Kourosiosi

Kourosiosi

Rezensionen
Kourosiosi vor 2 Jahren 1
6
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Vincents Fahrenheit
Vincent van Gogh malte in Arles eine Serie von Bildern mit Sonnenblumen. Gelb ist da die dominante Farbe. In der Ölmalerei gibt es Pigmente die durch einen Anteil an Metallen leicht giftig sind: Kobaltgelb oder Kadmiumgelb zum Beispiel. Das potentiell gesundheitsschädliche Terpentin wird als Binde- und Verdünnungsmittel ebenfalls in der Ölmalerei verwendet. Es ist ein Gemisch aus Harzen und ätherischen Ölen und gehört zu den Balsamen.

An der Cote d´Azur gibt es auch heute noch Ateliers in denen Künstler mit kräftigem Strich das besondere Licht dieser herrlichen Landschaft in Ölfarben einfangen. Vor Corona waren wir Ende des Winters oft zum Rennradfahren dort und haben rund um Menton auch Künstler besucht und das eine oder andere Bild gekauft. Citron Sauvage ist der Duft, der mich schlagartig in so ein Atelier versetzt. Aus den 90ern habe ich noch einen Flakon der Parfumerie Funel aus der Avenue Felix Faure aus Menton. Er heißt Toulanne und ist ein Lavendelduft. Aber hinter dem Lavendel ist auch dieser dunkle Honig-Terpentin-Balsam, vielleicht inzwischen auch altersbedingt. Bei Citron Sauvage wird der Lavendel durch helle kadmiumgelbe Zitrone ersetzt. Was besser zur Winterzeit passt, weil wie das Licht strahlender, frischer als der Lavendel. Wer selbst einmal Terpentin benutzt hat, kennt den leichten Film, der am Ende auf der Haut zurück bleibt: weder trocken noch ölig. Ich habe das Gefühl, den Duft nicht nur zu riechen, sondern auch zu spüren.

Mag ich so riechen? Manchmal, ja. Für mich selbst, um eine Reise zu machen. Ich kann alles verstehen, was meine Vorredner schrieben: Manche Klosteine riechen ähnlich, aber das wirft man ja auch dem von mir geliebten Kouros vor. Das ölige Terpentin erinert mich entfernt an die Benzinnote im alten Fahrenheit, nur dunkler. Citron Sauvage ist eine sehr abstrakte Zitrone, riecht für manche leicht giftig, gesundheitsschädlich und deshalb definitiv schwerer zugänglich als zum Beispiel Eau De Rochas. Für mich ist es die moderne Interpretation der Sonnenblumen Van Goghs in Duftform. Van Gogh konnte kein Fahrenheit tragen. Aber wenn er in Arles im Sommer die Tür des Ateliers nach getaner Arbeit öffnete und lauer Zitronenwind sich mit dem Ölmalereidüften vermischte, roch es nach Citron Sauvage. Finde ich klasse :-)
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Kourosiosi vor 3 Jahren 14 3
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Schwarz oder doch Königsblau?
Encre Noire, schwarze Tinte und schon geht es los: Duftnamen wecken Assoziationen oder auch nicht. Eutopie nummeriert einfach durch, Chanel macht das teilweise auch und andere regen das Kopfkino bewusst durch die Namensgebung an, bevor der erste Tropfen den Flacon überhaupt verlassen hat. Der Schwarze Tintenfleck auf weißen Grund gilt Piraten als Botschaft des baldigen Todes in Stevensons Schatzinsel und wird heute noch in der Popkultur so verwendet. In Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" sterben Mönche mit Fingern und Zungen befleckt mit schwarzer Tinte. Gegen den "Schwarzen Tod" half im Mittelalter kein Lockdown und am "Schwarzen Freitag" begann eine weltweite Wirtschaftskrise ohne Rettungsschirme; Schwarze Magie, Schwarzarbeit, Schwarzseher... Und seit Encre Noir "Schwarzriecher" - da hilft nur noch Schwarzer Humor!

