Julienwob

Sand in meinen Augen.. Seit Tagen wandere ich verloren durch diese heiße Hölle, ausgelaugt, dehydriert und geblendet von der gleißenden Sonne. Ich sehe ein Dorf - oder ist es eine Fata Morgana? Egal! Ich nehme meine letzte Energie und laufe los. Mich begrüßt ein vereinsamter Ort, Windstöße fegen Sand durch die schmalen Gänge zwischen den längst verlassenen Gebäuden. Vor mir sehe ich ein kleines Häuschen mit flachem Dach und verzierten hölzernen Schwingtüren, knarzende Holzdielen und das Klappern der ausschwingenden Türen malen die Geräuschkulisse während ich voller Neugier die verstaubten Räumlichkeiten erforsche. Der Schatten tut mir gut und ich spüre wie meine Sinne meinen Körper wieder finden. Es muss mal eine Therme, oder eine Badeanstalt gewesen sein - doch von Wasser ist zu meinem Bedauern keine Spur mehr. Der Duft der völlig ausgetrockneten Holzbänke liegt in der Luft als würden diese sich ganz so wie Ich nach Wasser sehnen.
Ich nehme einen tiefen Atemzug und schließe meine Augen - "Das muss der Duft der Wüste sein!"

Bentley for Men Intense ist ja durchaus ein Duft, welchem man einen gewissen Hype zusprechen kann. Günstig, Kräftig, und Außergewöhnlich sind die Hauptattribute welche diverse Parfum-YouTuber dem Duft zusprechen. Bei einem Flakon im Bereich von 20-30€ lässt man sich dort gern schnell beeinflussen. Da habe auch ich einfach mal beherzt zugegriffen und mir einen Flakon bestellt.

Voller Vorfreude landete ich hier daheim bei Parfumo auf der zugehörigen Seite zum gerade erstandenen Duft. Verzweiflung machte sich breit, ich fand allerlei negative Kommentare: "Kopfschmerzen", "zu Stark", "penetrante Süße" - Was habe ich da nur bestellt? Ich spielte kurz mit dem Gedanken die Bestellung zu stornieren, entschied mich dann aber doch dagegen.

Zu meinem Glück! Der Bentley weiß zu überzeugen und hat es ganz schön in sich. Von einer zu starken Süße spüre ich überhaupt nichts, eine leichte Süße beim Aufsprühen wird schnell vom Holz ersetzt - dieses dominiert auch im weiteren Verlauf den Duft. Im Drydown würde ich das ganze als ein Holzfass beschreiben, ein Holzfass welches ursprünglich mal mit Rum gefüllt war. Dabei ist der Geruch keines Weges modrig oder muffig, viel eher riecht er Elegant und Stilvoll, selbst für mich mit Mitte 20 nicht zu altbacken oder schwer und absolut tragbar.

Eine Sache ist da jedoch: Das Powerhouse der Luxuskarossen-Schmiede ist durchaus mit Vorsicht zu genießen, dies ist kein Duft mit dem man einen Raum füllen möchte, eher sollte man sparsame 2-3 Sprüher anpeilen um im nahen Vorbeigehen aufzufallen. Ich habe mich bisher an zwei Sprüher am Hals und einen am Handgelenk getraut, meiner Meinung nach völlig ausreichend und auch man selbst nimmt ihn so hier und da nochmal wahr. Die Kopfschmerzen beim Übersprühen will ich mir ersparen, ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass dies beim Bentley sehr schnell passieren kann.

- Ist hier das Stichwort! Creed VIW kann man eigentlich nur hassen oder lieben, dazwischen geht nichts. Das ist zumindest die Erfahrung die Ich gemacht habe. Die Projektion ist überwältigend und der süße Kokos-Cocktail sticht ohne jede Ausnahme heraus, egal wie gefüllt der Raum ist, jeder wird wissen wenn DU ihn betreten hast. Wirklich jeder.
Ein weiteres Phänomen was ich bei VIW beobachten konnte ist, dass ich ihn ewig lange an mir selbst wahrnehme. Ich neige typischerweise dazu, Düfte an mir selbst schnell nicht mehr riechen zu können - das ist hier völlig anders und gepaart mit der ultra-spezifischen Duftnote auch schnell etwas unangenehm, besonders wenn man mal 'nen Spritzer zu viel aufgetragen hat. Diese Eigenschaft sorgt bei mir dafür, dass ich diesen Creed nur äußerst selten auftragen kann.

Fakt ist: Wer VIW trägt wird zweifellos auffallen, egal welche Düfte den Raum sonst umhüllen.

Was haben wir für Zeiten zusammen erlebt... ? 3 Jahre war ich glücklich an deiner Seite. Ich wollte nur dich und niemanden sonst, doch ich war so unerfahren, Du warst die erste liebliche Dufterfahrung in meinem Leben, so fernab von der komplizierten Parfumwelt - Creed war für mich nur ein Film und die Welt war so einfach. Süßliche, jugendliche Wolken benebelten jeden Raum den wir zusammen betraten, Junge Männer wurden neidisch wenn ich deinen Namen nicht verriet und junge Frauen konnten nicht genug von dir bekommen. Die Welt war so anders in den Teenager-Jahren, doch ich wurde erwachsener, mit der Reife wuchs der Geruchssinn und so groß die Liebe auch war, sehnte ich mich nach etwas neuem - etwas weniger eindimensionalem. Wie die Zeit vermisse ich auch den Duft den das wilde junge Leben mit sich trug - es roch nach Prada Luna Rossa Sport.

Ich nehme an nicht der einzige zu sein, bei dem BdC einer der ersten - wenn nicht sogar der erste Flakon in der Sammlung war. Es ist ganz egal ob EdT, EdP oder direkt das Parfum - Bleu de Chanel ist in erster Linie eines: Massentauglich. Wieso ich gerade mit einem massentauglichen Duft die Parfumwelt für mich entdecken sollte? BdC schafft es die unerfahrene Nase in ein völlig neues Duftspektrum zu locken, ohne dabei zu überfordern. Es ist ein Duft den Ich ohne jede Erfahrung in der Duftwelt aus etlichen wiedererkennen würde. Genau das macht Ihn besonders: Bleu de Chanel ist aalglatt und doch voll und ganz Einzigartig - kein anderer Duft in der Parfumabteilung des lokalen Mainstream-Dufthauses riecht so wie er und doch eckt er an keiner Stelle an.
BdC geht zu jeder Jahreszeit, zu jeder Uhrzeit und zu jedem Anlass. Er ist elegant aber frisch, komplex aber einfach und intensiv aber leicht zu tragen. Für mich ein must-have in jeder Sammlung und ein brillianter Tipp um einen Parfum-Neuling abzuholen.
Meiner Meinung nach übertrifft das EdP die anderen Konzentrationen, Das EdT ist etwas zu schnell wieder verschwunden und das Parfum riecht für mich weniger Frisch und somit etwas zu adrett.
Vielleicht bin ich mit meiner Meinung alleine und habe schlichtweg die "Blaue" Brille auf - für mich wird Bleu de Chanel jedoch immer einen ganz besonderen Platz behalten.