Gesamtkomposition gefällt. Ich rieche keine vordergründigen Gewürze, Kräuter und Blumen, es ist nichts Beschreibbares dominant. Der Duft hat einfach seinen Namen zu Recht - er ist ein Mysterium - nicht fassbar, nicht beschreibbar - einfach nur geheimnisvoll und immer noch faszinierend. Ich fühle mich einfach, als ob ich von Kopf bis Fuß mit einer überaus edlen Lotion eingecremt bin. Ich habe oft Komplimente bekommen, wenn ich ihn getragen habe. Offensichtlich sind auch andere Menschen für diesen Zauber empfänglich. Schade, dass es "Mystere" nicht mehr gibt. Die Welt ist um ein Geheimnis ärmer geworden.

Immer wenn ich meiner Umwelt olfaktorisch nicht auf die Nerven gehen will, benutze ich gerne "SMS", denn ich empfinde diesen Duft als sehr weich, pudrig und unaufdringlich, so als hätte man sich gerade frisch eingecremt. Weder die Kopfnote ist vordergründig, noch die Basis ist zu laut - ein sanfter Orientale, der es trotzdem in sich hat. Die Blumenduftnoten sind so komponiert, dass für mich keine vordergründig riecht, sondern zusammen einen wunderbaren Duftcocktail ergeben. Lediglich die Nelke und die Rose sind etwas mehr wahrnehmbar. Auch die Basis ist einfach gut gemixt, weder Vanille noch Zeder drängeln sich vor, sondern bilden einfach zusammen mit Sandelholz, Amber und Moschus eine angenehme Duftmischung. Ich kann den Duft im Sommer und im Winter tragen, eben weil kein Duftbaustein dominiert, der zu einer Jahreszeit gehört.

Ich bin dem Duft schon seit vielen Jahren treu, habe allerdings noch eine ältere Ausgabe im Gebrauch, die - auch das ist sehr positiv zu werten - noch keine Anzeichen von Duftveränderung durch "Kippen" zeigt. Möglicherweise sind die derzeit im Handel erhältlichen "Sun Moon Stars" reformuliert und entsprechen eher den negativen Kommentaren, die ich mit meiner Dufterfahrung von "SMS" nicht teilen kann.

Den Flakon finde ich sehr dekorativ, wobei mir der frühere mattierte Glasflakon noch besser gefallen hat.

Ich kann auch nicht verstehen, weshalb dieser wirklich gute Duft im Niedrigpreissektor verramscht wird. Andererseits - alle, die den Duft mögen, können sich auch mal ohne schlechtes Gewissen außer der Reihe einen schönen Duft gönnen.