Der Duft von Encre Noir an sich wurde hier schon ausführlich beschrieben und ich gehe deshalb auch nicht noch einmal auf die einzelnen Duftbausteine ein, sondern auf die subjektive Wirkung dieses Duftes auf mich persönlich, denn ich sehe ihn etwas anders: Im Gegensatz zu vielen hier empfinde ich Encre Noir durchaus als Sommerduft. Encre Noir strahlt für mich eine Kühle aus, die ich von keinem anderen Duft so kenne. Bei Fahrenheit oder Grey Flannel ist es eine metallische Kühle, bei den üblichen Zitrussommerdüften ist es eher eine Frische, aber Encre Noir wirkt auf mich kalt . Dies liegt nicht an den enthaltenen Duftstoffen selbst, sondern an der Abwesenheit von allem, was auch nur ansatzweise warm oder süß-kuschelig riechen könnte. EN ist für mich emotionslos kalt - gefroren wie ein Eisblock. Ich überlege, ob viele in den Rezensionen beschriebene Assoziationen auch entstanden wären, wäre der Duft in einem "geeisten" Flacon gefangen und hieße Encre Bleu? Für mich ist EN ein Eisberg aus blauer Tinte in dessen Mitte ein Blaues Loch alles warm-süßlich-kuschelige einsaugt und in strahlende Kälte verwandelt. Im Zentrum dieses "Blauen Lochs" herrscht unendliche Ruhe und riecht es nach Königsblau. Ich mag das ab und zu sehr.

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Kourosiosi vor 5 Jahren 11 3
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Das war dann mal weg...
Wer Lucia Sciarra alias Monica Bellucci in Spectre auf der Beerdigung ihres Mannes gesehen hat, kann nachvollziehen, warum genau sie von der Organisation für diesen Job ausgewählt wurde. Es war wieder eine Beerdigung. Und wieder fand sie in Italien statt. Es war eine heikle Aufgabe, fast schon delikat. Niemand kannte wirklich den Mann im lederausgeschlagenen Edelholzsarg, der da verschlossen im Mailänder Dom stand und neben wenigen Blumen mit allen möglichen Gewürzen und Kräutern geschmückt war. Er sei ein Reisender gewesen, Frankreich, Spanien, Italien, und immer wieder hätte er Liebschaften mit seiner DNA beglückt. Und genau um die ging es, diese DNA, die Grundlage, die in der heutigen Zeit verloren gegangen schien. Üppige Kräuter, Blumen und Gewürze – was halt gerade so da war; aber im Kopf immer die Bergamotte, im Herz die Gartennelke und am Ende Moos, Leder, Patchouli, Rauch und Holz, alles sehr, sehr männlich, dichtes Brusthaar statt Goldketten – letztere so lächerlich und verachtenswert wie Herrenhandtaschen!
Sie hatte in der zweiten Reihe Platz genommen. Sie nahm diese DNA deutlich wahr, als seine 3 ehelichen Söhne an ihr vorbeizogen und in der ersten Reihe Platz nahmen: Seniore Trussardi Uomo, Senor Quorum Puig und Monsieur Tsar van Cleef & Arpels, der jüngste. Wahrscheinlich gab es noch viele weitere Kinder, war er selbst doch keines von Traurigkeit gewesen.
Sie stand direkt hinter Seniore Trussardi. Man hatte ihr gesagt, dass er nur noch sehr selten in der Öffentlichkeit zu finden sei. Früher war das anders: Laut war er, aber nicht derb. Schon eher kühl, aber nie kaltherzig. Rauchiges Leder und auch sonst animalisch, aber nicht so schmutzig wie Yves Kouros. Seine Haare waren akkurat nach hinten gekämmt, er wirkte sehr gepflegt, elegant, genau die richtige Mischung aus Macho und Geschäftsmann, nicht so prollig wie dieser Jules Dior. Der Kouros und der Jules, das waren halt Franzosen – echte Stinker, auch klasse! Monsieur Tsar wirkte dagegen sehr, sehr blass, gerade zu bieder. Die selbe DNA?
Mit der Zeit merkte sie aber immer mehr, dass sie irgendetwas an Seniore Trussardi störte: Waren es die Aldehyde in Kombination mit Zimt und Zeder oder war es die Tonkabohne? Vielleicht hatte das 1983 funktioniert, aber heute wirkte es doch ein wenig überladen, bemüht, aus der Zeit gefallen. Sie spürte, wie langsam der Gedanke in ihr aufstieg, dass es wohl gut sei, dass sich Seniore Trussardi in der Öffentlichkeit rar machte. Wahrscheinlich hatte er selbst erkannt, dass seine Zeit vorbei sei. Seine Familie hatte noch einmal einen Versuch unternommen, den Freunden des Seniore die Abendsonne als Morgendämmerung zu verkaufen – aber das war nix, gar nix. Die Orgel begann zu spielen und sie musste sich entscheiden.
Als die 3 Brüder an ihr vorbeizogen, hakte sie sich entschlossen bei Senor Quorum unter, dem ältesten, kantigsten und männlichsten von allen dreien. Trotz Trauerfeier grinste er kurz, verstand augenblicklich die Chance und griff instinktsicher zu. Monsieur Tsar nahm das Ganze etwas irritiert, gleichsam teilnahmslos zur Kenntnis. Seniore Trussardis Augen blitzten kurz auf, auch er hatte sofort verstanden. Genau dafür bewunderte er seinen älteren Bruder. Mit ihm würde sie heute Nacht versuchen ihre Mission zu erfüllen. Sie hatte so eine Ahnung, dass dies mit Senor Quorum viel Spaß bringen würde.
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Kourosiosi vor 6 Jahren 14 2
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Eiche-Barrique-Rotwein in der Klosterbibliothek
Vanille Insensée ist erstaunlicherweise mein erster Vanilleduft. Erstaunlich, weil ich Vanille sehr gerne mag – aber möchte ich riechen wie ein schwabbeliger Pudding? Wohl eher nicht – wahrscheinlich ist meine Sammlung auch deshalb frei von Gourmands. Zudem bin ich ziemlich reingefallen: Insensée ist französisch und bedeutet absurd, verrückt, exzentrisch und nicht, wie ich dachte, Weihrauch, der heißt incense – aber das ist dann englisch. Kaum weiß ich das, rieche ich auch keinen Weihrauch mehr! Aber was ist dann das rauchige, das bei mir über eine Stunde die Vanille kontert? Ich vermute die Eichenmoos-Vetiver-Kombi. Und damit sind wir in der für mich zunächst spannendsten Phase dieses Duftes. Nach der von Meggi unverbesserlich gut beschriebenen und glücklicherweise nur sehr kurzen säuerlich-käsefüßig-vanilligen Kopfnote beginnt dieses spannende Spiel zwischen Vanille und Rauch. Ich fühle mich olfaktorisch in die wunderschöne Bibliothek des Zisterzienserinnen-Klosters in Waldsassen versetzt: sehr altes Papier und Rauch, das ganze extrem konzentriert. Nach zirka zwei Stunden raucht es langsam weniger und ich kann wie aus großer Entfernung ab und an ein bisschen Jasmin erahnen. Die Vanille übernimmt immer mehr das Kommando – knochentrocken, keinesfalls lieblich oder süß-klebrig dieser Comandante V, allenfalls seine Unterwäsche darf mit diesem Jasmin-Weichspüler gewaschen werden.

Und jetzt könnte Schluss sein: Moos, Vetiver plus Vanille oder Tonka bilden bei vielen Düften die Basis für die Basis. Und lange denke ich auch, dass da nix mehr kommt. Aber wieder reingefallen: hinter der Vanille, da ist doch noch was. Den Amber kann ich nicht rausriechen, aber die Eiche: Geht man an frisch gesägten, zum trocknen aufgestapelten Eichenbrettern vorbei, kann man die Tannine, die Gerbstoffe sehr gut riechen, intensiv säuerlich-bitter-herb. Deshalb hier so schwer zu riechen, weil in diesen Tanninen auch etwas Vanilliges ist. Weintrinker kennen das von in Eiche gelagerten Rotweinen – da gibt es diese Vanille-Aromen. Wunderbar subtil löst die leicht bittere Eiche als herber Copilot der Vanille die rauchige Vetiver-Moos-Kombi immer mehr ab. Und das säuerliche der Gerbstoffe erinnert völlig unerwartet wieder daran, dass wir es mit einem Cologne zu tun haben. Dieser feine Übergang ist einfach nur großartig!

Falls für all das diese etwas verrückten fünf Anfangsminuten notwendig sein sollten und dazu der Amber irgendwo versteckt seinen Beitrag leisten muss, ist mir das nur Recht. Kein Kuschelduft, dafür ist er mir zu sauber. Für mich auch nichts fürs Büro. Aber herrlich zu einem spannenden Buch oder einfach nur zum träumen.
2 Antworten
Kourosiosi vor 6 Jahren 38 14
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Flakon
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Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Er macht nix, will nur spielen
Kouros macht nichts, auch nichts mit dir oder mir, gar nichts. Hat nie irgendetwas gemacht, niemals! Was sollen 100 ml in einer unschuldig weißen Flasche auch machen? So war das auch bei Trussardi Uomo, meinem anderer all-time-favourite - wovon jetzt die beiden letzten 50 ml Flacons edt und as angebrochen sind.

Von Kouros sind noch zwei mal 100 ml mit der silbernen Schulter bei mir. Ich habe also noch diese alte Formulierung, wo mich dieses blöde Eichenmooszeugs mit jedem Sprühstoß immer anaphylaktisch total durchschockt. Man hat ihm diese silbernen Schultern samt diesem bösen Zeugs endlich genommen, so wie einem stolzen Offizier die silbernen Schulterklappen, Anachronismen, total überflüssig. Und deshalb steht er jetzt etwas verunsichert da, der neue Kouros; ist aber auch irgendwie verständlich in dieser Welt, in der das Ansehen der Griechen so gewaltig unter die Räder gekommen ist. Was macht da eigentlich diese Skulptur von diesem Nikos? Aber der Kouros steht immerhin noch. Dem armen Italiener hat man ja nicht nur die schwarze Hartplastik-Lederjacke ausgezogen, sondern ihn gleich im Krematorium mit allen Blumen und Gewürzen auf ewig verdampft.

Animalisch, das war nie Kouros, das waren wir selbst! Wir waren die Viecher in den hedonistischen 80ern und 90ern. Was kostet die Welt? Egal! Wir waren voller Testosteron, voller Energie, voller Kraft, definitiv unbesiegbar: Freiheit statt Konventionen, verrückteste Ideen statt neurotischer Erwerbskreativität, Gauloises blau statt e-Zigarette. Doch wer genau hinsah, konnte am Horizont schon erkennen, dass da so eine vegan-feministische-CK-One-unisex-Gewitterfront aufzog: Softies waren danach auf jeden Fall keine Papiertaschentücher mehr.

Wer wissen möchte, warum hier viele auf Kouros stehen, sollte im Sommer am Nachmittag 3 Stunden wirklich hart trainieren, mindestens ne halbe Stunden duschen, sich mit Kouros parfumieren, auf´s nächste Open-Air fahren, 5 Stunden lang voll abtanzen, danach mit der schönsten Frau des Festivals noch 2 Stunden bis zur Morgenröte spazieren gehen und sie dann mit heim nehmen; am Morgen frische Brötchen holen und Kaffee machen und vor dem Frühstücken noch mal zu ihr ins Bett. Was du dort riechst, ist genau der Kouros, den wir alle lieben. Oder lieben wir diese Erinnerung an diesen Morgen? Ich kann es nicht mehr genau sagen. Aber immer wenn ich Kouros rieche, ist genau das wieder da.

Dabei war es nie Kouros, wir beide haben es gemacht, erlebt, genossen. Kouros war nur der Katalysator, ein Stoff, der eine Reaktion auslöst. Wir sind die Tiere, das Animalische, der Schrecken des Establishment. Und Ihr denkt immer der Kouros war´s. Die Sünde trägt Kouros…

Bin ich das noch? Legt man typische Kouros-Attribute als Maßstab an, hat sich Kouros in den letzten 30 Jahren sicher besser gehalten als ich mich selbst. Ich bin nach 1 Stunde wirklich harten Trainings nur platt. Aber die Erinnerung an all die geilen Tage und Nächte ist wunderschön. Kouros war ganz, ganz oft dabei. Danke YSL.
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